Wolfgang Schäuble, stellv.
Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, war am 8. September
zu Gast im tacheles.02 Live-Chat von tageschau.de und politik-digital.de.
Im Mittelpunkt standen Fragen zur Außen-, Europa- und
Energiepolitik. Daneben wurde auch ausführlich über den
Wahlkampf sowie die Steuer- und Familienpolitik der Union diskutiert.

Moderator: Liebe
Politik-Interessierte, herzlich Willkommen im tacheles.02-Chat.
Unsere Chat-Reihe ist ein Format von tagesschau.de und politik-digital.de
und wird unterstützt von tagesspiegel.de. Heute chatten wir
mit dem stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Schäuble,
den Angela Merkel als Außenexperte in ihr Kompetenzteam berufen
hat. Herr Schäuble chattet in den Räumen der Mittelbadischen
Presse in Offenburg. Vielen Dank an die Kollegen von der Zeitung,
dass Sie das möglich gemacht haben! Herzlich willkommen Herr
Schäuble, können wir beginnen?

Wolfgang Schäuble: Na klar!

pollux: Herr Schäuble, sind Sie beunruhigt
über die steigenden Umfragewerte für die SPD in den letzten
Tagen? Vielleicht reicht es am 18. September doch "nur"
für eine große Koalition?

Wolfgang Schäuble: Die Umfragen
interessieren mich nicht mehr sehr. Entscheidend sind die Stimmen
am 18. September und das bleibt bis zur letzten Sekunde knapp.

JochenH.: Nach den jüngsten Umfragen kann
eine große Koalition nicht mehr ausgeschlossen werden. Welche
Reformperspektiven sehen Sie mit der SPD? Kann dann beispielsweise
die Erhöhung der Mehrwertsteuer durchgesetzt werden?

Wolfgang Schäuble: Ich bin
kein Anhänger der großen Koalition. Demokratie heißt
Wettbewerb und große Koalition ist eher Kartell. Im Übrigen
ist die SPD im Moment ja nicht einmal bereit, die zögerlichen
Reformen Schröders zu unterstützen. Was sollte also in
einer großen Koalition besser werden?

HolgerJ.: Herr Schäuble, glauben Sie, dass
die SPD eine große Koalition aushalten würde, ohne sich
in die Schröder-SPD und die neue Linkspartei zu zerreißen?

Wolfgang Schäuble: Nein.
Deswegen vermute ich, dass spätestens nach einem Jahr die SPD
doch eine Koalition mit der Linkspartei bilden würde.

Helga Maria Schneider: Herr Schäuble, wann
hören die Grabenkämpfe innerhalb der Union endlich auf?

Wolfgang Schäuble: Ich finde,
dass es im Moment keine Grabenkämpfe gibt. Man muss immer bedenken,
dass in einer großen Volkspartei viele Individuen sind, von
denen jedes einen Rest eigener Meinung bewahrt.

dirk01: Herr Schäuble, wie beschreiben Sie
Ihr Verhältnis zu Angela Merkel? Sie waren ja nicht immer gleicher
Meinung. Passt zwischen Sie beide ein Blatt Papier?

Wolfgang Schäuble: Wir arbeiten
vertrauensvoll zusammen für das gleiche Ziel: eine bessere
Politik für Deutschland.

Moderator: Kann man daraus schließen,
dass es eine bessere Zusammenarbeit gibt als früher?

Wolfgang Schäuble: Unsere
Zusammenarbeit war immer gut. Schließlich habe ich sie als
Generalsekretärin ausgewählt und dafür geworben,
dass sie meine Nachfolgerin als Parteivorsitzende wurde. Im Übrigen,
was würden wohl ihr Mann und meine Frau dazu sagen, wenn kein
Blatt Papier zwischen uns wäre?

Simonslimy: Herr Dr. Schäuble, nicht wenige
werfen Kanzlerkandidatin Angela Merkel eine mangelnde Repräsentationsfähigkeit
für Deutschland im Ausland vor. Wie stehen Sie zu diesem Vorwurf?

Wolfgang Schäuble: Den halte
ich für völlig unbegründet. Sie wird unser Land nach
innen gut führen und nach außen gut vertreten.

StevenRCDS: Wie wird sich Herr Stoiber nach einem
Wahlsieg verhalten? Was meinen Sie, wird Herr Stoiber in das Bundeskabinett
gehen?

Wolfgang Schäuble: Nach
seiner eigenen Aussage hat er sich noch nicht entschieden. Also
kann ich es auch nicht wissen.

rene.kusch@web.de: Was schätzen Sie an der
Außenpolitik von Herrn Fischer und was würden Sie genau
so auch machen?

Wolfgang Schäuble: In den
Iran-Verhandlungen und im Israel-Palästina-Konflikt waren wir
immer derselben Meinung. Ansonsten kritisiere ich vor allem, dass
er in den letzten Jahren keinen großen Einfluss mehr auf die
Außenpolitik des Kanzlers ausübte, der zu einer tiefen
Spaltung Europas, zu einer Beschädigung der transatlantischen
Beziehungen und zu einer Reform der Vereinten Nationen sehr schlechte
Beiträge geleistet hat.

Podolski: Nicht wenige Experten, darunter durchaus
auch konservative Wissenschaftler, sprechen sich aus geopolitischen
bzw. -strategischen Gründen für den Beitritt der Türkei
zur EU aus. Diese Gründe seien wichtiger als beispielsweise
die entgegenstehenden ökonomischen Bedenken. Was halten Sie
von dieser Ansicht?

Wolfgang Schäuble: Die geopolitischen
und -strategischen Argumente teile ich. Aber sie sind auch ohne
einen vollen Beitritt zur Europäischen Union zu verwirklichen.
Die Europäische Union ihrerseits würde meines Erachtens
durch eine Mitgliedschaft der Türkei an der notwendigen Unterstützung
der Menschen in Europa verlieren. Deshalb halte ich eine privilegierte
Partnerschaft für die bessere Lösung.

Moderator: Bush wünscht
sich ausdrücklich, dass die Türkei in die EU aufgenommen
wird. Stößt die CDU ihn mit Ihrer Forderung nach einer
privilegierten Partnerschaft nicht vor den Kopf?

Wolfgang Schäuble: Nein.
Ich habe darüber mit Außenministerin Rice gesprochen.
Indem wir auf die strategischen Interessen Rücksicht nehmen,
können wir den Argumenten der USA Rechnung tragen.

Bitte klare Antwort: Als sich viele Deutsche gegen
den Kriegseintritt der Deutschen im völkerrechtswidrigen Krieg
der USA gegen den Irak aussprachen, bezeichneten Sie das als primitiven
Antiamerikanismus. Müssen wir unter einer CDU-FDP-Regierung
mit der Beteiligung Deutschlands an so genannten Präventivkriegen
der USA rechnen?

Wolfgang Schäuble: Die Debatte
war damals anders. Ich habe immer gesagt, dass Voraussetzung für
jede Entscheidung ein Mandat der Vereinten Nationen ist. Das gilt
auch in Zukunft.

thomas192: In welcher Beziehung sehen Sie die
Europäische Union und Russland in 20 Jahren? Kann Russlang
mittel-/ langfristig Teil der EU werden?

Wolfgang Schäuble: Für
Russland gilt Ähnliches wie für die Türkei. Wir sollten
eng mit Russland verbunden sein, aber eine volle Mitgliedschaft
würde die Europäische Union überdehnen.

Dr. Sawatzki: Wie sehen Sie das deutsch-amerikanische
Verhältnis in den nächsten zwei Jahren nach einem Machtwechsel?
Sollte Deutschland mehr Abstand zu einer gemeinsamen Außenpolitik
mit Frankreich gewinnen?

Wolfgang Schäuble: Wir brauchen
eine enge Zusammenarbeit mit Frankreich. Aber sie darf Europa nicht
spalten, sondern muss ganz Europa zusammenführen und zu einem
verlässlichen Partner machen im atlantischen Bündnis.

Moderator: Die CDU hat angekündigt,
nach einem Wahlsieg die Achse Berlin-Moskau-Paris außer Betrieb
zu nehmen. Was versprechen Sie sich davon? Verschlechtert das nicht
die wichtigen Beziehungen zu den beiden Ländern?

Wolfgang Schäuble: Wir wollen
keine neuen Achsen. Sondern gemeinsame europäische Politik.
Eine Achse Paris-Berlin-Moskau spaltet Europa. Deshalb lehnen wir
sie ab. Gute Beziehungen zu Russland dürfen nicht als neue
Achsenbildung missverstanden werden.

Moderator: Noch mal eine Nachfrage zu Irak und
UN-Mandat:

Sol84: Demnach schließen sie eine Beteiligung
der Bundeswehr an US-Militäreinsätzen ohne ein Mandat
der Vereinten Nationen grundsätzlich aus?

Wolfgang Schäuble: Ja. Natürlich gibt
es Ausnahmen, wie 1999 im Kosovo, wo der Weltsicherheitsrat bewusst
nicht angerufen wurde. Aber besser ist, wenn die Vereinten Nationen
entscheidungsfähig sind. Deshalb ist es so zu bedauern, dass
die deutsche Regierung auch nach Aussage des Bevollmächtigten
von Kofi Annan zur Reform der Vereinten Nationen keine guten Beiträge
geleistet hat.

knoten: Herr Schäuble, Gerhardt Schröder
und Putin pflegen eine enge, auch persönliche Beziehung. Welche
Linie gedenken Sie im Falle des Wahlsieges in Bezug auf Russland
und Putin einzuschlagen?

Wolfgang Schäuble: Gute Beziehungen zwischen
den Regierungschefs sind immer nützlich. Sie dürfen aber
nicht von anderen als Bedrohung missverstanden werden können.
Wir wollen mit Russland enge Beziehungen auf der Basis einer gemeinsamen
europäischen Politik und einer funktionierenden atlantischen
Partnerschaft. Das habe ich meinen Gesprächspartnern auch vor
zwei Wochen in Moskau gesagt.

Moderator: Wer könnte sich denn durch die
guten Beziehungen zwischen Putin und Schröder bedroht fühlen?

Wolfgang Schäuble: Zum Beispiel Polen oder
die baltischen Staaten.

AlexN: Herr Schäuble, sollte man die Pläne
für die Ostsee-Pipeline aus Rücksicht auf Polen durchkreuzen?

Wolfgang Schäuble: Man hätte vorher
besser mit den Polen gesprochen. Jetzt ist es für eine Änderung
wohl zu spät.

Moderator: Hätte eine unionsgeführte
Regierung ein so wichtiges Wirtschaftsprojekt wie den Bau der Pipeline
zwischen Russland und Deutschland tatsächlich verhindert, nur
um die baltischen Staaten und Polen zufrieden zu stellen?

Wolfgang Schäuble: Wir hätten versucht,
eine gemeinsame Lösung zu erreichen.

Moderator: Kleinen Moment, es gibt viele Fragen
zu sortieren…

streberdaniel: Herr Schäuble, finden Sie
nicht, dass sich Angela Merkel Ihres Sieges schon zu sicher ist?
Immerhin hat CDU/CSU&FDP die Mehrheit verloren.

Wolfgang Schäuble: Sie ist sich überhaupt
nicht sicher. Sondern sie kämpft, wie wir alle, um jede Stimme
bis zur letzten Minute.

DjangoUN: Herr Dr. Schäuble: Im Falle einer
Schwarz-Gelb-Regierung wäre traditionell Herr Westerwelle Außenminister.
Welche Rolle würden Sie dann einnehmen?

Wolfgang Schäuble: Erst wollen wir die Wahl
gewinnen. Danach reden wir darüber, wer welche Aufgabe übernimmt.

Moderator: Nicht mal eine klitzekleine Spekulation?

Wolfgang Schäuble: Nein.

Heinz Hubert: Herr Schäuble, wie ist Ihre
Meinung zur Berufung von Herrn Kirchhof? Ich denke, dass eine Berufung
von Herrn Merz als Finanzexperte eine bessere Wahl gewesen wäre
– nicht zuletzt, weil harte Reformen auch gut politisch vermarktet
werden müssen; und gerade dies ist eine Stärke von Herrn
Merz.

Wolfgang Schäuble: Zum Glück hat die
Union viele gute Leute. Friedrich Merz hat die Berufung von Kirchhof
ausdrücklich begrüßt und arbeitet seinerseits engagiert
in unserem Wahlkampf mit. Heute Abend zum Beispiel ist er bei mir
in Offenburg.

KurtWagner: Herr Schäuble, was würde
eine schwarz-gelbe Regierung gegen die momentan stark steigenden
Energiepreise unternehmen?

Wolfgang Schäuble: Kurzfristig kann man angesichts
der Entwicklung auf den Märkten nicht allzu viel tun. Frau
Merkel hat ja die Freigabe der Energiereserven gefordert. Ansonsten
müssen wir langfristig für Energieeinsparung und ein möglichst
breites Angebot aller Energien sorgen.

Anti_Atom: Herr Schäuble, Frau Merkel "rennt"
der Atomlobby mit offenen Armen entgegen. Wird der Atomausstieg
2017 bei einem Wahlsieg auf Eis gelegt?

Wolfgang Schäuble: Angesichts der weltweiten
Energieknappheit machen nationale Alleingänge keinen Sinn.
Deutschland hat den höchsten Sicherheitsstandard bei der friedlichen
Nutzung der Kernenergie. Der sollte auch in Zukunft für möglichst
viel Sicherheit geleistet werden.

Robs: Was hat es mit dieser fragwürdigen
Kopplung des Gas- an den Ölpreis auf sich?

Wolfgang Schäuble: Das ist vor Jahren einmal
eingeführt worden, um die Erdgaspreise kalkulierbarer zu machen.
Ob das jetzt noch richtig ist, daran kann man tatsächlich Zweifel
haben. Darüber wird ja auch in der aktuellen Krise international
gesprochen.

Moderator: Wollen Sie diese Bindung also aufheben?

Wolfgang Schäuble: Wenn man eine vernünftige
Lösung finden kann, ja.

Schloti: Werden die Subventionen für alternativen
Ressourcen wie z. B. Wind und Sonne bröckeln?

Wolfgang Schäuble: Nein. Wir setzen auf alle
Energiearten, auch auf die erneuerbaren und alternativen.

olli1: Sehr geehrter Herr Schäuble, wie gedenkt
eine unionsgeführte Regierung das Vertrauen der Bürger
in die Politiker wiederherzustellen?

kannste-mal-sehen: Die FAZ hat heute im Kommentar
gewettert, das Parlament sei nicht mehr Bühne für die
Politik, sondern TV-Duelle. Wie sehen Sie das?

Wolfgang Schäuble: Zunächst zu Olli1:
Indem wir vor der Wahl klar sagen, was wir im Falle eines Wahlerfolgs
machen werden. Das ist das Gegenteil zu Schröder, der fast
alle seine Versprechungen gebrochen hat. Zur zweiten Frage: Ich
teile die Ansicht dieses Kommentars und plädiere seit langem
zum Beispiel dafür, dass die Bundesregierung zunächst
das Parlament und erst danach die Journalisten unterrichten sollte.

Heinz Hubert: Herr Dr. Schäuble, die Diskussion
über das Steuerkonzept von Kirchhof überlagert viele andere
wichtige Themen. Warum lässt Ihre Partei zu, dass mehr über
das Kirchhof-Konzept diskutiert wird als über das CDU-Konzept?

Wolfgang Schäuble: Ich setze mich sehr dafür
ein, dass allen Wählern klar ist, dass wir unser Regierungsprogramm
verwirklichen werden. Leider ist das im Augenblick in den Medien
zum Teil etwas unklar geworden. Wir wollen zum 1. Januar 2007 ein
einheitliches Unternehmenssteuerrecht, eine Senkung der Einkommenssteuersätze
auf 12 bis 39 Prozent und Freibeträge für jeden Mann und
jede Frau und jedes Kind von je 8000 Euro. Das gilt.

Der_Hesse: Sie können vor der Wahl nicht
alle notwendigen Reformen ankündigen, weil Ihnen sonst die
Wähler weglaufen. Das was sie ankündigen, stößt
schon nicht auf große Euphorie. Schaffen sie den Spagat zwischen
Wahrheit und dem, was die Wähler hören wollen?

Wolfgang Schäuble: Wir sagen vor der Wahl,
was wir nach der Wahl machen werden. Natürlich kann man nicht
alle Einzelheiten kommunizieren, aber die Grundlinien sind eindeutig.
Insofern gibt es diesen Spagat nicht.

B5: Können wir also erwarten, dass Kirchhof
seine Streichliste vor der Wahl bekannt gibt?

Wolfgang Schäuble: Darauf kommt es nicht
an, weil nur gilt, was in unserem Regierungsprogramm steht. Das
kann jeder nachlesen, und darüber reden wir auf jeder Wahlveranstaltung.

gpeter: Herr Schäuble, die CDU hat sogar
die Pflegeversicherung eingeführt, warum sollte sie gerade
unter Frau Merkel die Sozialsysteme reformieren können und
für mehr Eigenverantwortung sorgen?

Wolfgang Schäuble: Die Pflegeversicherung
war richtig, weil sie die Eigenverantwortung von Familien mit pflegebedürftigen
Angehörigen gestärkt hat. Im Übrigen sind unsere
Vorschläge zum Gesundheitswesen und zur Rente bekannt. Und
sie werden die sozialen Sicherungssysteme dauerhaft sicher machen.

Det: Herr Schäuble, müssen nicht endlich
mehr Anreize für mehr Kinder geschaffen werden? Ich sehe nicht
ein, dass meine drei Kinder später einmal die Renten der Kinderlosen
bezahlen sollen.

Wolfgang Schäuble: Unser Programm sieht neben
den Steuerfreibeträgen von 8000 Euro für jedes Kind einen
Abschlag von 50 Euro pro Kind bei den Rentenbeiträgen und die
Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge für Kinder
aus dem Bundeshaushalt vor. Das ist ein gutes Programm, um Eltern
mit Kindern zu entlasten.

Moderator: Nachfrage:

rene.kusch@web.de: Es kommt nicht auf die Aussagen
Kirchhofs an?

Wolfgang Schäuble: Es gilt, was im gemeinsamen
Regierungsprogramm von CDU und CSU steht. Das sagt auch Herr Kirchhof.

Moderator: Kommentar dazu:

aussen: Soll das heißen, Kirchhofs Behauptungen
sind überhaupt nicht gültig. Wir können uns nur auf
das CDU-Parteiprogramm berufen? Na dann kann die CDU ja viel erzählen!!

Penti-21: Nun besteht die Union ja mal aus 2 Parteien:
CDU und CSU. Wie stehen Ihre bayerischen Kollegen zu den radikalen
Vorschlägen von Herrn Kirchhof?

Wolfgang Schäuble: Zuerst zu aussen: Wir
haben für die Wahl ein klares Regierungsprogramm vorgelegt.
Das beschreibt, was wir in der nächsten Legislaturperiode machen
werden. Zu Penti-21: Das ist ein gemeinsames Programm von CDU und
CSU, insofern gibt es keine Unterschiede.

Moderator: Noch einmal eine Nachfrage zu den Koalitionen:

Em2802: Was passiert eigentlich im Falle einer
großen Koalition, wenn die SPD nach 18 Monaten auseinander
bricht? Wieder Neuwahlen?

Wolfgang Schäuble: Das Beste ist, wir bekommen
ein klares Wahlergebnis, damit die Spekulation über eine große
Koalition ohne Grundlage bleibt. Alles andere schafft neue Unsicherheit
und wäre schlecht für Deutschland.

Moderator: Jede Menge Fragen zu Kirchhof.

madlock: Wählen wir jetzt Kirchhof oder CDU?

Wolfgang Schäuble: Wählen Sie CDU!

gaukus: Herr Schäuble, wie sieht ihre Taktik
aus, angesichts steigender Umfrage-Ergebnisse der SPD und schwächelnder
Liberaler doch noch die für Deutschland so wichtige schwarz-gelbe
Koalition zu realisieren? Auf welche Themen wollen sie in den letzten
Tagen des Wahlkampfes verstärkt setzen?

Wolfgang Schäuble: Vorrang für Arbeit
und Vorfahrt für Familie. Das sind unsere zentralen Themen
im Wahlkampf und dafür kämpfen wir bis zum 18. September
um 18.00 Uhr.

Moderator: Glauben Sie nicht, dass die CDU im Endspurt
möglicherweise für eine unklare Haltung in der Steuerfrage
bestraft wird?

Wolfgang Schäuble: Unsere Haltung ist klar.
Sie steht in unserem Regierungsprogramm. Soweit es Missverständnisse
gibt, müssen wir alles tun, um sie zu beseitigen.

thomas192: Wie groß beurteilen Sie den noch
verbliebenen Gestaltungsspielraum des Staates in den Bereichen Schaffung
von Arbeitsplätzen, Gestaltung von Energiepreisen, etc. angesichts
omnipräsenter Globalisierung?

Wolfgang Schäuble: Entscheidend ist, dass
wir angesichts der Globalisierung die Wettbewerbsfähigkeit
Deutschlands verbessern. Das beginnt bei den Arbeitskosten, umfasst
Bürokratie-Abbau, leistungsfähigere Forschung und Hochschulen,
bessere Rahmenbedingungen für den Mittelstand. Und auf nationale
Alleingänge, die die Energiepreise im Vergleich zu anderen
Ländern verteuern, sollten wir verzichten.

rick: Herr Schäuble, der Bundeskanzler wurde
von Ihnen oft kritisiert. Dennoch die Frage: Welche Eigenschaften
schätzen Sie an ihm, da er für viele nicht mehr lange
im Amt ist?

Wolfgang Schäuble: Es macht wenig Sinn, wenn
man in der Endphase des Wahlkampfs den politischen Gegner lobt.
Dass er den Weg zu vorzeitigen Neuwahlen freigemacht hat, verdient
Anerkennung. Die leisten wir am besten, indem wir jetzt wirklich
für einen Regierungswechsel sorgen.

sb_bcn: Von den Bürgern wird verlangt, dass
sie sich den neuen Aufgaben stellen. Wo ist dies bei den Politikern
zu sehen? Ist das heutige Modell von Demokratie nicht renovierungsbedürftig?

Wolfgang Schäuble: Bürger und Politiker
sind ständig neuen Herausforderungen ausgesetzt. Wir versuchen
alle, dem so gut wie möglich gerecht zu werden.

kannste-mal-sehen: Zur Ernsthaftigkeit der Politik
noch mal. Wie ist ihre persönliche Meinung: Besser keine TV-Duelle
mehr?

Wolfgang Schäuble: Ich finde, dass das Duell
am Sonntag nicht so schlecht war. Aber natürlich darf sich
der Wahlkampf nicht auf Fernseh-Inszenierungen reduzieren.

MSchmoll: Herr Schäuble, wie beurteilen Sie
die Berichterstattung der Medien, welche die Wähler oftmals
durch ihre Darstellung der Parteien und Politiker von den politischen
Inhalten abzulenken scheinen und stattdessen gezielt Sympathien
erzeugen oder Ängste hervorrufen? Wie kann dem entgegengewirkt
werden?

Wolfgang Schäuble: Die Medien bringen das,
von dem sie glauben, dass es die meiste Aufmerksamkeit bei Zuschauern
und Lesern findet. Insofern liegt es an den Wählern selbst
wie Wahlkämpfe erfolgreich sind oder nicht.

Moderator: Das war unsere Chat-Stunde, vielen
Dank für Ihr Interesse. Herzlichen Dank Herr Schäuble,
dass Sie sich die Zeit genommen haben. Kein Wunder bei einem so
prominenten Gast: Es sind außerordentlich viele Fragen übrig
geblieben. Der nächste Chat findet am Montag statt. Den Fragen
stellt sich dann SPD-Fraktionsvize Michael Müller. Der Chat
beginnt um halb zwei und dauert wie immer eine Stunde. Wir freuen
uns, wenn Sie auch beim nächsten Mal wieder dabei sind!

Wolfgang Schäuble: Vielen Dank, bis zum nächsten
Mal.