Moderatorin: Herzlich willkommen im tagesschau-Chat.
Heute ist Konrad Freiberg, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei,
zu uns ins ARD-Hauptstadtstudio gekommen. Das Bundesverfassungsgericht
befasst sich heute erstmals mit der umstrittenen Online-Durchsuchung
von Computern. Wie steht die Polizeigewerkschaft dazu? Mit welchen
Problemen ist Polizei im Arbeitsalltag konfrontiert? Wie groß
ist der Rückhalt in der Bevölkerung? Liebe User, nutzen
Sie die Gelegenheit, um Konrad Freiberg Ihre Fragen zu stellen!
Herr Freiberg, ich begrüße Sie. Können wir beginnen?
Konrad Freiberg: Gerne.
Konrad Freiberg
Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei
Kallehh: Wenn bei den Online-Durchsuchungen die Grundlagen
der Hausdurchsuchung angewendet werden sollen, stellt sich mir die
Frage, warum man Bundestrojaner braucht, welche unbemerkt den Computer
durchsuchen sollen? Bei einer Hausdurchsuchung ist es zwingend,
dass die Polizei einen Zeugen zur Durchsuchung hinzuzieht oder aber
auf jeden Fall dem Wohnungsinhaber so schnell als möglich Kenntnis
über die Durchsuchung gibt. Außerdem wird ein Protokoll
erstellt, welches in der Regel der Wohnungsinhaber unterschreibt.
Wird hier nicht versucht, heimlich und das GG verletzend, den Bürger
einfach nur auszuspähen? Es ist nie die Frage wo es anfängt,
es ist immer die große Frage, wo hört es auf?
Konrad Freiberg: Ich möchte am Anfang gleich zum Thema
Online-Durchsuchung etwas ausführlicher antworten, weil dies
die Menschen bewegt und weil in der Öffentlichkeit die Diskussion
oftmals ein wenig neben der Sache verläuft. Wir haben eine
wirklich gefährliche Situation in Deutschland. Wir müssen
nach wie vor mit Anschlägen durch islamistische Terroristen
bei uns rechnen. Das ist die Grundlage für die Diskussion.
Wir haben bisher in Deutschland in sieben Fällen konkrete Anschläge
durch Glück und gute Arbeit verhindern können. Deswegen
geht es jetzt bei der Online-Durchsuchung, bei dem Gesetzentwurf,
der zum BKA-Gesetz vorliegt, um eine technische Möglichkeit,
derartige Anschläge zu verhindern. Wir stellen zunehmend fest
– und werden es in Zukunft noch mehr feststellen können – dass
auch islamistische Terroristen den Computer, das Internet für
ihre Anschlagsvorbereitungen und ihre Kommunikation benutzen.
Deswegen darf das Internet auch kein Raum sein, wo die Polizei mit
all ihren Möglichkeiten der Überwachung – natürlich
nach richterlichem Beschluss – ins Leere läuft. Das wäre
verantwortungslos.
Und bei der so genannten Online-Durchsuchung geht es darum, dass
die Informationen, die wir heute schon erlangen können – natürlich
soweit die Voraussetzungen vorliegen – in verdeckter Form erlangt
werden können. Auch heute können wir – wenn ein konkreter
Verdacht vorliegt – in Wohnungen hineingehen – mit richterlichem
Beschluss – sie durchsuchen und alle Sachen, die zur Terrorabwehr
erforderlich sind, beschlagnahmen. Das heißt, wir können
den Computer, die gesamte Festplatte (auf der sich auch alles Private
befindet) mitnehmen. Das heißt: Es ist nichts neues, was ein
Eindringen in die Privatsphäre bedeutet.
Das Neue, das in diesem Gesetzentwurf enthalten ist, ist, dass dieses
zukünftig auch verdeckt geschehen kann. Das heißt, dass
derjenige, den es betrifft, davon erst später zu einem anderen
Zeitpunkt erfährt. Das kann durchaus taktisch sinnvoll sein
um zum Beispiel nicht andere Mittäter zu warnen. Und jetzt
gilt es, die Einschränkungen, die das Bundesverfassungsgericht
in vielen Fällen gemacht hat, auch hierauf zu übertragen.
Das heißt: Schutz der Persönlichkeitssphäre. Deswegen
sollten wir das Verfassungsgerichtsurteil im März nächsten
Jahres abwarten, um zu sehen, wie das Bundesverfassungsgericht die
Möglichkeiten zulässt bzw. begrenzt.
Moderatorin: Eine erste Nachfrage:
haibaer: Herr Freiberg, die Polizei kann heimlich in Wohnungen
einbrechen?
Konrad Freiberg: Die Polizei kann heimlich in Wohnungen
einbrechen. Die Polizei hat in vielen Fällen Durchsuchungsbeschlüsse
und dann gibt es gewisse Formvorschriften: Nämlich, dass der
Betroffene bzw. ein Dritter anwesend ist bzw. wenn keine Person
greifbar ist, geht die Polizei alleine rein. Die Polizei geht auch
in anderen Fällen (zum Beispiel Fällen der Schwerkriminalität)
in besonderer Form vor (zum Beispiel verdeckte Ermittler) oder zum
Beispiel mittels besonderer Technik. Alles wird rechtsstaatlich
genehmigt, so dass polizeiliches Handeln hinterher immer kontrollierbar
ist.
bluegrass: Sehr geehrter Herr Freiberg, im Gesetzesentwurf
wird aber davon gesprochen, dass die Online-Durchsuchung auch ohne
eine Genehmigung eines Richters erfolgen kann.
Konrad Freiberg: Zu diesem Gesetzesentwurf – das
ist ja erst ein Entwurf von Herrn Schäuble, es ist noch kein
Regierungsentwurf – sind wir der Meinung, das dieses nicht sein
kann. Und ich denke, dass das Bundesverfassungsgericht deutlich
machen wird, dass vom ersten Tag an ein richterlicher Beschluss
vorliegen muss.
horst: Wer wird entscheiden, wann eine Online-Durchsuchung
vorgenommen werden darf?
Konrad Freiberg: Wenn eine derartige Regelung
kommt, wird natürlich die zuständige Dienststelle – in
diesem Falle das BKA, der Staatsschutz – einen Antrag stellen –
mit Genehmigung des Präsidenten der BKA – und dann muss es
über die Staatsanwaltschaft an das Gericht gehen.
strigga: Wird der Überwachte – auch bei Nichterfolg
– immer davon informiert werden, dass er untersucht wurde? Wenn
ja: Wer garantiert das?
Konrad Freiberg: Wir müssen die Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichtes abwarten. In der Regel glaube ich,
wird ein Gesetz kommen, dass derjenige, der betroffen ist, auch
ein Recht auf Benachrichtigung hat. Davon gehe ich aus, dass dieses
so sein wird.
Flozzy: Ist die Online-Durchsuchung mit dem Vorwand
der Terrorabwehr nicht nur der erste Schritt, die Bevölkerung
dafür zu desensibilisieren, um später auch aus diversen
anderen Gründen Computer auszuspähen?
Konrad Freiberg: Ich habe volles Verständnis
für die Ängste, die in der Öffentlichkeit bestehen.
Diese sind zum Teil durch eine ungeschickte Vorgehensweise von Herrn
Schäuble entstanden. Deswegen gilt es, Akzeptanz zu schaffen
für polizeiliche Maßnahmen. Ohne Akzeptanz kann Polizei
nicht erfolgreich sein. Deswegen muss man deutlich machen, weshalb
man etwas will, zum Beispiel eine Online-Durchsuchung. Dann muss
man deutlich machen, welche Kontrolle es gibt und in welchen Fällen
dies geschehen kann. Aber wir leben in einem Rechtsstaat und die
Bürger werden immer entscheiden, welche Maßnahmen der
Staat ergreifen darf, wie der Staat kontrolliert wird und natürlich,
welche Rechte die Polizei hat.
ActionListener: Das Innenministerium behauptet,
eine stark eingegrenzte Suche auf dem Zielrechner im Rahmen der
Online-Durchsuchung sicherstellen zu können, um damit die Privatsphäre
und den Kernbereich privater Lebensgestaltung zu schützen.
Wie sollen die Fahnder im Vorfeld zwischen unantastbaren Inhalten
und potenziell kriminellen Inhalten unterscheiden, ohne eine eingehende
Prüfung dieser Inhalte?
Konrad Freiberg: Wir haben heute ja viele Fälle,
in denen wir bei Schwerkriminalität Wohnungen durchsuchen (mit
Festplatte) und sicherstellen. Zu Tausenden! Wo auch Privates enthalten
ist. Wir gucken dann immer nur nach dem, was mit diesem Fall zu
tun hat. Wenn dieses zukünftig mit einer Software geschehen
soll, dann gibt es einerseits die Möglichkeit mit Strukturabfragen,
dass die Software nur Daten erfasst, die mit dem Fall zu tun haben.
Aber wenn die Software auch Privates erfasst, bekommt der Richter
dieses dann auf den Schreibtisch und kann beurteilen, welche Erkenntnisse
die Polizei erlangt hat und zu welchem Zweck.
invisible: Wie soll eine solche Strukturabfrage
funktionieren?
Konrad Freiberg: Dafür gibt es Programmierer,
die dieses machen. Natürlich wird das nicht in allen Fällen
funktionieren und deswegen kann man auch nicht in allen gedachten
Fällen eine derartige Software überhaupt entwickeln. Das
bleibt abzuwarten.
watchman: Ich finde es toll, dass Sie sagen, wir
müssen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes abwarten.
Aber warum wird dann auf Eile gesetzt?
Konrad Freiberg: Auf Eile setzt Bundesinnenminister
Schäuble. Das ist Parteipolitik – das muss man deutlich sagen.
Ich bin der Auffassung, dass auch die Hochachtung vor dem Bundesverfassungsgericht
es notwendig macht, auf diese Rechtsprechung zu warten. Ich glaube,
es wäre fatal, wenn ein Rechtsstaat Regelungen macht und das
Bundesverfassungsgericht diese Regelungen dann – zum wiederholten
Male – als ungültig erklärt.
strigga: Wie stellen Sie sich das denn in der Durchführung
vor? Jeder, der technisch einigermaßen versiert ist, wird
das Eindringen des „Bundestrojaners“ verhindern können.
Das ist keine Raketenwissenschaft…
Konrad Freiberg: Natürlich kann man nicht
alle technischen Möglichkeiten jedermann erläutern. Aber
diese Art von Online-Durchsuchung wird in vielen Ländern Europas
gemacht, bei der Polizei, die Nachrichtendienste machen das und
bei uns hat es das Bundesamt für Verfassungsschutz auch bereits
gemacht. Es funktioniert, aber natürlich nicht in allen Fällen
ohne Zweifel.
Gabriel: Werden denn die erfassten Daten, die sie
als Beispiel bei einer Hausdurchsuchung von mir erfasst haben, weiterhin
gespeichert? Nachdem sie dem Richter vorgelegt wurden und zum Beispiel
als nicht relevant erachtet wurden.
Konrad Freiberg: Es gibt ja den Grundsatz im Strafprozessrecht,
wenn ich Beweise sammle und der Verdacht bestätigt sich nicht,
dann werden alle diese Erkenntnisse gelöscht, ein für
allemal. Von dorther braucht da keiner Angst haben, weil auch der
Richter in all diesen Fällen der Entscheider ist – der Einzige
ist, der den gesamten Sachverhalt auf dem Schreibtisch hat. Und
er entscheidet dann, ob dieser Sachverhalt zutrifft oder nicht.
Flozzy: Was passiert, angenommen das Fachwissen
reicht aus, wenn ich mich mit einer Firewall gegen „Polizeihacker“
zur Wehr setze? ist das eine Straftat / Widerstand gegen Ermittlung…?
Konrad Freiberg: Nein, natürlich nicht.
Eagleeye: Wie sieht es mit der Gerichtsverwertbarkeit
solcher Erkenntnisse aus?
Konrad Freiberg: Die geplante Regelung – die bisher
vorliegt – beinhaltet ja eine richterliche Genehmigung. Von dorther
muss das Gericht entscheiden, was mit den Erkenntnissen geschieht.
Wenn eine Straftat vorliegt, entscheidet das Gericht, was verwertet
wird. Wenn keine Straftat vorliegt, dann werde diese Erkenntnisse
dort nicht mehr berücksichtigt und gelöscht.
bluegrass: Wenn ein Bundestrojaner auf meinen Rechner
gelangen kann, könnte es auch andere Schadsoftware. Wie wollen
sie sicherstellen, dass die gesammelten Daten auch wirklich von
dem Nutzer dort abgelegt wurden?
Konrad Freiberg: Ich darf nochmal darauf hinweisen,
das wird ja bereits in Europa vielfach angewendet. Und es wurde
auch bei uns angewendet. Nach dem, was uns Experten bestätigt
haben, hinterlässt diese Software keine Spuren, beschädigt
nichts und löst sich hinterher selbst auf.
Torsten: Die Polizei hat in den letzten Jahren
ständig neue Kompetenzen bekommen – besonders im Bereich der
Telekommunikation und des Internets. Sollte die Polizei nicht erst
lernen, mit diesen neuen Fahndungsinstrumenten umzugehen?
Konrad Freiberg: Wir können mit diesen Fahndungsinstrumenten
umgehen. Ich darf darauf hinweisen, dass die Polizei auch erfolgreich
ist. Wir haben mittlerweile 230 Ermittlungsverfahrungen hinsichtlich
islamistischer Terrorismusgefahren. Wir haben auch sieben konkrete
Anschläge verhindern können. Wir sind also durchaus erfolgreich.
Wokkocher: In welchen Ländern Europas wird
dies denn konkret gehandhabt? Ich kann mir als Laie zum Beispiel
nur England vorstellen.
Konrad Freiberg: Nein. Es gibt eine Reihe von Ländern,
die haben konkrete Regelungen im Gesetz. Manche Länder handhaben
dies auf einer anderen Rechtsgrundlage, wie wir das eine Zeit lang
auch gemacht haben, bevor der BGH sagte, dass dieses nicht ausreichend
ist: Nämlich auf der Grundlage der Durchsuchungen. Wir haben
Länder wie Frankreich, Slowenien – und in anderen Ländern
ist es in Vorbereitung: Schweiz, Schweden…
Moderatorin: Eine Nachfrage:
PSyc: Soll das ganze nicht präventiv eingesetzt
werden? Wieso also eine Tat beweisen?
Konrad Freiberg: Wenn wir von einer Regelung ausgehen,
die zur Gefahrenabwehr da ist – und zwar, wenn es darum geht einen
Anschlag zu verhindern – wird dieses ja immer auch zu einem Tatverdacht
führen. Wenn wir dadurch Anschläge verhindern können
und es würde kein Tatvorhand kommen, löst sich ja alles
als nicht-vorhanden auf. Deswegen würde ich sagen, muss neben
dem Auffinden auch bewiesen werden, dass derjenige Daten/Informationen
angefordert hat und mit diesen Informationen eine Tat ausführen
wollte.
gh47kk: Wie will man Schwerstkriminelle mit Online-Durchsuchungen
zu fassen kriegen, wenn diese über fundierte EDV-Kenntnisse
verfügen und sich damit der Überwachung im Prinzip entziehen
können? Kleinkriminelle, ich denke hierbei zum Beispiel an
die Unsitte der illegalen Musikdownloads (meist durch Jugendliche),
wird man auch auf jeden Fall damit zur Strecke bringen können.
Sind solche „Erfolge“ in der Kriminalitätsbekämpfung
eine Aufweichung unseres verbrieften Rechts auf Privatsphäre
wert?
Konrad Freiberg: Wir reden im konkreten Fall von
der Gefahrenabwehr von Terroranschlägen, beziehungsweise von
Tätern aus dem Bereich des islamistischen Terrorismus. Es ist
für mich auch bei aller Fantasie nicht vorstellbar und auch
nicht handhabbar, dass die Online-Durchsuchung bei Delikten wie
Online-Piraterie eingesetzt wird. Von daher braucht hier keiner
Angst haben. Das will keiner, das macht keiner und es ist nicht
handhabbar. Die Vorbereitungen für eine Online-Durchsuchung
sind so langwierig, so umfangreich, dass dieses kaum vorstellbar
ist.
MannNBG: Anfangs wurde die Notwendigkeit der Online-Durchsuchung
mit der Terrorgefahr begründet, jetzt wird auch Kinderpornographie
genannt. Welche weiteren Kriterien sind geplant? (Stichwort: Aufhebung
des Bankgeheimnis)
Konrad Freiberg: Das ist das Verwirrende an der
aktuellen Diskussion. Jeder redet von etwas anderem und Ängste
werden von vielen Seiten auch „verantwortungsloserweise wirklich
geschürt. Wir reden aktuell nach dem Gesetzentwurf von Herrn
Schäuble lediglich von einer Online-Durchsuchung im Zusammenhang
mit der Gefahrenabwehr von Terroranschlägen. Wiederum reden
manche Politiker davon, diese auch in anderen Fällen der Schwerkriminalität
einzusetzen. Deswegen muss man hier auch immer sagen, worüber
wir hier in dieser Diskussion reden. Ich gehe jetzt davon aus, dass
wir hier nur in der Terrorabwehr eine Regelung vorliegen haben,
über die zu reden es sich lohnt. Natürlich gibt es auch
Politiker, die die Online-Durchsuchung auf andere Kriminalitätsbereiche
ausdehnen wollen. Das führt zwangsläufig zu Verwirrungen.
Und es werden unnötig Ängste geschürt.
blazer: Wie wird mit dem Bank- und Steuergeheimnis
umgegangen, wenn ein Computer (mit TANs und Buchhaltungssoftware)
durchsucht wird?
Konrad Freiberg: Wir können nur die geplante
Regelung zur Terrorabwehr zugrunde legen. Danach könnte die
Polizei nur Erkenntnisse, die auf einen Terroranschlag hinweisen,
verwenden. Alles andere nicht. Das bedeutet, die Unterlagen über
Steuern oder Kontounterlagen wären für die Polizei dann
nicht interessant, außer es gibt einen unmittelbaren Bezug
zum Terror.
Moderatorin: Weg von den Online-Durchsuchungen
hin zum Terror:
csrss.exe: Es gibt Dinge, über die darf man
nicht diskutieren, die muss man einfach machen. Wie kann es angesichts
der täglich steigenden Bedrohungslage sein, dass andere Länder
wie Großbritannien uns gegenüber einen Sicherheitsvorsprung
haben, während bei uns noch diskutiert wird? Sind unsere Gesetzgeber
nicht entschlossen genug?
Konrad Freiberg: Im Grundsatz muss man deutlich
herausstellen, dass wir durchaus erfolgreich sind und das die Gesetze
für die tägliche Arbeit vorhanden sind. Im Wesentlichen
haben wir Vollzugsdefizite, das heißt, es wurde zu viel Polizei
eingespart und uns fehlen die Leute zur Kriminalitätsbekämpfung
bzw. zur Terrorabwehr.
Freiheit statt Angst: Herr Freiberg, wie schätzen
Sie das Vorgehen der kanadischen Regierung ein? Dort wurden vor
kurzem alle „Terrorgesetze" wieder abgeschafft, weil
man die Freiheit der Bürger nicht weiter gefährden wollte.
Konrad Freiberg: Ich kenne jetzt die Situation
in Kanada nicht. Ich bin aber sicher, dass alle Länder der
westlichen Welt sich vor Terroranschlägen schützen müssen.
Und meines Wissens machen das alle auf ihre Art, mit ihrer Kultur,
mit ihren rechtsstaatlichen Grundsätzen. Ich kenne keinen Staat,
der nichts unternimmt, um sich vor Terror zu schützen.
Flozzy: Was halten Sie von Bundeswehreinsätzen
innerhalb der BRD?
Konrad Freiberg: Wir haben ein Grundgesetz, das
im Rahmen des Artikels 35 alle staatlichen Stellen zur gegenseitigen
Amtshilfe verpflichtet. Das geschieht auch bei besonderen Ereignissen,
bei vielen Katastrophen unterstützt uns die Bundeswehr. Das
ist auch gut so, das funktioniert auch. Was wir vehement ablehnen
und wovor wir auch nur warnen können, ist die Bundeswehr mit
polizeilichen Befugnissen zu befassen. Die Bundeswehr hat genug
zu tun, ganz ausdrücklich: Hat schwere schwere Aufgaben vor
sich. Die Polizei hat für die innere Sicherheit in Deutschland
zu sorgen und von daher haben wir eine sinnvolle Aufgabenteilung,
die den Menschen dient.
Rat Geber: Sie fordern, dass wir in Deutschland
nicht neue Gesetze, sondern mehr Polizisten brauchen. Ist das wirklich
so, oder benötigen wir vielleicht auch nur eine neue Sicherheitsarchitektur
in Deutschland? Durch Neuausrichtung der Aufgaben von Länder-
und Bundespolizei sowie des Zoll könnte man doch sicherlich
Personalressourcen freisetzen und effektiver zum Einsatz bringen.
Sollte man nicht auch darüber reden, einer Behörde wie
zum Beispiel der Bundespolizei (ehemals Bundesgrenzschutz) neue
Aufgaben zu geben, damit sie die Länderpolizeien mehr entlasten
kann? Oder wäre es eventuell gar besser zu prüfen, ob
die Zeit eine solche Behörde nicht überholt hat, das dringend
benötigte Personal den Polizeien der Länder anzubieten?
Konrad Freiberg: Wir haben im Grundsatz eine gute
Sicherheitsarchitektur in der Aufteilung zwischen Bund und Ländern
und zwischen Polizei und Nachrichtendiensten. Natürlich kann
auch alles verbessert werden, ohne Zweifel, aber ich glaube diese
Sicherheitsarchitektur hat sich schon in den letzten Jahren verbessert.
Unter anderem auch durch die Schaffung des gemeinsamen Terrorabwehrzentrums
in Berlin und der so genannten Anti-Terrordatei. Die Bundespolizei
aufzulösen, halte ich nicht für sachgerecht. Die Bundespolizei
ist eine hervorragende Polizei, die sich bewährt hat – auch
in ihrer Aufgabenstellung.
fallobst: Wäre es nicht sinnvoller, das Geld,
welches für die geplante Online-Durchsuchung und ähnliche
Aktivitäten eingeplant ist, für eine Aufstockung des Personals
und eine Entlastung der Polizisten zu verwenden?
Konrad Freiberg: Diese Idee ist faszinierend und
könnte mich fast begeistern, aber man darf dabei nicht vergessen:
Es gibt wirklich ernsthafte Gefahren für die Zukunft. Deswegen
werden wir auch verstärkt darüber nachdenken müssen,
wie wir zukünftig mit der Überwachung der Telekommunikation
und des E-Mailverkehrs und mit dem Internet umgehen wollen. Die
Welt verändert sich, die Kommunikationswege verändern
sich und deswegen muss die Polizei sich damit beschäftigen,
wie man nach wie vor die Menschen auch auf diesem Wege vor Terroranschlägen
schützen kann.
sailor: Warum wird das Projekt Bundesfinanzpolizei
von der gegenwärtigen politischen Führung, insbesondere
dem Bundesfinanzminister, so heftig torpediert, obwohl doch an der
effektiven Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität, organisierter
Kriminalität und Terrorismus ein parteienübergreifender
Konsens herrschen sollte?
Konrad Freiberg: Es wäre wirklich erfreulich,
wenn aus den vorhandenen Vollzugsbereichen des Zolls eine Bundesfinanzpolizei
geschaffen würde. Das wäre ein wichtiger Schritt zur verbesserten
Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität in allen Bereichen.
Leider ist die Politik noch nicht so weit, insbesondere die handelnden
Personen in der Behördenleitung des Bundesfinanzministeriums.
Aber wir werden weiter daran arbeiten.
urlauber: Wie wird die Effektivität der geplanten
Maßnahmen überprüft und wer macht das?
Konrad Freiberg: Wir haben beim Bundeskriminalamt
eine Rechtstatensammlung. Dort werden bestimmte polizeiliche Maßnahmen
auf Effektivität untersucht. Und dann gibt es auch unabhängige
Institute – wie zum Beispiel in der Vergangenheit das Max-Planck-Institut
– das die Erfolge polizeilicher Maßnahmen begutachtet und
die Effektivität bewertet.
Ihr Benutzername: Stichwort „biometrische
Ausweise": Warum soll ich als unbescholtener Bürger bald
wie ein Schwerverbrecher erkennungsdienstlich behandelt werden?
Was sind die Konsequenzen, wenn ich aus Gewissensgründen niemals
einen neuen Ausweis beantrage?
Konrad Freiberg: Es geht in keinem Falle um erkennungsdienstliche
Behandlung von Bürgern. Die biometrischen Merkmale, sei es
das digitalisierte Lichtbild oder die geplanten Fingerabdrücke,
sollen die Identität zwischen dem Ausweisinhaber und der Person,
die diesen Ausweis vorzeigt, insbesondere auch bei Grenzübergängen,
deutlich machen. Dafür dient die Biometrie. Es braucht keiner
Angst haben, es erfolgt keine Speicherung, es gibt keine bundesweite
Fingerabdruckdatenbank. All dies gibt es nicht und von dort her
glaube ich, dass es keinen Grund gibt, sich dagegen zu verweigern.
bluegrass: Vorradsdatenspeicherung, Auflösung
des Bankgeheimnisses, die Nutzung der Mautdaten (Quelle: Merkel
im Podcast vom 11.11.2006), biometrische Sicherheitsmechanismen
in Reisepässen und Ausweisen, Online-Durchsuchung, Diskussion
über Bundeswehreinsätze in der BRD. Wundern sie sich nicht,
dass dieses Gesamtpaket einige Leute verunsichert?
Konrad Freiberg: Nein, ich wundere mich nicht.
Ich habe Verständnis für Menschen bei diesen Szenarien,
die oftmals in unverantwortlicher Weise durch die Politik aufgezeichnet
werden. Die vornehmste Aufgabe der Politik ist es, die Menschen
über die Notwendigkeit von Gesetzesänderungen zu überzeugen,
also im Dialog mit Bürgern für Gesetze zu werben, also
nicht verunsichernd tätig zu sein. Erst wenn der Bürger
überzeugt ist, dann sollten wir Gesetzesänderungen machen.
Dieser Prozess des Dialoges muss bei uns intensiver gepflegt werden.
Moderatorin: Ein Kommentar:
Freiheit_statt_Bundestrojaner: Herr Freiberg, die biometrischen
Ausweise können per Funk von jedermann ausgelesen werden. Die
Sicherheitshürde ist dort sehr gering. Es gibt also sehr wohl
Gründe, sich dagegen zu wehren. Dies wollte ich einmal richtigstellen.
Konrad Freiberg: Die biometrischen Ausweise können
nicht aus der Entfernung gelesen werden. Da muss keiner Angst haben.
Das sagen alle Experten, die mit dieser Materie beschafft sind.
Ansonsten verstehe ich natürlich alle Ängste, aber es
gibt dafür wirklich keinen Anlass. Man braucht dafür ein
Lesegerät und man braucht dafür auch eine Codenummer.
Taschner: Wie weit sind wir mit Schäubles
Abschussplänen noch entfernt von den kriminellen Methoden,
wie sie etwa ein Herr Daschner (ehemaliger Frankfurter Poliezivizepräsident
im Fall des entführten und ermordeten Jakob von Metzler, Anm.
der Redaktion), der auch das Folterverbot nicht mehr zu respektieren
wusste? Wie kann man hier weiteren Dammbrüchen in Sachen Rechtsstaatlichkeit
vorbeugen?
Konrad Freiberg: Vernünftig wählen. Es
ist so, dass natürlich Herr Schäuble mit seinen Äußerungen
für Verunsicherung gesorgt hat. Beim Flugzeugabschuss (wie
Herr Jung das propagiert hat und Herr Schäuble) muss man deutlich
sagen: Das Bundesverfassungsgericht hat in einer klaren Entscheidung
gesagt, es ist nicht zulässig, ein Flugzeug mit unschuldigen
Menschen abzuschießen. Damit hat sich diese Diskussion erledigt.
Es gibt dafür keine Rechtsgrundlage. Ob einem das gefällt
oder nicht, das Bundesverfassungsgericht hat dieses so gesagt.
hans a.: Es stellt sich für mich auch eine
grundsätzliche Frage: Wie kann (nach Heiligendamm) sichergestellt
werden, dass die Polizei hier nicht nur als verlängerter Arm
der gerade amtierenden Regierung agiert?
Konrad Freiberg: Die Polizei handelt nach Recht
und Gesetz. Das beinhaltet auch, dass der Polizeibeamte – auch wenn
er in politischen Dingen anderer Auffassung ist – sich an seinen
Auftrag, an das Gesetz zu halten hat. Das ist häufig sehr schwierig,
insbesondere wenn ich daran denke, dass man als Polizist häufig
auch das Demonstrationsrecht von Rechtsextremen schützen muss.
Und wir hatten beim G8-Gipfel den Auftrag einerseits für Sicherheit
zu sorgen, für die Durchführung des G8-Gipfels, und andererseits
das Demonstrationsrecht zu sichern. Auch in Anbetracht von zu erwartenden
Gewaltmaßnahmen. Von dorther eine schwierige Aufgabe für
die Polizei. Auch hier gilt es im Nachhinein zu bewerten, was ist
gut gelaufen und was ist verbesserungsfähig.
Moderatorin: Hier kommt Zuspruch:
Braunschweiger: Also ich verstehe nicht, wie manche
Leute sich aufregen! Datenschutz heißt heutzutage noch viel
zu oft Täterschutz! An die Opfer wird nicht gedacht! Ich möchte
Herrn Freiberg und allen Polizisten hier mal den Rücken stärken!
Und davon mal ganz ab, ich denke mal, dass Polizisten wirklich besseres
zu tun haben, als aus Langeweile die PCs von unbescholtenen Bürgern
zu durchsuchen!
Konrad Freiberg: Zuspruch tut gut. Und ich glaube,
die Polizei beweist im Alltag, beim täglichen Handeln, dass
sie das Vertrauen der Menschen verdient hat. Und wir haben bei Tausenden
Einsätzen jeden Tag in Konfliktsituationen unter Beweis zu
stellen, dass wir unser Geld für die Bürger auch wert
sind.
Moderatorin: Haben Sie denn genug davon –
vom Geld?
Konrad Freiberg: Nein, man muss deutlich sagen,
dass die Aufgaben für die Polizei ständig zunehmen und
vor allen Dingen auch die Arbeit komplexer wird. Wir haben Formen
der Wirtschaftskriminalität, die drastisch zunehmen. Wir haben
Kriminalitätsbereiche im Internet, wir haben Kinderpornografie,
Rechtsextremismuszunahmen und natürlich als besondere Herausforderung
den islamistischen Terrorismus. Von dorther benötigen wir selbstverständlich
mehr Geld für Modernisierung, für mehr Personal. Wir haben
bei der Polizei zehntausend Polizisten/Mitarbeiter weniger als vor
zehn Jahren zum Beispiel.
Moderatorin: Da schließt sich die Frage
an: Was nützen höhere Bußgelder, wenn die Polizei
nicht genügend Beamte hat, um den Verkehr zu kontrollieren?
Konrad Freiberg: Das ist eine sehr richtige Anmerkung.
Entscheidend ist nicht die Höhe eines Bußgeldes, entscheidend
ist das Entdeckungsrisiko, das heißt, die Polizei braucht
das Personal um hier einen Kontrolldruck durchzuführen.
Plasier: Wie empfinden Sie zum heutigen Zeitpunkt
die der Polizei zu Verfügung stehenden Methoden der Verbrechensbekämpfung?
Denken Sie, dass es einigen Nachbesserungen bedarf? Muss die Bevölkerung
neues Vertrauen in „die Polizei“ gewinnen?
Konrad Freiberg: Das Vertrauen in die Polizei
ist ein täglicher Vorgang, der immer wieder von uns ernst genommen
wird, weil dies die Grundlage für unsere Arbeit ist. Und natürlich
müssen wir uns in allen Bereichen, auch im technischen Bereich,
fortentwickeln. Wenn es Veränderungen im Kommunikationsbereich
der Menschen gibt, müssen wir auch die Überwachung der
Kommunikation verändern. Da werden wir in der Zukunft vor ungeheuren
Aufgaben stehen, was beispielsweise auch die Kryptografie von Kommunikation
betrifft. Darauf müssen wir uns einstellen und da zu gemeinsamen
Lösungen kommen, damit die Polizei im Interesse des Bürgers
erfolgreich sein kann.
Moderatorin: Eine Stunde tagesschau-Chat sind vorbei.
Dankeschön an unsere User für die vielen Fragen, die wir
leider nicht alle stellen konnten. Herr Freiberg, möchten Sie
noch ein Schlusswort an die User richten?
Konrad Freiberg: Also ich habe wirklich volles
Verständnis für Verunsicherungen und der Ängste der
Menschen angesichts der Möglichkeiten der heutigen Technik.
Aber jeder kann sicher sein, dass unsere Polizei demokratisch strukturiert
ist, dass Kontrollen vorhanden sind und dass die Polizei in einem
Rechtsstaat durch Gerichte kontrolliert wird.
Moderatorin: Vielen Dank für Ihr Interesse
und vielen Dank an Herrn Freiberg. Das Protokoll des Chats ist in
Kürze zum Nachlesen auf den Seiten von tagesschau.de und politik-digital.de
zu finden. Das tagesschau-Chat-Team wünscht noch einen schönen
Tag!