Jörg Schönbohm, Innenminister
des Landes Brandenburg, war am 26. August zu Gast im tacheles.02
Live-Chat von tageschau.de und politik-digital.de. Diskutiert wurde
u.a. über die Emotionalisierung des Wahlkampfs, die Auseinandersetzung
mit der Linkspartei und die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei

Moderator: Liebe Politik-Interessierte,
willkommen im tacheles.02-Chat. Die Chat-Reihe tacheles.02 ist ein
Format von tagesschau.de und politik-digital.de und wird unterstützt
von tagesspiegel.de. Zum Chat ist heute der Innenminister Brandenburgs,
Jörg Schönbohm ins ARD-Hauptstadtstudio gekommen. Herr
Schönbohm, können wir beginnen?

Jörg Schönbohm: Gerne. Ich freue mich
drauf.

Juventus: Herr Schönbohm, glauben Sie, dass
Ihre Äußerungen zu den mangelnden Werten, einer Wertedebatte
in Deutschland, die ich durchaus für notwendig halte, nicht
abträglich sind?

Jörg Schönbohm: Ich habe mit meinen Äußerungen,
die sich in Brandenburg auf das Wegsehen bei schwersten Straftaten
und einer möglichen Erklärung hierzu eine breite Diskussion
losgetreten. Ich habe dabei festgestellt, dass ich Menschen beleidigt
habe und Menschen sich ihrer Lebensleistung beraubt fühlen.
Dies war nicht meine Absicht und deswegen habe ich mich dafür
entschuldigt. Ich denke, dass wir die Diskussion nach den Wahlen
in einer sachlichen Diskussion weiterführen, weil es noch offene
Fragen gibt. Ich hoffe, dass es trotz allen Ärgers gelingt,
die Debatte in einem sachlichen Fahrwasser zu führen.

Gottfried: Rechnen Sie sich noch Chancen aus,
bundespolitisch aktiv werden zu können, auch nachdem Frau Merkel
Günther Beckstein für "Inneres" in ihr Kompetenzteam
berufen hat?

Jörg Schönbohm: Die Wählerinnen
und Wähler müssen erst mal entscheiden, dass wir eine
CDU/CSU und FDP Regierung bekommen. Ich setze mich dafür ein,
dass dies gelingt und mache Wahlkampf in ganz Deutschland und in
Brandenburg. Günther Beckstein ist ein erfahrener Landesminister
und ich hoffe, dass er Bundesinnenminister wird. Das wäre gut
für Deutschland.

HansaII: Herr Schönbohm, was sagen Sie zu
Stoibers Aussagen zum ostdeutschen Wahlverhalten?

Jörg Schönbohm: Stoiber hat sich mit
seiner Aussage auf Oskar Lafontaine und Gregor Gysi bezogen, und
da muss man sich noch mal in Erinnerung rufen: Oskar Lafontaine
hat nach dem Fall der Mauer 1989 gesagt, dass die Ostdeutschen nicht
in das westdeutsche Sozialsystem dürften. Er war dezidiert
gegen die deutsche Einheit und hatte sich schon im März 1990
mit Gregor Gysi dazu gemeinsam geäußert. Es ist schwer
erklärbar und akzeptabel, dass diese beiden Hasardeure jetzt
den Deutschen erklären wollen, wie die Einheit wirklich geht.
Darauf zielten Stoibers Aussagen und da hat er Recht.

Moderator: Wie stark sehen Sie denn die Linkspartei
am 18. September?

Jörg Schönbohm: Es ist noch zu schwer
vorherzusagen. Die hat ja schon abgenommen von Bundesebene von 11
auf 9 Prozent. In den neuen Bundesländern sind CDU und Linkspartei
in den Umfragen zur Zeit gleichauf. Wir haben noch drei Wochen Zeit,
unsere Mitbürger davon zu überzeugen, dass die Wahl der
Linkspartei Protest aber keine Lösung bedeutet. Wir wollen
die Zukunft gestalten und gewinnen, und die Linkspartei möchte
die Vergangenheit verwalten. Darum denke ich, wird die Linkspartei
im weiteren Verlauf des Wahlkampfes weiter abnehmen.

auslandsdeutscher: Was halten Sie denn am "Gefährlichsten"
an der Linkspartei?

Jörg Schönbohm: Das Gefährliche
an der Linkspartei ist, dass sie die schwierige Altlast aus der
DDR verschweigt, die gemeinsam erzielte Aufbauleistung klein redet
und den Menschen den Mut nimmt, sich für ihre eigene Zukunft
stärker einzusetzen. Die Linkspartei verspricht ein Wahlprogramm,
dessen Finanzierung vollkommen unklar ist und sie folgt einem Schuldenmodell,
das die DDR zum Ende gebracht hat.

Politicus: Wie kann man vor allem in Ostdeutschland
den Menschen vermitteln, dass die Linkspartei keine wirklichen politischen
Lösungen hat?

Jörg Schönbohm: Hierzu bedarf es eines
andauernden und geduldigen Zuhörens bei den Menschen. Wir dürfen
nicht vergessen, dass unsere Mitbürger in den letzten Jahren
viele Veränderungen mitgemacht haben und wir dennoch ein hohes
Maß an Arbeitslosigkeit zwischen 18 und 20 Prozent haben.
Daraus ergeben sich Enttäuschungen, die die Linkspartei nutzt
zur Emotionalisierung und zu Versprechungen, die nicht einlösbar
sind. Darum müssen wir gegenüber den Mitbürgern die
Schwierigkeit unserer Lage klar beschreiben und eine Perspektive
zur Lösung der Probleme entwickeln und dabei klar machen, dass
es noch Jahre dauert, bis wie das geschafft haben. Das ist ehrlicher,
weil das Klarheit schafft.

koellefornia: In Deutschland ist es oft problematisch,
unangenehme politische bzw. gesellschaftliche Wahrheiten bzw. Missstände
deutlich zu formulieren und anzuprangern. Was meinen sie, woher
das kommen kann?

Jörg Schönbohm: Wir haben in der Tat
in Deutschland eine Tendenz, bestimmte Bereiche zu Tabubereichen
zu erklären. Aber die Wirklichkeit ist immer stärker als
es die Tabuisierer sind. Das haben wir festgestellt bei dem Thema
Integration und Zuwanderung. Das neue Zuwanderungsgesetz ist erst
zustande gekommen, nachdem ich das rot-grüne "Traumgesetz"
im Bundesrat verhindert habe. Jetzt haben wir ein Gesetz, das die
Zuwanderung begrenzt, deutsche Interessen definiert und Integration
fördert. Ich wünschte mir generell, dass wir in unserer
Demokratie erkennen, dass es grundsätzlich möglich ist,
über Unterschiede kontrovers zu diskutieren und dabei auch
unangenehme Dinge anzusprechen. Wenn die politischen Parteien einen
Teil der Wirklichkeit aus ihrer Politik ausblenden würden,
stützte dies die Entwicklung von extremistischen Parteien.
Und das kann nicht unser Interesse sein.

mok: Wie wollen Sie in Zukunft gegen den Rechtsextremismus
in den neuen Ländern vorgehen?

Jörg Schönbohm: In Brandenburg habe
ich mit den Mitteln der Polizei einen sehr starken Verfolgungsdruck
aufgebaut. Wir haben besonders spezialisierte Polizeikräfte,
die die Rechtsextremen persönlich kennen, sie gezielt ansprechen
und auch Kontakt aufnehmen mit den Angehörigen und Arbeitgebern.
Wir haben bei rechtsextremistischen Straftaten eine sehr hohe Aufklärungsquote.
Die Polizei ist aber am Ende einer Fehlentwicklung und daher müssen
wir an den Anfang dieser Fehlentwicklung kommen. Hierzu muss in
den Schulen das Grundlagenwissen verbreitert werden, die Elternhäuser
müssen ihre besondere Verantwortung erkennen. Die Arbeitgeber
und gesellschaftliche Organisationen wie die Freiwillige Feuerwehr
müssen bei Fehlentwicklungen auf die betroffenen Personen zugehen.

kreta: Herr Schönbohm, wie sehen Sie Ihre
parteipolitische Zukunft?

Jörg Schönbohm: Ich bin Landesfürst
in der CDU, gewählt bis 2007, Mitglied des CDU-Präsidium,
gewählt bis 2006 . Bis zu diesen Zeitpunkten werde ich mich
entscheiden, wie lange ich in der Partei noch aktiv tätig bin
– für Brandenburg habe ich angekündigt, dass ich bis 2009
den Landesvorsitz behalten möchte.

Moderator: Zwei Fragen zusammengefasst:

Politicus: Können Sie sich eine Große
Koalition vorstellen, wenn es für "Schwarz-Gelb "
nicht reichen würde?

HorstmannStuttgart: Denken Sie, dass eine mögliche
große Koalition im Bund die politischen Ränder auf beiden
Seiten stärken könnte?

Jörg Schönbohm: Eine große Koalition
auf Bundesebene ist nach meiner Auffassung unter den jetzigen Bedingungen
falsch. CDU/CSU und FDP haben gemeinsam ein hohes Maß an Übereinstimmung,
um die wichtigen Fragen des Wirtschaftaufschwungs, des Schaffens
von Arbeitsplätzen, des Abbaus der horrenden Staatsverschuldung
und der Sicherung der Sozialsysteme.
Darum kämpfen wir um eine Mehrheit für unsere künftige
Koalition. Sollte es für eine schwarz-gelbe Koalition nicht
reichen, dann hat rot-rot-grün die Mehrheit, und ich bin sicher,
dass "scham-rot-grün" dann die Möglichkeit nutzt,
unter Führung eines SPD-Kanzlers die Politik weiter zu gestalten.
Wenn diese Möglichkeit eintritt, werden die Herren Müntefering
und Schröder der Vergangenheit angehören und andere ehrgeizige
"Jungtürken" werden die Führung übernehmen.
Es besteht immer die Gefahr, dass eine große Koalition die
extremistischen Ränder stärkt, von daher gesehen ist dies
auch ein Grund, der gegen die große Koalition spricht.

Moderator: In einem Interview forderte Jörg
Schönbohm jüngst einen "emotionaleren Wahlkampf"
der CDU.

PQ: Glauben sie ernsthaft, dass Emotionen im Wahlkampf
DIE Parteien glaubwürdiger erscheinen lassen oder denken Sie
damit Ihre Politik dem Volk besser verkaufen zu können?

Jörg Schönbohm: Ich halte die Frage
für sehr weitreichend, ich will nur einige wenige Gedanken
dazu äußern: Wir müssen die Bürger davon überzeugen,
dass die Wahlen für sie wichtig sind und es sich für sie
lohnt, wählen zu gehen. Das können sie nur über wichtige
Themen erreichen, wie z.B. das Bekämpfen der Arbeitslosigkeit,
Fehler der Bundesregierung anhand von Zitaten. Wie geht es weiter
mit den Staatsausgaben, machen wir Schulden zu Lasten unserer Kinder
und Kindeskinder, weil wir nicht sparen können, wollen wir
den Beitritt der Türkei zur EU, mit der Folge, dass sich dann
Freizügigkeit ergibt. Wobei wir wissen müssen, dass Berlin
die größte türkische Stadt außerhalb der Türkei
ist. Im Wahlkampf müssen also die Themen angesprochen werden
,die für die Menschen wichtig sind und sie interessieren. Es
darf aber nicht geschehen, dass unsere Mitbürger radikalisiert
werden und sich ablenken lassen von dem kontroversen Diskurs in
unserer Demokratie.

Nachhilfeschüler: "Ehrgeizige Jungtürken
" – wieder ein schönes Fettnäpfchen, Herr Schönbohm

AngMoKio: Jungtürken? Erklären sie sich
bitte.

proletarisiert: Wer bitte ist genau mit Jungtürken
gemeint?

Jörg Schönbohm: Es ist in der deutschen
Politik der Begriff "Jungtürke" eingeführt wurden,
als die SPD ihre Führung in Nordrhein-Westfalen und auf Bundesebene
ausgetauscht hatte und jüngere die Partei übernommen haben.
Der Begriff selber kommt aus der türkischen Geschichte und
beschreibt die Machtübernahme von Kemal Atatürk und seinen
Mitstreitern im Osmanischen Reich.
Seit dieser Zeit wird der Begriff "Jungtürke" in
diesem Zusammenhang häufig verwandt – dies ist kein Fettnäpfchen,
sondern ein Sachverhalt.

Moderator: Zurück zu den Emotionen:

AngMo: Finden sie nicht, dass Emotionen von der
Sache ablenken? Emotionale Entscheidungen waren noch nie die Beste.
Wie sehen sie das?

Jörg Schönbohm: Glücklicherweise
besteht der Mensch aus Ratio und Emotion. Ich selber kenne Menschen
ohne jede Emotionalität, die man dann als gefühllos bezeichnet.
Und dann gibt es den Gegensatz, dass sind jene Menschen, die aus
ihrer Emotionalität heraus handeln und erst später denken.
Beides ist die Ausnahme. Bei politischen Entscheidungen kommt es
darauf an, dass Rationalität und Emotionalität in einem
gewissen Gleichklang sind. Wenn Menschen emotional berührt
sind, dann werden sie auch zur Wahl gehen und sich entscheiden.

eljo: Was meinen Sie bitte mit "Freizügigkeit"
im Falle eines Türkeibeitritts zur EU?

Jörg Schönbohm: Innerhalb der EU haben
wir einen Raum des Rechts und der Freiheit und der Sicherheit. Das
bedeutet, dass sich innerhalb der EU alle Bürger frei niederlassen
können.
Wenn die Türkei der EU mit allen Rechten beitreten sollte,
wird sie nach einem Zeitraum, den ich jetzt nicht definieren kann,
die gleichen Rechte haben wie die anderen Mitgliedstaaten auch,
d.h. jeder Bürger aus der Türkei kann sich in der EU frei
niederlassen.

jf.berlin: Ich habe eine weitere Frage: Wie wird
die Ausländerpolitik der kommenden Bundesregierung aussehen?
Werden straffällige Ausländer endlich schneller abgeschoben?
Ist der Deutschunterricht endlich Pflicht? Was ist mit der doppelten
Staatsangehörigkeit? Und was wollen Sie tun gegen die Verwahrlosung
der jungen "Ausländer "?

Jörg Schönbohm: Der entscheidende Punkt
ist, dass wir zunächst einmal erkennen: In diesem Bereich gibt
es noch erhebliche Probleme. In dem neuen Zuwanderungsgesetz, das
maßgeblich von der CDU gestaltet wurde, können wir die
Zuwanderung begrenzen und die Integrationsleistung verstärken.
Wir müssen jedoch den hier auf Dauer lebenden und noch nicht
integrierten Ausländern mehr Chancen einräumen, sich durch
Angebote und eigene Leistungen stärker zu integrieren. Ein
Beispiel hierzu ist die Entscheidung in Hessen, dass alle Kinder
vor der Einschulung auf ihre deutsche Sprachfähigkeit getestet
werden und sie gegebenenfalls noch Stützkurse bekommen. Wir
müssen erreichen, dass gerade Migrantenkinder durch Sprach-
und Schulkenntnisse eine Chance auf Ausbildung bekommen und so in
Deutschland ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft zu werden.

Politikinteressierter: Und sie glauben, dass die
Zuwanderungsquote von Türken im Falle eines EU-Beitrittes drastisch
steigen würde?

Jörg Schönbohm: Ja, das liegt in der
Natur der Sache. Wir haben ein hohes Wohlstandgefälle zwischen
der Türkei und Deutschland und es leben 2,4 Mio. türkische
Mitbürger. Es ist klar, dass der Zuwanderungsdruck auf Deutschland
viel größer wäre als bei anderen EU-Ländern.

Moderator: Frau Merkel macht erneut gegen die
Türkei mobil, melden Agenturen. Sie wirbt in einem Brief an
konservative Regierungschefs in Europa um ihr Modell einer "privilegierten
Partnerschaft". Der richtige Weg im Wahlkampf?

Jörg Schönbohm: Hier geht es nicht um
Wahlkampf, sondern hier geht es um die zukünftige Entwicklung
unserer Gesellschaft. Ich selbst bin einer großer Freund der
Türkei und habe mit den türkischen Streitkräften
als Soldat sehr eng zusammen gearbeitet. Ich habe mit der Türkei
als Staatssekretär im Verteidigungsministerium viele gemeinsame
Vorhaben voran gebracht und den Türken dabei geholfen als die
Herren Struck, Scharping und andere strikt dagegen waren. Wir wollen
diese Freundschaft mit der Türkei untermauern durch die besondere
Beziehung von Deutschland und der Türkei. Wir glauben aber,
dass die Lasten und Gefährdungen aus einem Türkeibeitritt
die EU in ihrer Weiterentwicklung stark beeinträchtigen können.

Moderator: Kommen wir zu einem Spezialgebiet Schönbohms,
der Bundeswehr:

R.Walter: Wie beurteilen Sie als Ex-Generalstabsoffizier
die Pläne von CDU/CSU, die Bundeswehr auch im Inland einzusetzen?
Mir stellen sich hierbei ernorme verfassungsrechtliche Probleme
und vor dem Hintergrund der jüngeren deutschen Geschichte in
der Nazizeit und der DDR!

Jörg Schönbohm: Ihre Fragestellung ist
berechtigt und wir müssen in Hinblick auf die Gefährdung
darauf eingehen. Nach dem Anschlag vom 11. September 2001 in Amerika
ist eine neue terroristische Gefährdung sichtbar geworden,
deren Auswirkung auf die Sicherheit der Bürger noch gar nicht
im Einzelnen abgeschätzt werden kann. Die Anschläge von
Madrid und London haben gezeigt, dass dieser Terror auch auf Europa
zielt. Darum bin ich dafür, dass alle Fähigkeiten des
Staates genutzt werden, einen solchen Angriff zu verhindern oder
die Schadensfolgen für die Bürger zu minimieren. Hier
kann die Bundeswehr für den Schutz unseres Staatsgebietes gegen
terroristische Organisationen, die völkerrechtlich kein Subjekt
sind erhebliche Abwehrwirkungen erzielen, wie gegen Bedrohungen
aus der Luft und von der See. Hierzu müssen die gesetzlichen
Grundlagen verändert werden. Des weiteren muss im Fall eines
erfolgten terroristischen Angriffs oder zur Vermeidung eines solchen
die Bundeswehr eingesetzt werden können, wie z.B. beim Objektschutz,
zur ABC-Abwehr oder zur sanitätsdienstlichen Unterstützung
Hierfür sollten rechtlich einwandfreie Voraussetzungen geschaffen
werden und dann können wir etwas erreichen was in unser aller
Interesse sein sollte. Staatsbürger in Uniform helfen Staatsbürgern,
die in Not sind. Dies ist keine Militarisierung der Gesellschaft,
sondern ein Nutzen aller Möglichkeiten der staatlichen Mittel
zum Schutz der Bürger.

htronsberg: Wie stehen Sie zu dem Wehrdienst?
Ist das Ihrer Meinung nach noch zeitgemäß?

nOsKiLl: Wie stehen sie zur Abschaffung der Wehrpflicht
bzw. der geplanten Abschaffung der Wehrpflicht?

Jörg Schönbohm: Ich bin ein überzeugter
Anhänger der Wehrpflicht und glaube, dass diese gut begründet
ist, solange die Bundeswehr nicht ausschließlich für
Interventionszwecke eingesetzt wird. Die Wehrpflicht gründet
sich aus dem Gedanken des Heimatschutzes – und in diesem Bereich
hat die Bundeswehr heute und künftig weiter Aufgaben. Deutschland
kann sich auch dadurch verteidigen, dass Krisen außerhalb
Deutschlands bekämpft werden. Aber wenn die Krisen nach Deutschland
kommen und wir erhebliche Schwierigkeiten haben, dann wird die Bundeswehr
hier gebraucht.

R.Walter: Thema Wehrgerechtigkeit und zunehmende
Spezialisierung der Aufgaben der BW: Welche Rolle spielt der Wehrdienstleistende
in der zukünftigen BW?

Jörg Schönbohm: Die Frage der Wehrgerechtigkeit
wird sich in wenigen Jahren durch die abnehmende Geburtenzahl nicht
mehr stellen. Unsere Wehrpflichtigen kommen zum Teil mit beruflichen
Kenntnissen zur Bundeswehr, die sie dort in allen Bereichen vorzüglich
einsetzen können. Sie werden zunächst in einer allgemeinen
Grundausbildung den Umgang mit Waffen lernen, um dann in der Lage
zu sein, Sicherungsaufgaben oder vergleichbare Aufgaben zu übernehmen.
Sie können auch als Helfer im Sanitätsdienst, bei der
ABC-Abwehr oder im technischen Dienst eingesetzt werden.

Maik77: Sind Wehrpflichtige demnach auch in der
sog. Terrorbekämpfung einzusetzen?

Jörg Schönbohm: Nein, es gibt eine klare
Entscheidung des Verteidigungsministers, die ich entschieden unterstütze:
Wehrpflichtige Soldaten sind nicht zu Auslandseinsätzen heranzuziehen,
es sei denn, sie melden sich hierzu freiwillig. Die Soldaten können
jedoch in der BRD beim Katastrophenschutz oder zur Hilfe bei Bürgern
in den verschiedenen Bereichen eingesetzt werden.

Nachhilfeschüler: Herr Schönbohm, könnten
Sie sich als Bundesverteidigungsminister vorstellen?

Jörg Schönbohm: Ich habe eine reichhaltige
Fantasie und kann mir vieles vorstellen. Aber jetzt wollen wir erst
mal die Wahlen gewinnen und Angela Merkel zur Bundeskanzlerin wählen.

Moderator: Eine letzte Frage, die Zeit ist gleich
um:

reinform: Herr Schönbohm. Viele Wähler
misstrauen den Aussagen der Politiker. Können Sie dieses Misstrauen
nachvollziehen? Was ändert sich aus Ihrer Sicht in den Köpfen
der Politiker, um den Konsequenzen dieses Vertrauensverlustes entgegenzuwirken?

Jörg Schönbohm: Es gibt viel enttäuschtes
Vertrauen, weil nach der Wahl anderes gesagt wird. als vorher angekündigt.
Dies war vor der Wahl 2002 besonders stark ausgeprägt, als
der Abbau der Arbeitslosigkeit definitiv versprochen wurde und der
Sicherheit der Sozialsysteme garantiert wurde.
Nach der Wahl hat sich alles geändert und dann stieg die Staatsverschuldung
sehr viel höher und die Agenda 2010 kam auf die Tagesordnung.
Darum haben wir von der Union vor der Wahl gesagt, dass wir die
Mehrwertsteuer anheben um die Lohnnebenkosten zu senken und uns
festgelegt, wie wir die Steuerreform voranbringen und die Familien
unterstützen. Wir haben auch eine unangenehme Wahrheit in das
Wahlprogramm aufgenommen, weil wir um die Gefahr des Vertrauensverlustes
wissen. Wenn sie unser Programm mit dem sog. Wahlmanifest der SPD
vergleichen, können sie den Unterschied feststellen. Bei der
SPD finden sie Versprechungen aber keine Hinweise, wie diese umgesetzt
werden können. Bei uns finden sie Vorschläge, wie wir
die Probleme meistern, aber keine Versprechen.

Moderator: Unsere Zeit ist bereits um. Vielen
Dank an alle User für das große Interesse. Etliche Fragen
sind leider unbeantwortet geblieben. Vielen Dank, Herr Schönbohm,
dass Sie sich Zeit für den Chat genommen haben. Das Transkript
dieses Chats finden Sie auf den Seiten der Veranstalter. Den nächsten
Chat gibt es am Montag, 29. August um 13 Uhr mit Berlins Regierendem
Bürgermeister Klaus Wowereit.

Jörg Schönbohm: Ich bedanke mich für
die zahlreichen, vielfältigen Fragen. Das war ein fairer und
guter Chat – und ob rational oder emotional: Gehen sie zur Wahl.