Am Donnerstag, 29. Juni,
war Ilse Aigner, bildungs- und forschungspolitische Sprecherin der
CDU/CSU-Fraktion, zu Gast im tagesschau-Chat in Kooperation
mit politik-digital.de. Sie diskutierte mit den Nutzern über
Studiengebühren, die Bedeutung von Bildung und die Kompetenzverteilung
zwischen Bund und Ländern.

Moderator:
Liebe Bildungs-, Forschungs- und Politik-Interessierte, herzlich
willkommen zum tagesschau-Chat. Unser Gast im ARD-Hauptstadtstudio
ist heute Ilse Aigner, Bundestagsabgeordnete und bildungspolitische
Sprecherin der Unions-Fraktion. Vielen Dank fürs Kommen, Frau
Aigner. Neben Bildung und Forschung, Gentechnik und Schulbank darf
es natürlich auch um andere interessante Themen gehen und Ihre
Fragen können Sie natürlich wie immer jederzeit stellen,
sie werden gesammelt. Eine Bemerkung noch: Im Bundestag hat sich
der Zeitplan verschoben. Frau Aigner muss uns daher bereits nach
40 Minuten verlassen – es kommt bei der Abstimmung auf ihre Stimme
an.

Benjamin Stierl: Werte Frau Aigner, sind Sie persönlich
für Studiengebühren, oder sind Sie dagegen?

Ilse
Aigner:
Ich bin für Studiengebühren, weil es
zu einer Verbesserung der Studienbedingungen führen wird und
es eine Gleichbehandlung gibt mit denjenigen, die die berufliche
Weiterbildung durchlaufen.

peterm: Mit welchen Argumenten könnte man
mich dafür begeistern, für mein letztes Semester an einer
bayerischen Hochschule noch 500 Euro zu zahlen – die Bedingungen
werden sich nicht von heute auf morgen verbessern!

Ilse Aigner: Doch. Weil diese Mittel zusätzlich
eingesetzt werden und deshalb wird es auch zu Verbesserungen für
Sie kommen.

scully: Wie sollen Studiengebühren die Studienbedingungen
verbessern, wenn das Geld die Institute nicht erreicht?

Ilse Aigner: Ich weiß nicht, wie Sie zu
der Erkenntnis kommen, dass die Mittel die Hochschulen nicht erreichen.
Mein Kenntnisstand ist, dass die Länder ihre Mittel aufrecht
erhalten und die Mittel zusätzlich den Hochschulen zur Verfügung
stehen.

Moderator: Wissen Sie, ob das
in allen Bundesländern so gehandhabt wird oder gibt es Unterschiede?

Ilse Aigner: Meines Wissens ist es in allen Bundesländern
so.

Moderator: Nachfrage von:

arzt-im-streik: In wie fern bedeuten denn 500
Euro im Semester eine Gleichbehandlung der Studierenden mit Auszubildenden?

Ilse Aigner: Da muss ich missverstanden worden
sein. Es ist nicht um die Auszubildenden gegangen, sondern um die
berufliche Weiterbildung wie z.B. Meister oder Techniker. Ich selbst
bin so ein Beispiel. Hier müssen Schulgeld und Lebensunterhalt
selbst bestritten werden. Nur über das so genannte Meister-BAföG
gibt es mittlerweile eine teilweise Entlastung bei den Lebenshaltungskosten
auf Darlehensbasis.

Moderator: Sie sprechen von sich
als Beispiel – können Sie das ein bisschen näher erklären?

Ilse Aigner: Ich habe ich eine Berufsausbildung
als Radio- und Fernsehtechniker durchlaufen. Nach fünfjähriger
Berufserfahrung dann eine zweijährige Weiterbildung zur staatlich
geprüften Elektrotechnikerin. Meine Mitstudierenden und ich
waren aber immer der Meinung, dass eine Investition in die Ausbildung
sich langfristig rechnet.

Mike S: Aber Weiterbildungen können doch
nicht mit einer universitären Erstausbildung verglichen werden?

Ilse Aigner: Ich glaube, das ist genauso eine
Investition in die Zukunft. Der Arbeitslosenanteil von arbeitslosen
Akademikern ist weit geringer als der Durchschnitt.

Finity: Studierende aus Arbeiterfamilien sind
ohnehin an Unis stark in der Minderzahl. Wird diese soziale Selektion
nicht noch weiter vorangetrieben durch die Studiengebühren?

Ilse Aigner: Hier muss natürlich von den
Ländern (die auch zuständig sind) ein Stipendiensystem
aufgebaut werden, andererseits kann ich auch sagen, dass eben diese
besprochenen Arbeiter über die Steuermittel eine universitäre
Ausbildung bisher voll finanzieren, um anderen damit eine bessere
Aussicht auf potentiell höhere Verdienste zu ermöglichen.

hanss: Wird mit der Erhebung von Studiengebühren
auch das BAföG erhöht werden, um die finanzielle Mehrbelastung
finanzschwacher Studenten auszugleichen?

Ilse Aigner: Die Frage der Studiengebühren
ist Sache der Länder und sie müssen auch ein Stipendiensystem
gewährleisten, das jungen Menschen mit geringen finanziellen
Mitteln die Aufnahme eines Studiums ermöglicht. Unabhängig
davon haben wir ein Studienkreditprogramm auf den Weg gebracht,
das es auch denjenigen, die nicht BAföG-berechtigt sind, ermöglicht,
ihre Lebenshaltungskosten über einen Kredit mitzufinanzieren
(ohne Bonitätsprüfung).

lenita: Sind Studiengebühren nicht nur ein
Tropfen auf den heißen Stein? Ein Dozent der Ruhr-Uni sagte
mir, dass diese lediglich einen Anteil von 1,5 Prozent ausmachen.

Ilse
Aigner:
Ich kann die Zahl nicht nachvollziehen. Wichtig
ist aber auch, dass durch eine Mitfinanzierung der Studenten eine
stärkere Erfolgskontrolle von diesen eingefordert wird – gegenüber
dem Lehrbetrieb.

Moderator: Stichwort Generation
Praktikum:

DanielS: Halten Sie es für richtig, dass
man gerade in Zeiten unsicherer Arbeitsbedingungen – auch für
Akademiker – mit einem Schuldenberg in sein Berufsleben starten
soll?

Ilse Aigner: Es ist eine Frage
auch der Rückzahlungsmodalitäten, die die Länder
auch so regeln müssen, dass bei geringem oder keinem Verdienst
die Rückzahlung ausgesetzt oder gegebenenfalls erlassen werden
muss. Dieses trifft übrigens genauso auf diejenigen zu, die
eine berufliche Ausbildung durchlaufen. Bei den Studiengebühren
noch einmal der Hinweis, dass dies alleinige Angelegenheit der Länder
ist und in ihrem alleinigen Verantwortungsbereich. Dies wurde durch
ein Bundesverfassungsgerichtsurteil bestätigt. Der Bund hat
hier keine Handlungskompetenz.

Moderator: Die Kompetenz bei
Bildungsangelegenheiten liegt aber ganz sicher bei Ihnen. Darum
weiter:

jojo: Warum werden keine zinslosen Kredite für
Studierende diskutiert, sonder von 7 Prozent geredet, also einem
Mehrwert, den z.B. die KFW plant und viele Banken. Weshalb wird
an der von Ihnen richtig benannten Investition in die Zukunft dieser
Mehrwert vorausgesetzt? Warum sind zinslose Kredite nicht diskutabel?

anna.adb: Ich studiere in Großbritannien
und dort gibt es bereits Studiengebühren. Dort existiert aber
ein funktionierendes Bildungskreditsystem mit keinen oder geringen
Zinsen. In Deutschland fehlt ein entsprechendes Angebot bis jetzt.
Was gedenken Sie hier zu tun?

Ilse Aigner: Zum einen sind mir die Kreditkonditionen
der KfW mit 5 bis 5,5 Prozent bekannt und nicht 7 Prozent. Zum anderen:
Wenn zinslose Kredite bereit gestellt werden müssen, bedeutet
dies indirekt eine weitere Verschuldung des Staates. Bei einer momentanen
täglichen Zinslast des Bundes von 100 Millionen Euro können
wir uns dies nicht mehr erlauben. Der Bund zieht sich aber nicht
aus dem Bereich der Forschung und Hochschulen zurück, sondern
setzt in diesem Bereich Akzente. Wir investieren bis zum Jahr 2009
zusätzlich 6 Milliarden Euro. Unter anderem wird dabei der
Einstieg in eine Overhead-Finanzierung (Aufschlag von bis zu 20
Prozent für die Hochschulen auf eingeworbene Drittmittel der
DFG) vollzogen.

Anders: Bisher ist es allerdings so, dass die
Studenten an den Universitäten immer weniger politische Macht
ausüben können / dürfen. Wie könnte ein effizientes
Evaluationssystem der Lehre an den Unis aussehen? Können studentische
Kommissionen Professoren, die eine schlechte Lehre bieten, abmahnen?

Ilse Aigner: Ich kann mir vorstellen, dass die
Länder ihre Hochschulen auch dahingehend modernisieren müssen,
dass eine Evaluation auch die berechtigten Interessen der Studierenden
mit einbezieht.

sabine: Hätten Sie sich bei der Föderalismusreform
noch mehr Kompetenzen für die Länder gewünscht? Wenn
ja, in welchen Bereichen?

Ilse Aigner: Ich finde es richtig, dass die Länder
eine eindeutige Kompetenz aber auch die volle Verantwortung für
die Bildung haben. Bei den Hochschulen war mein Wunsch die jetzt
geplante Regelung im Paragraph 91b, die Länder wollten dies
ursprünglich nicht. Ich bin froh, dass im Sinne der Hochschullandschaft
dieser Kompromiss geglückt ist. Im Gegensatz zur Bildung ist
eine strikte Trennung zwischen Forschung an Hochschulen (Kompetenz
des Bundes auch schon bisher) und der Lehre in der Praxis schwierig
gewesen.

Moderator: Noch mal zu den Studiengebühren.
Kritik von:

gkztgui: Angeblich kommen Studiengebühren
den Unis zusätzlich zugute. Spätestens beim nächsten
Haushaltsloch wird die Politik Fördermittel abziehen, denn
kaum jemand wird den Unis mehr geben als unbedingt nötig. Woran
liegt es also, dass die Politiker uns diese absehbare Reduktion
verschweigen? Sind die wirklich so naiv und unfähig in die
Zukunft zu schauen oder verschaukeln sie den Bürger absichtlich?

Ilse Aigner: Diese Unterstellung kann ich so nicht
teilen. Die Länder sind sich, glaube ich, sehr wohl ihrer Verantwortung
für die Studierenden bewusst. Wir hatten am Montag erst eine
Diskussion mit dem zuständigen hochschulpolitischen Sprechern,
die uns dies versichert haben.

Moderator: Kommentar dazu:

hanss: Dies ist teilweise schon indirekt geschehen. In NRW wurden
die Fördermittel für die Studentenwerke gekürzt!

Moderator: Haben Sie den Eindruck,
dass die Bildungspolitik einen größeren Stellenwert in
der Politik bekommen hat?

Ilse Aigner: Allein durch die Diskussion um die
Föderalismusreform und die Frage der Kompetenzverteilung ist
aktuell dieser Politikbereich mehr in den Fokus gerückt. Ich
glaube aber, insgesamt ist die Erkenntnis auf allen Ebenen mittlerweile
ausgeprägter, dass wir hier ein sehr wichtiges Themenfeld finden.

Herodot: Als Dozent eines Massenfaches sehe ich
den Studiengebühren skeptisch entgegen. Wie soll man bei einem
Schlüssel von 80 Studierenden pro Dozent eine angemessene Ausbildung
gewährleisten. Die Studiengebühren sind da nur ein Tropfen
auf den heißen Stein, zumal ein Großteil im Hochschulbau
und der Verwaltung versickert. Müsste nicht parallel zu den
Gebühren auch ein deutliches Signal von Bund und Ländern
zur finanziellen Aufstockung erfolgen?

Ilse Aigner: Ich habe schon darauf hingewiesen,
dass der Bund 6 Mrd. Euro in diesen Bereich in den nächsten
Jahren zusätzlich investiert. Das ist für meine Begriffe
ein deutliches Zeichen, wenn man die Rahmenbedingungen der Haushaltslage
berücksichtigt. Ich appelliere auch an die Länder, dies
zu tun.

Emjay: Die zusätzlichen 6 Mrd. werden aber
als Aufstockung der Drittmittel verwendet und kommen daher bestenfalls
der Forschung, nicht aber der Lehre zugute.

Ilse Aigner: Wenn die Länder gerade im Bereich
der Forschung vom Bund etwas entlastet werden, besteht umso mehr
die Möglichkeit, in Bereich der Lehre einen Handlungsspielraum
der Länder zu eröffnen.

anna.adb: Wie wollen Sie sicherstellen, dass es
aufgrund der Länderhoheit nicht zu unterschiedlichen Studienbedingungen
bezüglich der Finanzen in den einzelnen Bundesländern
kommt? Wird auf diese Weise nicht ein Marktwettbewerb begünstigt,
der sich nicht mehr an der Studienqualität, sondern am Preis
orientiert?

Ilse Aigner: Ich glaube ganz im Gegenzug, dass
sich die Studenten sehr wohl an der unterschiedlichen Qualität
der Lehre und den unterschiedlichen Bedingungen an den Hochschulen
orientieren werden. Ich glaube, dass Wettbewerb immer zu besseren
Lösungen führt als eine Nivellierung.

Moderator: Und noch einmal auf
das alte Problem zurück – Frage an die Bundespolitikerin.

MartinS79: Sie verweisen hier sehr viel auf die
Länder, die dies oder jenes sollten… Hätten Sie sich
hier nicht mehr Kontrollmöglichkeiten gewünscht?

Ilse Aigner: Natürlich wäre einem Politiker
immer eine größtmögliche Regelungsfreiheit immer
lieber, weil der persönliche Einfluss größer ist.
Ich bezweifle aber, dass generell zentralistische Lösungen
zu einem besseren Ergebnis führen. Ich bin eben ein überzeugter
Anhänger von Wettbewerb und ich würde mir auch wünschen,
dass eben die Hochschulen selbst mehr Kompetenzen erhalten um in
einen direkten Wettbewerb einzusteigen. Wir konkurrieren nicht nur
auf nationaler Ebene, sondern müssen immer bedenken, dass wir
mittlerweile praktisch weltweit im Wettbewerb liegen.

Moderator: Das war unser tagesschau-Chat,
heute nur 45 Minuten, der geänderte Bundestagsterminplan ist
schuld. Vielen Dank Frau Aigner, dass Sie sich Zeit genommen haben.
Das Protokoll des Chats ist wie immer in Kürze zum Nachlesen
auf den Seiten von tagesschau.de und politik-digital.de zu finden.
Das Tagesschau-Chat-Team dankt allen Teilnehmern für Ihr Interesse
und die zahlreichen Fragen und wünscht noch einen angenehmen
Tag.

Ilse Aigner: Auf Wiedersehen und einen schönen
Tag. Und hoffentlich einen Sieg der deutschen Mannschaft morgen
nachmittag.