MDR: | Herzlich willkommen zum Wahl´99-Chat bei MDR ONLINE mit Karl-Heinz Kunckel, Spitzenkandidat der SPD Sachsen. |
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otti: | Hallo, KarlHeinzKunkel, was soll das bloss werden? |
otti: | KarlHeinzKunCKel natuerlich, Verzeihung. |
KarlHeinzKunckel: | Hallo Otti, alles wird gut. Geh zur Wahl. Das ist das beste, was du machen kannst |
pab: |
Herr Kunckel, um gleich mit den aktuellen politischen Geschehnissen zu beginnen: Wie schätzen Sie den Ausgang der Landtagswahl in Thüringen ein? |
KarlHeinzKunckel: |
herbe Enttäuschung, Haupteinfluss Bundespolitik, Sparen alleine ist kein Ziel, sondern Mittel. Wir müssen den Menschen beschreiben, wo wir hin wollen. |
otti: | KHK, sagst Du das auch all den anderen, die den Stift nicht für die SPD und nicht gegen sie in die Hand nehmen wollen? |
KarlHeinzKunckel: | Ja, das sage ich allen anderen. Es kann nicht nur SPD-Meinungen geben. |
kurtb: |
Herr kunckel, nach den Schlppen der SPD in den letzten Wochen sieht es auch für sie nicht gut aus. Wie lebt es sich mit der Aussicht, bald vielleicht nur noch 3. Kraft im Land zu sein? |
KarlHeinzKunckel: | Nicht gut. Ich kämpfe allerdings bis zum 19 und auch am 20. dreht sich die Welt weiter. |
pab: |
Womit erklaeren Sie sich die starke Position der PDS? Ist Ihnen hier nicht das Thema der "Sozialen Gerechtigkeit" einfach aus der Hand genommen worden? |
KarlHeinzKunckel: |
Nein, noch nicht. Unsere Wähler sind in Thüringen zu Hause geblieben. Aber wir müssen jetzt deutlich sagen, dass Sodlidarität und Gerechtigkeit unser Thema ist. Ohne diesen Wert ginge die SPD kaputt. Das ist mit mir nicht zu machen. |
augustbebel: |
Was stört Sie denn am Sparpaket der Bundesregierung? Kann es sein, dass der sächsische SPD-Export in die Bundesregierung, Schwanitz, die Ost.-Interessen im Kabinett nicht gut genug durchsetzen kann? |
KarlHeinzKunckel: |
Am Sparen stört mich nichts. Aber man muss den Menschen erklären, wofür man spart und dass die breiten Schultern nicht die Noten, sondern das Klavier tragen. Schwanitz ist ein hervorragender Mann. Seine Pressearbeit ist verbesserungsbedürftig. |
pab: | Wie laesst sich Ihrer Meinung nach der "Sturzflug der SPD", wie das Hamburger Abendblatt heute titelt, verhindern? |
KarlHeinzKunckel: |
Wir dürfen jetzt nicht wackeln und müssen die soziale Gerechtigkeit wieder in den Mittelpunkt rücken. Gelegentlich muss ein klares Wasser durch einen tiefen Stein. |
krischan: | Herr Kunckel, können Sie mir in drei Sätzen die Ziele Ihrer Politik in Sachsen nennen? |
KarlHeinzKunckel: |
Erstens: Beschäftigungspakt für mehr Arbeitsplätze. Zweitens: Maximal 25 Schüler in einer Klasse. Drittens: Frauen am Erwerbsleben beteiligen. Viertens: Wirklich autonome Hochschulen. Fünftens: Moderne Verwaltung ohne Bürokratie. |
kurtb: |
warum ist die bundespolitik ihrer meinung nach so wichtig für die landtagswahlen geworden? warum wird die Arbeit in den Ländern so wenig beachtet? |
KarlHeinzKunckel: |
Das Klima wird in den Hauptnachrichten-Sendungen 19 und 20 Uhr gemacht. Im Osten ist es noch nötig, die Funktion von Landespolitik zu erklären. Was kann das Land, was kann es nicht. |
krischan: | Warum nur 25 Schueler in einer Klasse? Wir waren 40 und es war wunderbar! |
KarlHeinzKunckel: |
Zum Fussballspielen sind 40 besser, zum Lernen sind 25 genug. 20 wären noch besser, aber das lässt sich leider im Moment nicht bezahlen. |
otti: |
Herr Kunckel, von den SPD-Wählern ist ein Drittel zu Hause geblieben. Entweder die SPD schafft es, diese Menschen wieder anzusprechen und zu überzeugen, oder die wählen das nächste Mal ganz was anderes. Gerhard Schröder verkörpert für viele den (Brioni-gestärkten) Schulterschluß mit den falschen Leuten. |
KarlHeinzKunckel: | Ich kaufe meine Anzüge bei Karstadt. Eine Hose, zwei Sakos 700 DM. |
kurtb: |
wie schaffen es ihrer meinung nach so viele Westler, wie biedenkopf und vogel, zu so beliebten landesvätern aufzusteigen? was machen die Politiker, die aus den ländern kommen, falsch? |
KarlHeinzKunckel: |
Diese Zeiten gehen langsam vorbei. Wir sind im Osten genauso gescheit wie unsere Landsleute im Westen. Vieles mussten wir lernen, manches gute, manches böse. Jetzt sprechen wir uns frei. |
augustbebel: |
Ist Kurt Biedenkopf nicht nur der beste PR-Arbeiter in eigener Sache und vielleicht auch unter den deutschen Ministerpräsidenten? Er redet immer von Innovation, handelt aber am Ende stets genauso konservativ wie die, die er kritisiert. Beispiel Schulpolitik, Hochschulpolitik, Leuchtturm-Förderung… Warum greifen Sie Biedenkopf nicht schärfer an? |
KarlHeinzKunckel: |
Sie haben völlig recht. Die Publicity ist deutlich besser als die Performance. Ich greife Kurt Biedenkopf in der Sache an, aber vordergründiges In-die-Waden-Beißen ändert nichts. Ohne überheblich zu sein: Der Typus der Politiker der Zukunft ist ein sachlicher, redlicher, ehrlicher. |
kurtb: | wie beurteilen sie die Regierungsarbeit der CDU? |
KarlHeinzKunckel: |
Nicht alles war falsch, aber schmerzlich ist, dass wir in sachsen nicht mehr die Lokomotive der neuen Länder sind. Das ist Moment Thüringen. Das muss sich ändern. Wir haben die besten Voraussetzungen, aber mit neoliberaler Wirtschaftspolitik funktioniert das nicht. |
pab: | Was halten Sie von der Aktion "Sachsen für Sachsen"? |
KarlHeinzKunckel: | Einige meiner Freunde haben die mit unterschrieben. Vielleicht läuft es jetzt auch aus dem Ruder. |
maximoff: | Nutzen Sie die neuen Möglichkeiten der Kommunikation durch das Internet? |
maximoff: | Waren Sie schon einmal in einem Chat oder ist dies hier Ihre erste virtuelle Diskussion? |
KarlHeinzKunckel: | Heute ist doch ein gutes Beispiel. Das ist nicht mein erster Besuch im Chat-room. |
maximoff: | Ein gutes Beispiel wofuer? |
KarlHeinzKunckel: | Ja, ein gutes Beispiel für die Möglichkeiten, die es im Internet gibt. |
maximoff: | Ich meinte: Nutzen Sie eMail zur Kommunikation, das WWW zur Recherche, etc…. |
KarlHeinzKunckel: |
Privat nein, dienstlich ja. Aber ich habe die Möglichkeiten zu Hause – der Kinder wegen. Ansonsten habe ich als Grafik-Sammler eine besondere Beziehung zu gutem Papier, auf das ich gerne mit Tinte schreibe. Jeder hat halt so seinen Splin. |
Nyx: |
Publicity und Performance klingt gut, aber verstehen die Wähler solche Begriffe auch? Mir scheint Medien und Politik sind in ihrer Kommunikationsweise generell einem nicht irrelevanten Anteil des Publikums "zu hoch".. was zu Verdrossenheit führt.. |
KarlHeinzKunckel: |
Nyx, da magst du recht haben. Also: Raus mit den Fremwörtern. Die öffentliche Darstellung ist besser als die tatssächliche leistung des Ministerpräsidenten. |
otti: |
Welchen Chancen haben Sie als sachlicher, redlicher, ehrlicher Landespolitiker, den Leuten reinen Wein einzuschenken (wie Eichel es versucht???) und trotzdem ein achtbares Wahlergebnis zu erreichen? Was sagen Sie den Menschen zur Vermögenssteuer, zum Subventionsabbau, zum demografischen Faktor in der Rentenpolitik? |
KarlHeinzKunckel: |
Was meine Chancen betrifft, kann ich noch nicht abschließend beurteilen, aber ich bleibe bei dieser Art, Politik zu machen. Vermögenssteuer bin ich dafür. Subentionsabbau, das muss man sich im Einzelnen ansehen. Forschung zu subventionieren, das ist nötig. Es ist schön, dass die Menschen immer älter werden. Das Problem ist, wir müssen beim Generationenvertrag bleiben – als eine wichtige Säule der Altersversorgung, aber es kann auch nicht sein, dass auf den Schultern eines Jungen zwei Rentner sitzen. |
Nyx: | Hmm.. immernoch zu hochdeutsch.. Wie wärs mit "Er redet viel, aber was er tut is nich besser als die andern.." *kicher* |
KarlHeinzKunckel: | Was hast du gegen hochdeutsch? Deutsch ist eine wunderschöne Sprache. |
KarlHeinzKunckel: | Übrigens: Es ist auch die Sprache, die ich am besten kann. |
Siegfried: |
Wie wäre es eigentlich mit einer Zweit-Stimmen-Kampagne für die Grünen, dann hätten sie doch nach der zu erwartenden Wahlschlappe gleich eine Erklärung für das schlechte Abschneiden? |
KarlHeinzKunckel: |
Ich stehe zu meinen Niederlagen – sollten sie eintreten. Ich suche keine Entschuldigung. Übrigens sind mir die Grünen sehr sympathisch, Gunda Röstel zum Beispiel. Aber ich brauche selbst jede Zweitstimme. |
augustbebel: |
Warum Sie immer so abweisend gegenüber der PDS? Im Punkt sozialer Gerechtigkeit muss sie doch viel verbinden. Und PDS-Spitzenkandidat Porsch war doch zu DDR-Zeiten kein Bonze, dem man auch heute nicht über den Weg trauen dürfte… |
KarlHeinzKunckel: |
Kein Bonze gewesen zu sein, genügt nicht. Im übrigen arbeiten wir im Landtag punktuell mit der PDS zusammen. Aber ein Projekt der Moderne ist mit dieser Partei gegenwärtig nicht zu realisieren – mit großen Teilen der CDU aber auch nicht. |
Nyx: |
Ich formuliere ja selbst so hochgestochen.. Muß man als Politiker rethorisch fähig sein die Sprach des jeweils zuhörenden Publikums zu sprechen? |
KarlHeinzKunckel: | Ich glaube, mann muss ich verständlich ausdrücken ohne auf die Breite seines Vokabulars zu verzichten. |
Schlegel: | Welche Auswirkungen hat das Sparpaket für Sachsen, besonders für die Landwirtschaft ? |
KarlHeinzKunckel: |
Es belastet neben der Agenda 2000 Bauern in "unwirtlichen" Gegenden ziemlich heftig. Vielleicht so etwa 50 Dm pro Hektar zusätzlich. Da muss man noch einmal darüber nachdenken. |
Nyx: |
Porsch war bei der SED, kaufte im Intershop und fährt heute Mercedes. Alles relativ. Steht übrigens im Chattranscript von vor einigen Tagen… |
Nyx: | Ab wann ist man Bonze? Was waren Sie damals? |
KarlHeinzKunckel: |
Ich war sicher kein Bonze. Bin das heute übringes auch nicht und will es auch nie werden. Ich war zu DDR-Zeiten Hochschullehrer, parteilos, aber kein Oppositioneller. Ich kann in den Spiegel gucken. |
MDR: | Wie lautet Ihre Wahlprognose für Sonntag? |
KarlHeinzKunckel: | Ich kämpfe bis zum Schluss. Es könnte aber so sein, dass es ähnlich wie 1994 ausgeht. |
otti: |
Hat nicht die PDS einen unheilbaren Erbschaden namens SED, setzt sie nicht mit ihren Lowlevel-Kampagnen gegen die SPD nur diese lähmende Nölerei auf anderer Ebene fort? |
KarlHeinzKunckel: |
Die PDS macht in Sachsen einen Wahlkampf gegen die SPD. Sie verkündet Ziele, die selbst von ihrer obersten Leitung als nicht bezahlbar eingestuft werden. |
Schlegel: | Was muss geschehen damit für sie die PDS eine "normale Partei" ist ? |
KarlHeinzKunckel: |
Sie muss klar und zweifelsfrei auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Das heißt u.a. der Zugang zur Macht erfolgt ausschließlich über Mehrheiten, nicht nach dem Prinzip der Betroffenheit. |
Siegfried: |
Wenn sie das nicht hinkriegen mit einem anständigen Wahlergebnis, dann steht doch wohl schon Tiefensee als neuer SPD-Spitzenmann bereit. Und wie man aus dem Leipzig Rathaus weiss, kann der ja mit der PDS, oder sehen sie das anders? |
KarlHeinzKunckel: |
Wolfgang Tiefensee gehört zu den großen Talenten der sächsischen SPD. Er wird noch eine große Zukunft haben. Im Moment will er das Amt des OB engagiert und mit Erfolg ausfüllen. Talentierte Politiker in den eigenen Reihen zu haben ist ein besonders gutes Gefühl. Auf kommunaler Ebene sage ich immer: Es gibt keine christdemokratische, keine sozialdemokratische und keine kommunistische Wasserleitung. sondern ein zu lösendes Problem. |
augustbebel: |
Zu Nyx: Das kann ja wohl nicht das Argument sein. Millionen waren in der SED, Millionen haben im Intershop eingekauft und wer kann (und will), fährt heute Mercedes. Sind die Leute in der Regel denn heute weniger angepaßt als zu DDR-Zeiten? Schön wäre es, aber… |
augustbebel: |
Warum ist so ein anerkannter Politikprofi und Sachkundiger wie der parteilose Geschichtsprofessor Bramke aus Leipzig bei der PDS und nicht bei Ihnen? Haben Sie nicht zu lange Leute, die sich in der DDR engagiert haben, zu schnell für unannehmbar erklärt? |
KarlHeinzKunckel: |
Ich habe das nicht erklärt. Wer sozialdemokratisch orientiert ist, ist bei mir herzlich willkommen. Das gilt für Herrn Bramke und für andere. |
Nyx: | ich wollte nur ein gespräch in der hinsicht ankurbeln. kann gut sein, daß ich genauso gehandelt hätte |
Schlegel: | Wie sollte sich ihrer Meinung nach die Hochschulen in Sachsen leistungsfähiger weden ? |
KarlHeinzKunckel: |
Sie brauchen in erster Linie Haushaltautonomie. Ich würde zwischen Staat und Hochschule Leistungsverträge abschließen, für eine Reihe von Jahren eine gesicherte Finanzierung anbieten und die Hochschulen selbst entscheiden lassen, wie sie das Geld zwischen personal und Sachkosten aufteilen. |
Nyx: | Andererseits, bei Herrn Porsch finde ich es etwas kurioser, denn er *hatte* ja die Wahl nicht in dem Lande zu leben |
Nyx: | ach egal |
KarlHeinzKunckel: |
Nach eigenem Bekunden wollte er in das Land mit marxistischer Orientierung und außerdem war er in eine DDR-Frau verliebt. Das kann ich nachempfinden. |
augustbebel: |
In dem MDR ONLINE-Porträt über Sie steht, dass Sie früher mit Biedenkopf lange Spaziergänge unternommen haben, um über Wirtschaft und Kultur zu plaudern. Stimmt das? Wenn ja, wie ist Ihr Verhältnis heute? |
KarlHeinzKunckel: | Ich meine das mit der Frau… |
KarlHeinzKunckel: |
Das mit den Spaziergängen ist richtig. Biedenkopf ist mein politischer Gegner, aber nicht mein persönlicher Feind. Auch heute ist mein Verhältnis zu ihm von diesem Grundsatz bestimmt. |
Schlegel: | Bei welchen Dingen sollte in Sachsen zuerst gespart werden ? |
KarlHeinzKunckel: |
Zum Beispiel gibt Sachsen um die 20 Millionen für seine "Botschaft" in Berlin aus. Ich glaube, so viel muss man nicht repräsentieren. |
otti: | Herr Kunckel, was sagen Sie den 50jährigen Dauerarbeitslosen, und was sagen Sie dem nölenden Rentner, dem nichts genug ist? |
KarlHeinzKunckel: |
Dem 50jährigen Dauerarbeitslosen möglicherweise mit niedriger beruflicher Qualifikation kann man nur noch im Sozialen helfen. Und so viele nölende Rentner habe ich nicht erlebt. Eigentlich ganz wenige nur. |
Schlegel: | Und in welchen Bereichen spart der Freistaat zuviel, oder wo sind noch Reserven ? |
KarlHeinzKunckel: |
Er spart zu viel bei der Finanzausstattung der Kommunen. Er spart zu viel bei der Zuwendung zum Mittelstand und er ist jetzt im Begriff, bei den Schulen zu sparen. Das ist eine Katastrophe. |
Absolutismus: |
Die Preise der Leipziger Trambahn sind in den letzten Monaten gehörig angestiegen. Vor einem Jahr kostete es noch wie in Rom, jetzt schon wie in München. Haben Sie zu solchen Alltäglichkeiten auch eine Meinung? |
KarlHeinzKunckel: |
Steigende Preise bei den öffentlichen Verkehrsmitteln sind eine Folge der unzureichenden Finanzausstattung der Kommunen. Den Kommunen steht das Wasser Oberkante-Unterlippe und sie sehen sich so genötigt, in die Taschen der Bürger zu greifen. Der Fehler wird aber nicht in den Kommunen gemacht, sondern beim Freistaat. |
augustbebel: |
Warum setzen Sie sich nicht öffentlich dafür ein, dass die Bundesregierung ein zweites Integrationsprogramm für Ost-Wissenschaftler auflegt. Viele Assistenten an den Hochschulen haben bei der Unmstrukturierung zumeist für West-Professoren geackert und verlieren nach dem Auslaufen der Zeitverträge ihre Arbeit. Der Effekt: Die Hochschulen sind immer westdeutscher dominiert und begabte und fleißige Ost-Leute stehen mit leeren Händen da. Ich kann Ihnen allein für die Uni Leipzig auf Anhieb drei Beispiele nennen. |
KarlHeinzKunckel: |
Wir haben uns in den vergangenen Jahren für Ost-Wissenschaftler, die keinen Deut schlechter sind als West-Wissenschaftler sind, eingesetzt. Das wird auch in Zukunft so bleiben. Ob man dazu ein neues Programm braucht, weiss ich im Moment nicht. |
Schlegel: | Woher sollte der Freistaat diese Geld nehmen um all diese Dinge zu finazieren ? |
KarlHeinzKunckel: |
Alles, was ich fordere, kostet nicht mehr Geld, sondern ist eine Frage der Umschichtung. Mehr Geld für die Kommunen heißt weniger im Freistaat. Mehr Geld für den Mittelstand heißt weniger für Leuchttürme. Das selbe gilt für Schulen. Das heißt bei sinkenden Schülerzahlen kleinere Klassen und keine Schulschließungen. Jedenfalls will ich keine größeren Schulden machen. Die muss zum Schluss ohnehin der kleine Mann bezahlen. |
reini: |
Herr Kunckel, wie stehen Sie zu den Plänen der Sächsischen Staatsregierung und der Mibrag, die Gemeinde Heuersdorf zugunsten des Braunkohle-Abbaus zu liquidieren? |
KarlHeinzKunckel: |
Unser Bekenntnis zur Braunkohle macht dies erforderlich. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass man sich um die Menschen in Heuersdorf kümmern muss. |
otti: |
Weil so viele Produktionsbetriebe perdu sind, reden viele von "Kolonie" etc.. Was kann die Landesregierung tun, um Lebenswirklichkeit und Lebensgefühl in Leipzig und in Braunschweig wenigstens in den Grundzügen in Gleichklang zu bringen? |
KarlHeinzKunckel: |
Die Angleichung der Lebensverhältnisse ist das zentrale Thema deutscher Innenpolitik. Lebensgefühle sollten allerdings unterschiedlich bleiben und eine neue Industrie-Landschaft aufzubauen, relativiert sich an der zu erwartenden Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft. Also Vorsicht: Wir brauchen neue Beschäftigungsfelder. |
reini: | Was meinen Sie mit: "..dass man sich um die Menschen in Heuersdorf kümmern muss? |
KarlHeinzKunckel: | Umsiedlung und bei der Neuansiedlung helfen – das meine ich damit. |
augustbebel: |
Gut, dann nenne ich Beispiele. Der Mittdreissiger Peter Geist musste von der Uni Leipzig gehen, weil seine Westprofessorin ihn nicht länger wollte. Er ist ein in Ost und West ausgewiesener Experte für DDR-Lyrik. Der Anfangvierziger Jürgen Schlimper flog jetzt auch von der Uni Leipzig. Er arbeitet an einer Geschichte der über 100 Jahre Leipziger Volkszeitung. Ihm haben selbst Referenzen aus Österreich, Holland und Israel nichts genutzt. An den Hochschulen läuft es so: Alles kommt von Macht. Macht kommt von Seilschaften. Alle anderen sind verloren, wenn sie nicht zufällige eine Feigenblattrolle spielen können. Zumindest für sozialwissenschaftliche Bereiche gilt das. |
otti: | August Bebel, grüße mir Wilhelm Bracke! |
KarlHeinzKunckel: |
Diese Fälle kann ich im Einzelnen nicht beurteilen. Und für DDR-Lyrik habe ich immer viel übrig gehabt. Und die Geschichte der LVZ interessiert mich auch. |
Siegfried: | Wie stehen sie eigentlich zur Emanzipation der Frau? |
KarlHeinzKunckel: |
Biedenkopf sagt: Die Arbeitslosigkeit ist in Sachsen deshalb so hoch, weil die Erwerbsneigung der Frauen so hoch ist. Das ist Mittelalter. Ich habe das meiner Frau gesagt, sie ist Ärztin, und sie hat nur mit dem Kopf geschüttelt. Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden. Das ist nicht einfach und auch nicht nur mit Politik zu erreichen. Aber es ist die Zukunft. |
reini: | Was würden Sie als Heuersdorfer machen? Würden Sie auch ihr Haus aufgeben und sich woanders ansiedeln lassen? |
KarlHeinzKunckel: | Ja. |
MDR: |
Vielen Dank an unseren Gast Herrn Karl-Heinz Kunckel und allen Teilnehmern in diesem Chat. Morgen 20 Uhr begrüssen wir an dieser Stelle Gunda Röstel, Spitzenkandidatin von Bündnis90/DieGrünen in Sachsen. Weitere Infos unter www.mdr.de. |
otti: | Vielen Dank auch, und …Tschüß. |