Moderator: Sehr geehrte Frau Tabatabai, herzlich willkommen im Chat von Cornelsen,
der Shoa Foundation und politik-digital. Wir freuen uns, Sie live von der
Bildungsmesse in Hannover begrüßen zu können. Das Thema
des Chats "Erinnern für Gegenwart und Zukunft" bezieht sich auf eine
gleichnamige CD-Rom und einen Schülerwettbewerb. Warum engagieren
Sie sich als Patin für diesen Wettbewerb?
JasminTabatabai: Ich glaube, ich müsste eher erklären, warum ich es nicht
täte. Jetzt mal im Ernst: Es ist für mich eine Selbstverständlichkeit….
und ich freue mich sehr, als Patin hier mitwirken zu dürfen
SK-Biene: Meine Frage an Jasmin: Sie sprechen 4 Sprachen, sind in zwei verschiedenen
Ländern aufgewachsen – Wo fühlen Sie sich zu Hause?
JasminTabatabai: In Berlin, wo meine Freunde sind. ich sehe mich auch als Deutsche,
bloß mit einem orientalischen Background…. home is where the heart
is.
hoetzle: Hallo Jasmin, warum bist du aus dem Iran nach Deutschland gekommen?
JasminTabatabai: Ich war auf der deutschen Schule und in der Revolutionszeit hat diese
zugemacht – wegen den Unruhen. Deswegen sind wir nach Deutschland, denn
sonst hätten wir ein Jahr verloren.
NCC1701: Kannst Du noch einmal erklären, was Du in dieser Organisation
für eine Position hast und was Du da machst?
JasminTabatabai: Ich bin Patin für den Schülerwettbewerb, der von der Shoah-Foundation
und dem Cornelsen Verlag ausgerufen wurde. Meine Aufgabe heute ist es mit
Euch zu chatten und möglichst viele Jugendliche, also Euch, für
diesen Wettbewerb zu gewinnen.
SK-Biene: Würden Sie sagen, dass man als prominente(r) Künstler(in)
eine Vorbildfunktion haben kann und muß?
JasminTabatabai: Keine Ahnung ob ich zum Vorbild tauge 🙂 aber auf jeden Fall hat man
eine besondere Verantwortung wenn man in der Öffentlichkeit steht
– in welcher Form auch immer.
marla: Haben sie jemals Ausländerfeindlichkeit selbst erlebt?
JasminTabatabai: Ja, wenn auch eher in subtiler Form. Da ich aktzentfrei deutsch spreche,
werde ich oft nicht als "Ausländer" erkannt. Ich hab aber auch schon
mal 9 Monate auf einen neuen Personalausweis gewartet, weil der Beamte
mir erzählen wollte, dass ich gar keine Deutsche bin.
joe: Hallo Frau Tabatabai! Würden Sie Deutschland als ausländerfeindliches
Land bezeichnen? Auch im Vergleich mit anderen Ländern…
JasminTabatabai: Nein, überhaupt nicht. Ich wünsche mir nur manchmal, die
Deutschen würden sich selber mehr lieben… und ich meine damit kein
dumpfes "ich bin stolz ein doitscher zu sein" oder so’n kack. Sondern ein
gesundes liebevolles Verhältnis zu dem Land, in dem ich lebe. Es gibt
auch viele schöne Sachen an Deutschland.
Moderator: Zum Engagement:
rockstar: Viele Künstler engagieren sich gegen rechts. Das finde ich klasse!
Aber hast du nicht manchmal Angst, gerade dann Zielscheibe von rechten
zu werden?
JasminTabatabai: Nö, ich habe vor diesen Dumpfbacken keine Angst. es gibt schließlich
genügend vernünftige Deutsche.
h-o: Du machst ja auch Musik. In deinen bisherigen Songs hast du das Thema
Ausländerfeindlichkeit bisher noch nicht aufgegriffen. Könntest
Du dir vorstellen, eine extra eine Platte mit Liedern "gegen Rassismus"
zu machen, evtl. mit anderen Leuten zusammen und auf die Einnahmen aus
dem CD-Verkauf zu verzichten?
JasminTabatabai: Ja, natürlich.
susy: ..vielleicht mit der Besetzung von BANDITS…?
Moderator: Gibt es da konkrete Planung?
JasminTabatabai: Ich werde die Mädels mal fragen, wenn ich sie wieder sehe.
Moderator: Vielleicht noch mal ganz grundsätzlich zum Thema:
Schuelerzeitung: Worum handelt es sich bei diesem Wettbewerb?
JasminTabatabai: Es ist ein Wettbewerb mit dem alle angesprochen sind. Egal ob mit einer
Website, mit einem Song, mit einem Film oder mit einem Aufsatz, einer Fotoreportage…und
und und – was immer euer gewünschter Output ist. Es sollte nur um
das Thema Toleranz und Respekt zwischen allen Menschen. Egal was ihre Herkunft
oder ihr Beruf ist.
Frankie: Was meinen Sie persönlich, wodurch Ausländerfeindlichkeit
entsteht?
JasminTabatabai: Ich glaube, Intoleranz und Hass entsteht immer durch Angst. und Unwissenheit.
Wenn ich meinen Gegenüber nicht kenne, ist es für manche Menschen
leichter ihn abzulehnen, als zu versuchen ihn zu verstehen.
hoetzle: Wie verhältst du dich, wenn in deiner Nähe jemand ausländerfeindlich
behandelt wird oder diskriminiert wird, z.B. in der U-Bahn?
JasminTabatabai: Auf jeden Fall einschreiten. Auf gar keinen Fall wegsehen und schweigen.
und wenn es nur ist, dass man die Polizei ruft.
Moderator: Waren Sie schon mal in einer solchen Situation?
JasminTabatabai: Nicht in einer U-Bahn, und nicht mit Verprügeln oder so. Aber
ja, klar, habe ich eine solche Situation schon erlebt.
akiju: Wo fängt deiner Meinung nach die Ausländerfeindlichkeit an?
JasminTabatabai: In dem Moment, wo ich einen Menschen nicht als Mensch, sondern als
Ausländer, Homosexuellen, etc. irgendwie "anders" behandle.
h-o: Im Osten Deutschlands gilt Ausländerfeindlichkeit (z. B. unter
arbeitslosen Jugendlichen) als besonders weit verbreitet. Mit welchen Maßnahmen
könnte man am ehesten dagegen vorgehen?
JasminTabatabai: Ich glaube, dass diese CD-ROM ein sehr guter Anfang ist. weil die Geschichte
hier nicht nüchtern und sachlich, mit abstrakten Zahlen und Daten
erzählt wird, sondern als persönliche erlebte Geschichte. Auf
mich macht so was jedenfalls viel mehr Eindruck als jeder Aufsatz aus Geschichtsbüchern.
akiju: Meinst du nicht, dass wir nicht alle ab und zu dazu tendieren zu diskriminieren?
JasminTabatabai: Klar. Um so wichtiger ist es, uns dessen bewußt zu werden. Die
jüngere Geschichte Deutschlands mit allen Verbrechen, die begangen
wurden, ist doch auch eine Chance für uns, die Jüngeren, aus
den Fehlern zu lernen und dafür zu sorgen, dass so etwas wenigstens
in unserem eigenen Land nie wieder passieren darf.
Moderator: Kommen wir mal zu dem Thema "Medien":
joe: Was könnte man mit Hilfe der Medien für ein offenenes, multikulturelles
Deutschland tun?
JasminTabatabai: Auch hier gilt: Nicht wegschauen, sondern dagegenhalten. Ich hoffe
sehr, dass der allgemeine Aufschrei im Sommer letzten Jahres und die ganzen
Aktionen gegen Ausländerfeindlichkeit, nicht nur eine Modeerscheinung
waren, um dass Sommerloch zu stopfen, sondern dass es weitergeht.
Schuelerzeitung: Welche "Neue Medien" nutzen Sie, sehr geehrte Frau Tabatabai?
JasminTabatabai: Das Internet zum Beispiel. Es ist ein tolles Medium. es bringt die
Welt näher zusammen, sozusagen ins Wohnzimmer. Ich liebe meinen Computer
und finde, dass CD-ROMs und DVDs ganz tolle neue Erfindungen sind.
Moderator: noch mal zu den Medien:
Floh: Ist das Thema "Rassismus" und "Holocaust" und dessen Bekämpfung
vielleicht zu uninteressant für die Medien? (Nachrichten ausgenommen)
JasminTabatabai: Ich glaube nicht. Vielleicht ist es eher zu brisant. Sicher, wenn ich
lieber langweiligen Leuten im Container zusehe, als einem Zeitzeugen 5
Minuten zuzuhören, dann ist mir auch nicht mehr zu helfen. Ich persönlich
finde die deutsche Geschichte jedenfalls gar nicht uninteressant, sondern
sehr spannend.
joe: Die Deutschen haben oft ein "Problem" mit ihrer Vergangenheitsbewältigung.
Wie haben Sie das selbst im Geschichtsunterricht in der Schule erlebt?
JasminTabatabai: Ehrlich gesagt habe ich mich im Geschichtsunterricht eher gelangweilt.
Alles sehr theoretisch. Ich wüünschte, ich hätte damals
diese CD-ROM gehabt – das wäre wesentlich spannender gewesen.
lippe: Sie sind bisher kaum in politischen Rollen aufgetreten. Warum glauben
Sie, hat man Sie für das Shoah-Projekt ausgewählt?
JasminTabatabai: Vielleicht, weil ich als Halb-Iranerin, Halb-Deutsche für ein
"multikulturelles" Deutschland stehe. Eigentlich mag ich das Wort "multikulturell"
gar nicht so, weil es mir zu wollsockig klingt, aber wir haben halt kein
besseres. Vielleicht wäre das doch eine Idee für den Wettbewerb:
"Erfindet ein cooleres wort für ‘multikulti’".
NCC1701: Wie wäre es mit "Metakulturell"
JasminTabatabai: "Metakulturell" ist gut, aber klingt sehr theoretisch.
Lippe00: Glauben Sie, dass Filme wie „Gripsholm“ einen Beitrag zur politischen
Toleranz leisten können?
JasminTabatabai: Zumindest ist es eine Auseinandersetzung mit einem der größten
deutsch-jüdischen Autoren und sein Leben in genau dieser Zeit, wo
der Nationalismus an die Macht kam.
BattleofEvermore: Ist es deiner Meinung nach wichtiger an Vergangenes zu gedenken oder
vielmehr eine Basis für die zukünftigen Generationen zu schaffen?
JasminTabatabai: Du kannst eine Basis nur schaffen, wenn du weißt, wer du bist.
und um zu wissen, wer du bist, mußt du deine eigene Geschichte kennen.
Es geht hier nicht um Schuld und Scham. Natürlich ist kein Deutscher
aufgrund seiner Herkunft schuldig. Aber wir haben nun mal eine ganz spezielle
Geschichte und es ist sehr wichtig, dass wir uns damit auseinander setzen,
dass wir sie auch annehmen. . Sonst laufen wir Gefahr, wieder die selben
Fehler zu machen. Wenn wir unsere Vergangenheit richtig verarbeitet hätten,
hätten wir heute das Problem mit den Neonazis nicht. Dann wären
seit 1990 nicht 93 Menschen an Folgen von rechtsradikalen Übergriffen
gestorben und würde die CDU auch keine Wahlen gewinnen – mit
Kampagnen gegen die doppelte Staatsbürgerschaft oder absurden Diskussionen
um Schwachsinnsbegriffe wie "Deutsche Leitkultur."
Lippe00: Wird Ihre Rolle als Patin des Schülerwettbewerbs Einfluss haben
auf die Rollen, die Sie in Zukunft spielen werden, d. h. werden Sie darauf
achten, dass diese mit Ihrer Funktion hier vereinbar sind?
JasminTabatabai: Ich werde weiterhin die Rollen spielen, die ich mit meinem Gewissen
vereinbaren kann.
Uta: Wie sind Sie dazu gekommen gegen rechte Gewalt tätig zu werden?
War es aus eigener Initiative?
JasminTabatabai: Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, meine Position
als "öffentliche Person" dazu zu nutzen gegen rechtes Gedankengut
vorzugehen. Ich lebe sehr gerne in Deutschland und habe vor, es auch
noch eine ganze Weile zu tun. Es gibt mehr als genügend Deutsche,
die weltoffen, klug und tolerant sind. Und ich weigere mich, das Feld für
eine kleine, unverbesserliche, dumme Minderheit zu räumen, die alten
Zeiten nachtrauern.
joe: Einer Ihrer Dozenten sagte: "Mit diesem Namen bekommst Du nur Ausländerrollen."
Sind diese Rollen in Film und Fernsehen zu klischeehaft besetzt?
JasminTabatabai: Ich drehe seit mittlerweile 10 Jahren in Deutschland filme und werde
nicht als Ausländerin eingesetzt. Ich glaube, dass spricht für
das Land, in dem ich lebe.
Stan: Wenn Sie Kinder hätten, würden Sie diese nach deutschen oder
iranischen Maßstäben erziehen?
JasminTabatabai: Von beidem das beste. Hauptsache lieb haben.
LutzBusse: Wie beurteilen Sie linke Gewalt ?
JasminTabatabai: Finde ich auch scheisse – ebenso wie Gewalt Kindern oder Frauen gegenüber.
rockstar: Meinst du nicht, dass die rechtsradikalen Gedanken vieler Jugendlicher
nur eine Art Ventil für Unzufriedenheit mit diesem Staat sind und
weniger mit der Vergangenheit zu tun haben?
JasminTabatabai: Ja, das mag sein, dass viele gar nicht wissen, mit was für einem
Feuer sie da spielen. aber es ist auch falsch, das alles als "dumme-Buben-Streiche"
abzutun… Meine Oma erzählt, das hat vor 60 Jahren auch so angefangen
– "dumme-Buben-Streiche". Naja, von den Auswirkungen hat sich die Welt
und vor allem Deutschland bis heute nicht erholt. Das ist ja genau der
Trick der Nazis. Sie arbeiten mit der Unzufriedenheit und dem Hass der
Unwissenden. Aber gerade in Deutschland haben wir ja gesehen, wozu das
führt, also haben wir doch auch die Chance, es besser zu machen.
Moderator: noch zwei Fragen?
JasminTabatabai: Klar.
Lippe00: Sie sagen in einem Interview mit „Der Welt“, dass Sie im Umgang mit
Menschen sehr vorsichtig, fast misstrauisch, sind. Ist dieses Verhalten
auf schlechte Erfahrungen zurückzuführen oder sind auch Sie nicht
frei von Vorurteilen?
JasminTabatabai: Ich glaube, ich bin eher ein im Privatleben schüchterner Mensch,
der nicht gleich jedem um den Hals fällt. So war das gemeint.
Moderator: Und zum Schluss:
Frankie: Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
JasminTabatabai: Ich drehe im April einen neuen Film mit Jürgen Vogel und Meret
Becker. Und arbeite parallel fleißig an der Fertigstellung meines
neuen Albums. 6 Songs hab ich schon fertig, also Daumen drücken.
Moderator: Eine interessante Frage gibt es noch:
Verena: Meinst du, unsere Gesellschaft wäre in der Lage, auf die rechtsradikalen
Zeiten zurückzufallen?
JasminTabatabai: Ich glaube, jede Gesellschaft ist potentiell dazu in der Lage. Auch
heute hier bei uns. Bloß wären es heute wahrscheinlich nicht
mehr die Juden, die verfolgt würden, sondern eine andere Minderheit.
Wir sollten uns nie blind auf einen Staat verlassen. Denn auch damals war
es ein Staat, ein rechtmäßig gewählter, der das alles angeordnet
hat. Wir sollten immer in unser Herz blicken und versuchen, eher die Gemeinsamkeiten
zu entdecken als die Unterschiede. Wir sind schließlich alle Menschen.
Moderator: Ein gutes Schlusswort ;-))
Moderator: Liebe Jasmin Tabatabai, im Namen des Cornelsen Verlags, der Shoa Foundation,
politik-digital und natürlich aller User: herzlichen Dank für
den spannenden Chat. Leider konnten nicht alle fragen beantwortet werden,
vielleicht chatten Sie ja mal wieder? Wir wünschen weiterhin viel
Erfolg bei ihrer Arbeit und bei ihrem Engagement gegen rechte Gewalt und
Intoleranz. Das Protokoll des Chats wird bei Cornelsen nachzulesen sein.
Dann bis bald….
JasminTabatabai: Ich danke euch für eure Teilnahme und hoffe, viele werden an dem
Wettbewerb teilnehmen. Alles liebe und gerne wiederholen wir das Ganze.
Tschüß.
suffertom: HELLO FROM AMERICA JASMIN!!!!!!!!!
JasminTabatabai: Hello back.
Verena: Ich drücke dir für dein neues Album und deine Zukunftspläne
ganz fest die Daumen… auch im Sinne anderer Fans !!:) Jasmin,
geh mal auf funny-fan.de
JasminTabatabai: funny-fan ist cool. Kenn ich.
chrissie: DANKE!
Kata: Ich wünsche dir noch einen schönen Tag in Hannover
JasminTabatabai: Tschüß, jetzt aber wirklich. Mein Zug geht.