Am Mittwoch, den 26. Januar war Dirk Niebel, arbeitsmarktpolitischer
Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, von 13 bis 14 Uhr zu
Gast im tacheles.02 Live-Chat von tagesschau.de und politik-digital.de.
Der FDP-Politiker rechnete u.a.mit der Bundesagentur für Arbeit
und Hartz-IV-Regelungen ab.
Moderator: Liebe Politik-Interessierte, willkommen im tacheles.02-Chat.
Die Chat-Reihe tacheles.02 ist ein Format von tagesschau.de und
politik-digital.de und wird unterstützt von tagesspiegel.de.
Zum chatten ist der FDP-Bundestagsabgeordnete Dirk Niebel ins ARD-Hauptstadtstudio
gekommen. Herzlich willkommen, los geht´s gleich mit dieser
Frage:
itchy: Herr Niebel, was haben Sie eigentlich
gegen Hartz IV? Geht es Ihnen nicht weit genug?
Dirk Niebel: Ich habe vom Grundsatz her
nichts gegen Hartz IV. Die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe
und Sozialhilfe ist eine sinnvolle und überfällige Reform.
Ich kritisiere bei Hartz IV die Umsetzung der Reform und dass durch
diese Reform natürlich das Grundproblem des Arbeitsmarktes
– zu wenig Arbeitsplätze zu haben – nicht gelöst wird.
Moderator: Was passt Ihnen konkret nicht
an der Umsetzung?
Dirk Niebel: Ich bin der festen Überzeugung,
die Bundesagentur für Arbeit ist mit dieser Aufgabe überfordert.
Ich hätte mir die Zuständigkeit für die Betreuung
der Langzeitarbeitslosen bei den kommunalen Trägern der Sozialhilfe
gewünscht. Bei dem betroffenen Personenkreis ist der Verlust
des Arbeitsplatzes meistens nur ein Problem von vielen. Für
diese umfassende Beratungstätigkeit fehlt der Bundesagentur
jede Kompetenz.
Durchlaucht: Herr Niebel, sind private
Arbeitsvermittler eine bessere Lösung als dieses Geschwulst
BA?
Dirk Niebel: Private Arbeitsvermittler
sowie die weite Einführung privatwirtschaftlicher Elemente
in der staatlichen Arbeitsvermittlung wären die richtige Mischung.
Ich bin allerdings der Ansicht, dass die Bundesagentur in ihrer
jetzigen Form nicht reformierbar ist und daher aufgelöst werden
sollte.
Moderator: Was tun mit den 80.000 BA-Beamten
und -Angestellten?
Dirk Niebel: Es sind 90.000. Auflösung
heißt nicht Abschaffung, sondern ist ein Terminus Technikus.
Durch die Auflösung der Behörde besteht sie eine juristische
Sekunde lang nicht. D.h. es besteht auch die Selbstverwaltung mit
Frau Engelen-Kefer nicht mehr (das wäre ein Mehrwert als solcher).
Zweitens bestehen die behördeninternen Vorschriften nicht mehr,
sondern es gilt das Gesetz. Drittens kann das starre öffentliche
Dienst- und Tarifvertragsrecht eine sinnvolle Strukturverränderung
nicht mehr blockieren. Wir schlagen ein Dreisäulensystem stattdessen
vor: 1.) eine Versicherungsagentur, die nichts anderes macht als
die Lohnersatzleistungen. 2.) eine schmale Arbeitsmarktagentur,
die nur für das überregional Notwendige wie die Transparenz
der gemeldeten Stellen sorgt und 3.) vor Ort in kommunaler Trägerschaft
steuerfinanziert die aktive Arbeitsmarktpolitik (Bundestagsdrucksache
DrS 15/2421).
Moderator: Lässt sich unter www.bundestag.de
in der Datenbank schnell finden.
Zwischendurch ein bisschen Selbsteinschätzung:
Andreas Thieme: Würden Sie sich
selbst als Humanist bezeichnen? Zu welchem Flügel der FDP zählen
Sie sich?
Dirk Niebel: Ich würde mich, glaube
ich, nicht als Humanisten bezeichnen, sondern als klassischen liberalen
Freidenker, der sich allein aus diesem Grund in keine Flügelecken
stellen lässt. Dennoch: Ohne Flügel kann man nicht fliegen.
Anna: Aus Ihren Konzepten schließe
ich, dass die Menschen mit aller Kraft der Wirtschaft dienen sollten.
Sollte nicht die Wirtschaft dem Menschen dienen?
Dirk Niebel: Eine gut funktionierende
Wirtschaft ist die Vorraussetzung dafür, soziale Sicherungssysteme
überhaupt unterhalten zu können. Die Bundesregierung hat
richtigerweise 500 Mio. Euro Flutopferhilfe angekündigt. Auch
wenn Herr Fischer und Herr Schröder so getan haben, als sei
es ihr eigenes Geld, handelt es sich hier um Steuereinnahmen, die
nur aufgrund funktionierender Wirtschaftskreisläufe zu Stande
gekommen sind. Sie sehen, beides bedingt sich gegenseitig.
Freudenberg: Und was sagen Sie zu denjenigen,
die wenig Sozialhilfe erhalten, aber auch keine Chance auf einen
neuen Arbeitsplatz haben trotz intensivster Bemühungen? Welche
Perspektive haben diese Menschen denn?
Dirk Niebel: Die Frage zeigt ein Grundproblem
der Reform auf. Hartz IV schafft keine neuen Arbeitsplätze
(außer vielleicht bei der BA). Um neue Arbeitsplätze
zu schaffen und vorhandene sichern zu können, bedarf es weiterer
umfassender Reformen im Steuer-, Arbeits- und Tarifvertragsrecht
sowie den vermehrten Abbau bürokratischer Vorschriften.
rasmuni II: Was erwarten Sie von der
Konzentration der EU-Kommission auf Wirtschaftswachstum, die Baroso
angekündigt hat?
Dirk Niebel: So einseitig habe ich die
Ankündigung Barosos nicht verstanden. Richtig ist aber, dass
wirtschaftliches Wachstum ab einer bestimmten Steigerungsrate zu
mehr Arbeitsplätzen, somit zu mehr Wohlstand der Bevölkerung
und damit zu mehr Staatseinnahmen führt.
Moderator: Eine Kernfrage für die
Liberalen, würde ich sagen:
Oberst_Schlag: Sie fordern eine Lockerung
des, ich zitiere, "verkrusteten Arbeits- und Tarifrechts".
Meinen Sie ernsthaft, mit der Lockerung des Kündigungsschutz
und der Tarifverträge Arbeitsplätze zu schaffen?
Dirk Niebel: Das Kündigungsschutzgesetz
hat sich, wie übrigens viele anderen Schutzgesetze auch, zu
einem Arbeitsplatz-Besitzenden-Schutz verändert. Diejenigen,
die draußen stehen, stoßen dadurch auf eine Barriere.
Statt einzustellen wird lieber der Weg in Überstunden, Arbeitnehmerverleih
oder Schwarzarbeit gewählt. Sicher ist allein der Kostenfaktor
nicht ausreichend erklärend für die Arbeitslosigkeit.
Aber dennoch dürfen die Kosten und Nebenkosten der Arbeit nicht
außer Acht gelassen werden. Meiner Meinung nach ist es sinnvoller,
dass Belegschaft und Unternehmensleitung sich auf Maßnahmen
zur Arbeitsplatzsicherung und -schaffung einigen können, als
Verbandsfunktionäre von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden,
die die konkrete Situation des Betriebes überhaupt nicht beurteilen
können.
Ganuadar: Fakt ist, dass viele deutsche
Unternehmen doch unglaubliche Gewinne machen? Wie kann man die Arbeitgeber
dazu animieren, mehr Arbeitsplätze hier zu schaffen, damit
der Bürger auch wieder mehr davon hat und sich mehr leisten
kann, was wieder die Wirtschaft stimuliert usw.?
Dirk Niebel: Steuern zahlen kann nur
der, der Arbeit hat. Deswegen ist es wichtig, Arbeitsplätze
im eigenen Land zu halten. Im internationalen Wettbewerb kann es
dennoch manchmal der Arbeitsplatzsicherung im Inland dienen, wenn
auch in Auslandsarbeitsplätze investiert wird und dadurch eine
Mischkalkulation möglich wird. Da wir niemals ein Billiglohnland
werden und werden wollen, ist unsere Innovationsfähigkeit für
zukünftige Arbeitsplätze das entscheidende Investitionskriterium.
Hier ist die Politik – insbesondere der Grünen – gefordert,
nicht immer nur Risiken, sondern auch Chancen zu sehen. Der Transrapid
wurde in Deutschland erfunden und fährt in Shanghai, die Gentechnik
wurde in Deutschland weitgehend mitentwickelt, genetisch hergestelltes
Insulin kommt aus den Vereinigten Staaten, die sog. "grüne"
Gentechnik wird von Frau Künast gerade nach Amerika vertrieben
und, weil auch die Grünen mittlerweile in die Jahre kommen,
steht zu befürchten, dass sie aus israelischer Stammzellenforschung
entwickelte Medikamente gegen ihre Alterskrankheiten übers
Internet in Deutschland bestellen werden.
Moderator: Da verstehen Sie sich bestimmt
gut mit Kanzler Schröder. Na, vielleicht doch eine SPD-FDP-Koalition
2006?
Dirk Niebel: Der Kanzler und sein Vizekanzler
Joseph Fischer haben sich ja bereits im letzten Jahr die ewige Liebe
versichert. Wir wollen Rot-Grün ablösen.
Hartmut: Herr Niebel, es ist bekannt,
dass Sie jahrelang bei der Bundesagentur beschäftigt waren.
Wie kann es sein, dass ich es so lange bei einem Arbeitgeber aushalte,
den ich so ablehne bzw. die geleistete Arbeit der Mitarbeiter so
in Misskredit bringe.
Dirk Niebel: Die Arbeit der Mitarbeiter
wird von mir in keiner Weise kritisiert. Sie können auch Michael
Schumacher in einen Mini setzen und er wird kein Formel-1-Rennen
gewinnen. Die Strukturen der BA als zentral gesteuerte Großbehörde,
insbesondere aber die informellen Strukturen sowie das, was ich
als Arbeitslosenindustrie bezeichne, halte ich im jetzigen System
für nicht reformierbar. Die Arbeitslosenindustrie aus Bildungsträgern,
Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und auch aus öffentlichen
Händen, die meistens in den Taschen der Bürger stecken,
sind es über Jahrzehnte hinweg gewohnt gewesen, dass immer
mehr Geld in das System gesteckt wurde, indem es umverteilt wurde.
Die Effizienz dieser Veranstaltung bezeichnet sogar Bundesminister
Clement als äußerst ungenügend.
Moderator: Statement von:
PQ: Die Bundesagentur für Arbeit
ist nur noch ein riesengroßer Verwaltungsapparat, welcher
den eigentlichen Zweck, nämlich die Vermittlung von Arbeitslosen,
verfehlt. Ich habe seit 4 Monaten nicht ein einziges Stellenangebot
erhalten!
Dirk Niebel: Das Kerngeschäft der
BA, die Vermittlung in Arbeit, an der ihre Effizienz, aber auch
ihre Existenzberechtigung gemessen wird, ist dramatisch vernachlässigt
worden. Allein zwischen 2003 und 2004 sind die Vermittlungen nach
Auswahl und Vorschlag um 26,6 Prozent zurückgegangen. Rechnet
man nur die Vermittlung ohne öffentliche Fördergelder,
ist die Quote sogar deutlich über 30% gesunken.
Oberst: Die Konjunktur lässt Unternehmen
immer weniger Spielraum für Ausbildungen, denn die sind für
die meisten Firmen ein Zuschussgeschäft. Stimmen sie dem zu?
Wenn ja, warum?
Dirk Niebel: Grundsätzlich ja. Die
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die auf den Arbeitsmarkt wirken,
wirken natürlich genauso auf den Ausbildungsstellenmarkt. Also
gibt es hier den gleichen Reformbedarf. Darüber hinaus ist
es verständlich, dass bei über 40.000 Unternehmenspleiten
nicht zu aller erst an die Einstellung eines Azubis für die
nächsten 3 Jahre gedacht wird, sondern an das Überleben
der Firma. Die faktisch bestehenden Mindestvergütungen lassen
oftmals vor allem im Osten die Begründung eines Ausbildungsverhältnisses
nicht zu. Selbst wenn der Azubi bereit wäre, für ein geringeres
Geld einen Ausbildungsplatz anzutreten und der Ausbildungsbetrieb
in der Lage wäre, bei einer geringeren Ausbildungsvergütung
einen entsprechenden Platz zur Verfügung zu stellen.
Kurti: Herr Niebel, denken Sie wirklich,
wenn ich mit meinem Diplom frisch von der Uni komme und nicht sofort
einen Job kriege, dass ich irgendeinen "zumutbaren" Job
annehmen muss? Das wirft mich doch in meinen Chancen zurück
und eine Bewerbungsphase nach der Uni ist doch heute nur normal.
Dirk Niebel: Grundsätzlich sucht
es sich aus jeder Beschäftigung nach einem anderen Arbeitsplatz
leichter als aus der Arbeitslosigkeit. Außerdem kann man bei
jeder Beschäftigung zusätzliche Erfahrung sammeln und
die Arbeitsmotivation belegen. Darüber hinaus ist es immer
noch so, dass die größte Zahl von Akademikern in ihrem
späteren Leben überdurchschnittlich gute Verdienstmöglichkeiten
hat. Ist es dann gerecht, ein mit den Steuergeldern der Fleischereifachverkäuferin
finanziertes ALG II zu beziehen, statt selbst etwas zum Lebensunterhalt
beizutragen, wenn das möglich ist?
Moderator: Zweimal ähnlich:
MiHi: Meines Erachtens belasten Studiengebühren
in erster Linie kinderreiche Familien im mittleren Einkommenssegment.
Sie fallen nämlich beim BaföG durch und für die Erstausbildung
sind immer noch die Eltern zuständig.
hilfe, wir verbl?….: ad Studiengebühren:
Gerade wurde festgestellt, dass alle Sozialsysteme zusammenbrechen,
weil die Deutschen keine Kinder mehr kriegen. Wer kriegt denn jetzt
noch mehr Nachwuchs, wenn ich jetzt auch noch das Geld für
die Studiengebühren meiner Kinder auf die Seite schaffen muss.
Wo bleibt denn die Familienförderung, gerade für Akademiker,
die Beruf und Kinder gerne verbinden möchten, wenn es nicht
in den sozialen Absturz führt?
Moderator: Da hat sich ja auch ihr Kollege
Daniel Bahr entsprechend geäußert.
Dirk Niebel: Das Konzept der FDP für
Studiengebühren ist eindeutig auf nachlaufende Gebühren
ausgerichtet. Das bedeutet, dass der Akademiker, wenn er einen entsprechend
adäquat bezahlten Beruf hat, aus diesen Einkünften im
Nachhinein seine Studiengebühren an seine ehemalige Hochschule
zahlt. Dies verhindert eine Sozialauswahl während des Studiums
und trägt den grundsätzlich besseren Einkommenschancen
von Akademikern Rechnung. Es stellt sich die Frage, warum ein Hochschulstudium
kostenfrei sein soll, also von allen Steuerzahlern bezahlt wird,
wohingegen Kinderbetreuungsplätze kostenpflichtig sind, also
von Eltern aller sozialen Schichten persönlich bezahlt werden
müssen.
Moderator: Zum Thema angehende Akademiker
in Jobs und in den ersten Berufsjahren:
kieru: Ich bezweifele, dass Akademiker
später adäquat verdienen. Dies sieht man schon daran,
dass Studierende für Praktika kein Geld mehr erhalten.
Spejbl: Ich denke, dass der Job der Ausbildung
entsprechen sollte. Personalpolitisch wäre es für den
Bewerber fatal, müsste er zwischendurch was Unterqualifiziertes
machen. Welcher Personalchef stellt mit so einem Lebenslauf jemanden
ein, zumal man ja in der Zeit gar nicht im eigentlichen Beruf tätig
ist, also quasi raus.
Dirk Niebel: Also nach meinen Kenntnissen
waren auch in der Vergangenheit Praktika meist unbezahlt. Zur zweiten
Frage: Glauben Sie, für einen Personalchef ist es attraktiver,
einen Akademiker einzustellen, der vielleicht monate- oder jahrelang
nichts gemacht hat, als jemanden der – gegebenenfalls auch überqualifiziert
– wenigstens irgendetwas gemacht hat? Volkswirtschaftlich richtig
ist allerdings, dass es sich hier um eine Fehlallokation handeln
würde, die vorzugsweise zu verhindern ist.
Jkoeppern: Ich möchte mich an dieser
Stelle nicht FÜR Studiengebühren aussprechen, aber ich
möchte aus meiner Sicht als Student zwei Punkte zu bedenken
geben: 1. Viele Kommilitonen, die nur zum Spaß in den Vorlesungen
sind, würden ihr Studium abbrechen und so mehr Raum für
die wirklich interessierten Studenten schaffen. 2. Sobald der Student
zahlt, ist er Kunde und hat seine Forderung nach einer höheren
Qualität der Lehre mehr Gewicht.
Dirk Niebel: Beides ist richtig. Darüber
hinaus führen nachlaufende Studiengebühren, die der Bildungseinrichtung
direkt zu Gute kommen, zu einem Wettbewerb unter den Bildungseinrichtungen,
der die Qualität von Lehre und Forschung erhöhen wird.
Moderator: Noch einmal zur Klarstellung:
Just: Herr Niebel, das heißt, Sie
betrachten die Enführung der Studiengebühren in erster
Linie als "Entlastung des Staates / der Steuerzahler"
und nicht als Möglichkeit der Verbesserungen der Universitäten.
Sprich: Sollen die Studiengebühren auf der einen Seite die
staatlichen Zuschüsse auf der anderen Seite ersetzen?
Dirk Niebel: Nein, die staatlichen Zuschüsse
auf der anderen Seite müssen bestehen bleiben. Die Studiengebühren
sollen als Instrument des Wettbewerbs unter den Bildungseinrichtungen
und damit einer Erhöhung der Qualität des Studiums betrachtet
werden.
homo ex macchina: Was halten Sie davon,
Absolventen deutscher Bildungseinrichtungen, die ins Ausland abwandern,
für ihre Bildung bezahlen zu lassen?
Dirk Niebel: Ich halte sehr viel davon,
Absolventen von Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen
die Möglichkeit zu geben, in Deutschland zu forschen und zu
arbeiten. Dazu gehört, wie vorhin bereits abgesprochen, ein
unverkrampftes Verhältnis zu wissenschaftlichen Neuerungen
(Gentechnik, Transrapid,…). Allerdings ist auch der internationale
Austausch von Kenntnissen in vielen Wissenschaftsfeldern Grundvoraussetzung
für erfolgreiche Forschung und Entwicklung. Daher sollten wir
statt Strafmaßnahmen eher auch das Studium für Ausländer
in Deutschland attraktiver machen. Wer in Deutschland ausgebildet
wurde, wird auch eher deutsche Technologien oder Verfahren im Herkunftsland
anwenden.
RegiBull: Aber wie stellt man sicher,
dass langfristig die staatlichen Zuschüsse nicht doch gekürzt
werden. Das kann ja niemand mehr nachvollziehen?
Dirk Niebel: Z.B. in Baden-Württemberg
wurden in öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen zwischen Land
und Hochschulen die staatlichen Zuschüsse zunächst bis
2006 festgeschrieben. Danach sollen weitere langfristige Vereinbarungen
wieder abgeschlossen werden.
Parteifreund: In der Webcam ist zu sehen,
dass Sie ganz entspannt dasitzen. Ich frage mich, wer schreibt denn
hier eigentlich?
Moderator: Das wollen wir mal aufklären:
Damit unser Gast entspannt antworten kann, tippen wir für ihn!
🙂
Dirk Niebel: Den Gast freuts…
Ich: Von was für einer Summe wird
im Zusammenhang mit Studiengebühren eigentlich gesprochen?
Ein Student zahlt ja heute bereits pro Semester 150-200€ für
Verwaltung etc…?
Dirk Niebel: Die Summe soll nach unseren
Vorstellungen von der jeweiligen Hochschule selbst festgelegt werden.
Wie wir überhaupt den Hochschulen möglichst umfangreiche
Autonomie gewähren wollen. Das war einer der Streitpunkte,
an der die Föderalismuskommission gescheitert ist. Diese Semester/
Verwaltungsgebühren, die derzeit zu bezahlen sind, haben nichts
mit Studiengebühren im engeren Sinne zu tun, sondern beinhalten
in der Regel die Verwaltungskosten für Immatrikulation, Prüfungen
und gegebenenfalls den Grundbeitrag für das Studententicket.
ArnoF: Wie soll sichergestellt werden,
dass die heute angepeilte Summe nicht in Zukunft ständig erhöht
wird, wie es z.B. in Australien geschehen ist?
Schwedenfan: Aber es muss doch eine Begrenzung
geben für die Summe, die die Hochschulen festlegen können?!
Dirk Niebel: Der Wettbewerb unter den
Bildungseinrichtungen wird – vorausgesetzt die Hochschulen sind
autonom, ihre Studierenden auszusuchen und die Studierenden sind
autonom, ihre Hochschule auszusuchen – dafür sorgen, dass die
Studiengebühren nicht ausufern. Grundvoraussetzung dafür
ist allerdings die Abschaffung der ZVS.
Laubenpieper: Herr Niebel, Frau Pieper
ist zuletzt in die Kritik geraten und einige aus den eigenen Reihen
fordern gar ihren Rücktritt. Sehen Sie sich bereits als zukünftigen
Generalsekretär der FDP?
Dirk Niebel: Allein der Parteivorsitzende
hat für die Funktion der Generalsekretärin oder des Generalsekretärs
das Vorschlagsrecht. Frau Pieper ist Generalsekretärin. Der
Bundesparteitag im Mai wird den gesamten Vorstand und das Präsidium
der FDP neu wählen.
Moderator: Aber zutrauen würden
Sie sich den Job?
Dirk Niebel: Ich habe in meinen 8 Jahren
als Fallschirmjäger meine physischen und psychischen Grenzen
so genau kennen gelernt, dass ich ziemlich gut abschätzen kann,
was ich mir zutraue. Das sage ich Ihnen aber nicht alles.
Moderator: Da wir zahlreiche Fragen zum
Thema Bundeswehr und Dirk Niebel haben, hier noch zwei:
Oberst: Sie waren lange Zeit bei der
Bundeswehr. Hat diese Zeit auf ihren politischen Kurs abgefärbt?
Frank_29: Bringt Hartz IV der Bundeswehr
eine Schwemme neuer Anwärter?
Dirk Niebel: Meine Zeit bei der Bundeswehr
hat natürlich meine politischen Positionen mit geprägt.
Ich glaube allerdings nicht, dass Hartz IV zu einer Bewerberschwemme
führen wird, da die Bundeswehr 1. immer kleiner wird und 2.
die Wehrgerechtigkeit schon heute nicht mehr gewährleistet
ist und wir 3. in der sich entwickelnden Freiwilligenarmee eine
sehr gezielte Personalauswahl zur Bewältigung des neuen Aufgabenspektrums
unserer Streitkräfte brauchen werden.
Moderator: Das war’s, eine Stunde
ist um. Vielen Dank für das große Interesse, wir haben
jede Menge Fragen offen. Herzlichen Dank, Herr Niebel, dass Sie
Zeit für den Chat hatten. Die Transkripte aller Chats finden
Sie auf den Seiten der Veranstalter. Die nächsten Chats: DGB-Chef
Michael Sommer kommt am Donnerstag, 3. Februar, Bundesverkehrsminister
Manfred Stolpe am Mittwoch, 9. Februar. Beide Chats beginnen um
dreizehn Uhr. Das tacheles.02-Team wünscht allen noch einen
schönen Tag.
Dirk Niebel: Vielen Dank und Tschüss!