tacheles.02 spezial: Chatduell mit Edelgard Bulmahn und Annette Schavan am 4. September 2002
Moderator: Liebe Politik-Interessierte, herzlich willkommen zu unserem Live-Chat-Duell bei tacheles.02 spezial. Ich begrüße herzlich Edelgard Bulmahn (SPD), Bundesministerin für Bildung und Forschung, und Annette Schavan (CDU), Ministerin für Jugend, Kultus und Sport Baden-Württemberg und Mitglied in Edmund Stoibers "Kompetenzteam"
tacheles.02-Spezial ist ein Format von tagesschau.de und politik-digital.de und findet im Rahmen des Debattenforums "WAHLTHEMEN.DE" statt, einem Projekt der Bundeszentrale für politische Bildung in Kooperation mit dem Zentrum für Medien und Interaktivität und politik-digital.de.
Gleich ein Hinweis: Am Freitag treffen (16.30 Uhr) begegnen sich beim chat tacheles.02 spezial Gregor Gysi und Christoph Schlingensief, am Montag (15.00 Uhr) die Ministerpräsidenten Roland Koch und Kurt Beck.
Frau Schavan, fangen wir mit dem Thema an, das Bildung endlich in den Rang eines Wahlkampfthemas beförderte: die PISA-Studie, die deutschen Schülern äußerst mittelmäßige Leistungen bescheinigt. Aber immerhin Platz zwei belegt Baden-Württemberg hinter Bayern im Bundesländervergleich – sitzt eine vorbildliche Kultusministerin in Stuttgart?
A. Schavan: Auch Baden Württemberg will besser werden im internationalen Vergleich. Aber richtig ist: Es gibt in Deutschland gravierende Unterschiede, die nicht länger hingenommen werden dürfen. Als Kultusministerin in Stuttgart bin ich natürlich froh darüber, dass wir hier eine gute Ausgangspositon für die Weiterentwicklung unseres Bildungswesens haben und wichtige Reformschritte, die in anderen Ländern erst diskutiert werden, bei uns bereits gegangen wurden.
Moderator: Frau Schavan, nun kann sich Baden-Württemberg freuen, dass es in Deutschland die Nummer zwei ist, international gesehen sieht es dennoch nicht gut aus. Jürgen Bäumert, Leiter der deutschen PISA-Vergleichsstudie, sagt ganz klar: Die Vorbilder für die deutschen Schulen muss man im Ausland suchen, nicht in Deutschland. Weg mit den deutschen Schulstrukturen, her mit den finnischen?
A. Schavan: Jürgen Baumert sagt auch, dass Baden-Württemberg wohl das modernste Bildungsland in Deutschland ist. Für notwendige Verbesserungen können wir natürlich von anderen Ländern lernen, die zu den PISA-Siegern gehören. Wir müssen jetzt aber vor allem Aktionismus vermeiden. Wir brauchen konsequente Weiterentwicklung im Blick auf die Durchlässigkeit der Lernkonzepte und Schularten, im Blick auf die Stärkung des frühen Lernens, im Blick auf die Qualität des Unterrichts und im Blick auf vergleichbare Bildungsstandards in allen Bundesländern.
Moderator: Frau Bulmahn, was sagt die Bundesbildungsministerin dazu, muss mehr Leistungsbewusstsein in die Schule?
E. Bulmahn: Ich will, dass alle Kinder die gleichen guten Bildungschancen in Deutschland haben wie in Finnland und Kanada. Dazu brauchen wir zum einen eine bessere praxisorientiertere Lehreraus- und -fortbildung. Die Schulen müssen zu selbständigen Schulen werden. Wir brauchen bundesweite Bildungsstandards, wie ich sie seit langem fordere, und auch regelmäßige bundesweite Bildungsvergleiche. Und wir wollen vor allen Dingen, dass wir endlich ein flächendeckendes Angebot von Ganztagsschulen haben, damit Zeit für die individuelle frühe Förderung von Kindern vorhanden ist. Dass diese Schritte notwendig sind, zeigen uns Finnland und Kanada und dieses müssen wir bundesweit erreichen.
A. Schavan: Bildungsstandards fordern Sie nach der Veröffentlichung der Pisa-Studie. Ich habe sie bereits im Mai 2002 in der KMK für einige Fächer im Namen der unionsregierten Länder vorgelegt!
E. Bulmahn: Liebe Frau Schavan: dieses haben wir bereits bei der Veröffentlichung der Empfehlung des Forum Bildung 2001 empfohlen. Zweitens hat die KMK im Mai diese Vorschläge von Seiten _aller_ MinisterInnen beschlossen.
Moderator: Frau Bulmahn, Frau Schavan, alle fordern inzwischen vergleichbare, nationale Bildungsstandards. Je nach Parteifarbe scheinen Sie aber was anderes darunter zu verstehen. Wie sollen solche Standards aussehen?
A. Schavan: Wir müssen uns da gar nicht streiten. Hauptsache: Ihre SPD-Kolleginnen und -Kollegen lassen sich auch wirklich ein auf den Prozess der Bildungsstandards und logischerweise dann auch auf vergleichbare zentrale Abschlussprüfungen in allen Schularten. Der Beschluss in der KMK war in der Tat einstimmig. Aber auf Vorlage durch die unionsregierten Länder. Und in der gleichen Sitzung haben eben nicht alle SPD-Länder künftigen Vergleichen einheitlicher Bildungsstandards zwischen den Ländern zugestimmt!
E. Bulmahn: Die bundesweiten Bildungsstandards sollen von Wissenschaftlern und Unterrichtspraktikern entwickelt werden und beschreiben in sehr knapper präziser Form Bildungsziele, Standards, Abschlüsse und sichern damit auch, dass es in Zukunft nicht mehr möglich sein wird, dass man in einem Land wie Thüringen in die zwölfte Klasse versetzt wird, aber nach Schulabgang weder einen Realschul- noch einen Hauptschulabschluss hat.
A. Schavan: In der allgemeinen Beschreibung gibt überhaupt es keinen Dissens. Wichtig ist aber, dass eben auch überprüft wird zwischen den Ländern, ob die Bildungsstandards eingehalten werden und damit die Differenz von bis zu zwei Schuljahren in Deutschland nicht mehr länger hingenommen wird.
E. Bulmahn: Dass wir bundesweite Bildungsvergleiche benötigen, ist klar. Darauf habe ich bereits in meinem ersten Statement hingewiesen.
Moderator: Frau Schavan, Sie sprechen von "zwischen den Ländern". Wer soll die Standards festlegen – der Bund oder die Länder?
A. Schavan: Die Bildungsstandards müssen in einem Staatsvertrag zwischen den 16 Ländern vereinbart werden. Verbindliche Vereinbarungen können nur diejenigen treffen, die in den Ländern Verantwortung für die Umsetzung tragen. Der Bund kann in dieser Hinsicht keine wirklich verbindlichen Regelungen schaffen.
Moderator: Klaus Landfried, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, hat in einem Interview gesagt: Veränderungen bei den Hochschulen gibt es nur durch eine entschlossene Durchsetzung von oben nach unten. Brauchen wir nicht mehr zentrale Steuerung, um auf die internationale Entwicklung in Forschung und Bildung schneller reagieren zu können?
E. Bulmahn: Der Unterschied zwischen Frau Schavan und mir liegt an einer anderen Stelle: Ich halte es für zwingend notwendig, dass Bildungsstandards von Wissenschaftlern und Bildungspraktikern erwickelt werden. Bildungsstandards sind etwas völlig anderes als Rahmenlehrpläne oder Curricula. Die Qualität und die Wirkungskraft von Standards hängt entscheidend davon ab, wie sie entwickelt werden.
A. Schavan: Kanada zeigt, dass der Föderalismus der Motor für einen Wettbewerb um bessere Qualität ist. Das muss auch unser Weg sein. Die Antwort auf Pisa kann in Deutschland nicht mehr Zentralismus sein, sondern mehr Wettbewerb. Über die Beteiligung von Wissenschaftlern und Schulpraktikern bei der Erarbeitung von Wissensstandards gibt es überhaupt keinen Dissens zwischen uns, weshalb wir auch in Baden-Württemberg selbstverständlich darüber im Gespräch mit Wissenschaftlern und Schulpraktikern sind.
E. Bulmahn: Zu Herrn Landfried: Ich stimme Herrn Landfried an einigen Punkten zu. Ich konnte z.B. nicht darauf warten, dass Hochschulen selber das Besoldungsrecht so ändern, dass wir von einem altersorientierten zu einem leistungsorientierten Besoldungsrecht kommen. Deshalb haben wir dieses in einem Bundesgesetz beschlossen. Ebenso war es nötig, durch ein Bundesgesetz jungen Wissenschaftlern endlich die nötigen Freiräume für eigenständige Forschung und Lehre zu eröffnen, die sie auch in anderen europäischen Ländern haben. Trotzdem müssen die Hochschulen auch von den Landesregierungen deutlich mehr Selbständigkeit erhalten. Sie sollten budgetierte Haushalte haben und selber über ihre innere Organisation entscheiden können. Für Studiengänge tragen sie jetzt schon die Verantwortung. Ich unterstütze die Hochschulen finanziell bei der Einführung internationaler Studiengänge.
Moderator: Frau Schavan, ihre Meinung dazu?
A. Schavan: Über das Ziel der Dienstrechtsreform waren sich alle Parteien einig. Über die Notwendigkeit von mehr Orientierung an der internationalen Wissensgesellschaft auch. Über eine frühere Selbständigkeit junger Wissenschaftler nicht weniger. Aber es ist doch unbestritten, dass die Stimmung an den Hochschulen schlecht ist und viele junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mit den neuen Regelungen keine neuen Perspektiven für sich sehen, ihnen viel mehr Arbeitslosigkeit droht. Im Blick auf mehr Selbständigkeit für die Hochschule und im Blick auf Budget und innere Organisation gibt es keinen Dissens.
E. Bulmahn: Warum hat es denn die CDU nicht bereits vor 10 Jahren gemacht?
A. Schavan: Jürgen Rüttgers hat doch mit der Einführung der int. Studiengänge begonnen! Das ist doch nicht Ihre Erfindung. Die letzte Hochschulgesetznovelle der damaligen Regierung hat wesentliche Schritte zu weniger Bürokratie und mehr Selbständigkeit ermöglicht. Das ist schlicht Wahlkampf!
E. Bulmahn: Jürgen Rüttgers hat alle wichtigen Reformen nicht angepackt. Dazu gehört die Reform des Besoldungsrechts, dazu gehört die Stellung des wissenschaftlichen Nachwuchs, dazu gehört die Reform des BAföGs, dazu gehört die Nachwuchswissenschaftlerförderung, die ich nicht nur um 46% erhöht habe, sondern auch umgestaltet habe in Richtung Eigenständigkeit/Selbständigkeit. Heute ist Chancengleichheit kein frommer Wunsch mehr, sondern konkretes Ergebnis unserer Politik. Sie hatten BAföG in Grund und Boden gewirtschaftet, heute erhalten wieder 650.000 Schüler und Studierende die notwendige finanzielle Unterstützung, um Bildungschancen wahrnehmen zu können.
A. Schavan: Die Stellung des wissenschaftlichen Nachwuchses wird durch Ihre Reform nicht besser werden. Und das Meister-BAföG, das im Bereich der beruflichen Bildung bedeutsam ist, wurde von J. Rüttgers eingeführt.
Moderator: Klaus Landfried fordert weitere Verbesserungen beim BAföG. Der Zuverdienst ist seiner Ansicht nach zu sehr eingeschränkt. Was werden Sie hier tun?
E. Bulmahn: Das MeisterBAföG wurde auf Antrag der Länder Niedersachsen u.a. über eine Bundesratsinitiative geschaffen. Wir haben das Meister-BAföG ebenfalls auf Vordermann gebracht in dieser Legislaturperiode mit dem Ergebnis, dass sich bereits nach einem Jahr die Antragstellerzahl um 145% erhöht hat, weil aus einem Minimeister-BAföG eine richtige Hilfe geworden ist.
A. Schavan: Klaus Landfried sagt zu Recht, dass Hochschulfinanzierung und Studienfinanzierung eine stabile langfristige Finanzierung brauchen. Da wird vermutlich nicht einfach die Weiterentwicklung des BAföGs reichen. Aus allen Parteien gibt es Stimmen die nach einem überzeugenden Gesamtkonzept rufen: Peter Glotz in der SPD, die Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen, u.a. Ich bin davon überzeugt: Die Zukunft liegt nicht beim BAföG, sie liegt in mehr Möglichkeiten für unsere Hochschulen, neue eigene Einnahmen zu haben und dauerhaft zu einer Verbindung von Stipendien, Darlehen und Studiengebühren zu kommen. Das ist auch sozial gerechter.
Moderator: Dazu passt eine Frage von Tschuk: Wie wird es in Zukunft mit den Studiengebühren aussehen?
E. Bulmahn: Zu Ihrer Information: wir haben erstens parallel zum BAföG ein Darlehensprogramm für die Studierenden eingerichtet. Das ist das sog. Bildungsdarlehen, das von Studierenden auch sehr gut angenommen wird. Studiengebühren ab dem ersten Semester lehnen wir klar ab, weil sie sozial ungerecht sind. In Österreich erleben wir gerade, mit welchen katastrophalen sozialen Folgen die Einführung von Studiengebühren einhergeht.
A. Schavan: Jetzt finanzieren diejenigen mit kleinen Gehältern die Studienplätze derjenigen, die später in der Regel besser verdienen. Der Anteil der Studierenden aus einkommensschwachen Familien ist in Deutschland bislang so gering, wie kaum irgendwo. Deshalb sollten wir jetzt unkonventionelle Vorschläge in den nächsten Jahren diskutieren, die an internationalen Erfahrungen orientiert sind. Da darf es keine Denkverbote geben.
E. Bulmahn: Der Anteil der Studierenden aus einkommensschwachen Familien ist deshalb so gering wie nirgendwo, weil sie 16 Jahre das BAföG in Grund und Boden gewirtschaftet hatten. Seit der Reform des BAföGs ist der Anteil der Studierenden aus Arbeitnehmerfamilien wieder stark gestiegen (über 91.000).
A. Schavan: Natürlich darf die Möglichkeit zum Studium nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen, und genauso wichtig ist, dass die Finanzlage der Hochschulen stabile Perspektiven braucht.
Moderator: Frau Schavan, Sie sind für Studiengebühren, erklären Sie doch mal, warum es der Qualität der Abschlüsse helfen soll, wenn ich Studiengebühren zahle?
A. Schavan: Über Studiengebühren rede ich ausschließlich im Zusammenhang mit einem umfassenden Bildungsfinanzierungskonzept, das auch z.B. Stipendien vorsieht. Das geht nicht von heute auf morgen. Aber alle Fachleute quer durch die Parteien sind sich einig darin, dass auch im Blick auf Konzepte der Hochschulfinanzierung wir den Wettbewerb unserer Hochschulen in der internationalen Wissensgesellschaft stärker berücksichtigen müssen. Es wird doch wohl niemand behaupten, dass in allen Ländern mit entsprechenden Konzepten katastrophale soziale Verhältnisse an den Hochschulen herrschen.
E. Bulmahn: Liebe Frau Schavan: als Bundesministerin muss man entscheiden. Was wollen Sie statt BAFÖG und Bildungskredit?
A. Schavan: Liebe Frau Bulmahn, dazu habe ich ab dem 23. September genug Zeit.
E. Bulmahn: Sicherlich nicht.
Moderator: raphaelrm fragt: Frau Dr. Schavan, mit der Oberstufenreform in Baden-Württemberg soll ein Schuljahr verkürzt werden. Doch ein Jahr früher Abi bringt doch nichts, wenn man 12 Semester studieren muss! Was möchten Sie tun, um die Effizienz der Hochschulen zu gewährleisten!
A. Schavan: In Baden-Württemberg sind Hochschulreformen in den letzten Jahren bereits umgesetzt worden, die zu einer deutlichen Stärkung des Studiums in der Regelstudienzeit führen und damit zu mehr Effizienz. Wir brauchen generell einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Lebenszeit junger Menschen. Das betrifft Schule und Hochschule. Auch hier sollten wir uns an internationalen Maßstäben orientieren. Es wäre gut gewesen, das Abitur nach 12 Jahren zum Zeitpunkt der Deutschen Einheit in allen 16 Ländern einzuführen.
E. Bulmahn: Eine entscheidende Verbesserung der Lehre und damit auch eine bessere Studierbarkeit in der Regelstudienzeit wird dadurch erreicht, dass nach dem Bundesgesetz in Zukunft die Lehre regelmäßig evaluiert werden muss und die Evaluierungsergebnisse sich auf die Besoldung auswirken werden.
Moderator: web worker fragt: Was halten Sie davon, die Studenten eine Evaluierung durchführen zu lassen.
A. Schavan: Zur Evaluierung gehören ganz gewiss auch Rückmeldungen der Studierenden. Souveräne Dozenten praktizieren das schon heute.
E. Bulmahn: Die Studierenden werden an der Evaluierung beteiligt (nach der Begründung des Bundesgesetzes).
Moderator: Die Zahl der deutschen Studienanfänger ist im internationalen Vergleich gering. Wie soll es denn nun weitergehen? Vielen den Zugang zum Studium ermöglichen oder lieber einer kleinen Elite?
E. Bulmahn: Die Zahl der Studienanfänger ist glücklicherweise in den letzten vier Jahren um knapp 5% gestiegen, so dass wir jetzt bei 32,4% eines Jahrgangs liegen. International liegen wir damit aber deutlich immer noch unter dem Durchschnitt. Deshalb werden wir in unseren Anstrengungen auch nicht nachlassen, Jugendliche besonders auch für ingenieurswissenschaftliche und naturwissenschaftliche Studiengänge zu motivieren, denn hier hatten wir in den 90er Jahren einen dramatischen Einbruch, jetzt wieder eine deutliche Zunahme. Aber eben ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau.
A. Schavan: Es ist unbestritten, das es nicht nur um die kleine Elite geht. Die brauchen wir allerdings auch. Beim internationalen Vergleich der Zahlen müssen auch die qualifizierten Abschlüsse unseres Bildungswesens berücksichtigt werden. Sie tragen im internationalen Vergleich wesentlich bei zu einem vergleichsweise gutem Übergang zwischen Ausbildung und Beruf. Steigerungsraten n den Hochschulen brauchen wir vor allem im Bereich der Naturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften. Dazu braucht es allerdings eine stabile naturwissenschaftliche Ausbildung in den Gymnasien. Solange es in vielen Bundesländern reicht, mit einer Naturwissenschaft Abitur zu machen, werden die Zahlen kaum besser werden.
Moderator: Von AKDemika kommt die Frage aus unserer User-Debatte bei Wahlthemen.de. Ich denke, Sie geht an beide Ministerinnen: Was wird unter Ihrer Regierung mit der Junior- Professur geschehen? Wenn sie beibehalten werden soll: Ist es zu begrüßen, wenn die Hochschulen aus Kostengründen volle Lehrstühle in Junior-Professuren umwandeln? Vielleicht Frau Bulmahn zuerst?
E. Bulmahn: Die Juniorprofessur ist ein klarer Erfolg. Viele exzellente Wissenschaftler, im Übrigen auch aus dem Ausland, haben sich auf diese Stellen beworben. Deshalb wird dieser Karriereweg auch ein Erfolg bleiben. Die Hochschulen entscheiden selber, in welcher Zahl sie Juniorprofessuren einrichten. Die Juniorprofessur ersetzt nicht die lebenslange Professur, sondern den bisherigen Assistenten.
A. Schavan: Die Juniorprofessur wird beibehalten im Fall eines Wahlsiegs. Sie wird in manchen Fachbereichen begrüßt. Aber wir werden auch wieder die Möglichkeit zur Habilitation schaffen. Vor allem im Blick auf die Vielfalt der Fächerkulturen (Geisteswissenschaften).
E. Bulmahn: Sie müssen diese Möglichkeit nicht neu schaffen, weil diese Möglichkeit geblieben ist. Die Habilitation stellt aber nicht mehr den Königsweg zur Professur, sondern in Zukunft muss das gesamte wissenschaftliche Werk bei einer Berufung berücksichtig werden.
A. Schavan: Das ist doch auch in der Vergangenheit so gewesen. Ob die Juniorprofessur in den Geisteswissenschaften zum neuen Königsweg wird, wird von vielen skeptisch beurteilt.
E. Bulmahn: In de Ingenieurwissenschaften ja, auch in einigen Naturwissenschaften, in den Rechtswissenschaften und Geisteswissenschaften nein.
Moderator: Frau Bulmahn, Frau Schavan, die Stunde ist schon fast vorbei. Zum Abschluss: Wenn Sie Bundesbildungsministerin bleiben oder werden, um wieviel Prozent werden Sie den Etat für Bildung und Wissenschaft in den ersten beiden Jahren nach der Wahl steigern? Frau Bulmahn bitte zuerst.
E. Bulmahn: Ich habe es seit 98 geschafft, den Etat um knapp 30% zu erhöhen, das ist doch auch ein guter Maßstab für die Zukunft. Zur Erinnerung: in den davor liegenden Jahren wurde der Etat gekürzt.
A. Schavan: Sie wissen sehr wohl, das in den 90er Jahren die Kosten der Deutschen Einheit Priorität hatten. In den nächsten Jahren haben Bildung und Wissenschaft Priorität in den Ländern und im Bund. Der Blick auf die Länder zeigt, dass die Spitzenreiter bei den Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen Baden-Württemberg und Bayern sind und diese Priorität wird dann auch auf den Bund übertragen (zur Erinnerung: 41,6% aller Ausgaben im Landeshaushalt Baden-Württemberg gehen in Bildung und Wissenschaft).
E. Bulmahn: Frau Schavan, das ist eine Ausrede. Wir haben die Neuverschuldung verringert gegenüber der alten Bundesregierung, den Haushalt konsolidiert, und trotzdem die Ausgaben für Bildung und Forschung um knapp 30% erhöht. Auch die vorherige Bundesregierung hätte sich klar für Bildung und Forschung entscheiden können wenn sie es denn gewollte hätte.
Moderator: Frau Schavan, noch eine Gegenrede?
A. Schavan: Wir verringern die Neuverschuldung in den beiden genannten Ländern auch seit Jahren und investieren jährlich dennoch mehr in Bildung. Im übrigen sind die Prognosen im Blick auf die Neuverschuldung des Bundeshaushaltes und Wachstum und Beschäftigung wohl kaum geeignet, als Erfolg gewertet zu werden.
Moderator: Liebe User, liebe Chat-Gäste! Unsere Chat-Zeit ist leider vorbei. Ich bedanke mich im Namen von tagesschau.de,
WAHLTHEMEN.DE und politik-digital.de für Ihre Teilnahme sowie die vielen Fragen und Kommentare. Herzlichen Dank an Frau Schavan und Frau Bulmahn! Wer Interesse hat, sich weiter auszutauschen, ist herzlich eingeladen, am Debatten-Forum zum Thema: "Jung oder Alt" bei WAHLTEHMEN.DE teilzunehmen, wo auch noch weitere Themen aus dem Bereich Bildung und Gesellschaft diskutiert werden. Einen schönen Tag noch!
tacheles.02-Spezial ist ein Format von tagesschau.de und politik-digital.de und findet im Rahmen des Debattenforums "WAHLTHEMEN.DE" statt, einem Projekt der Bundeszentrale für politische Bildung in Kooperation mit dem Zentrum für Medien und Interaktivität und politik-digital.de.