Wenige Minuten vor der Ausstrahlung der Sendung “Willy Brandt – Der Visionär” nimmt
der Vater der ZDF-Serie “Die Kanzler” in diesem BOL-Chat Stellung zu seinem
gleichnamigen Buch. (27. April 1999)

Philipp:
Herr Knopp, welcher von den sechsen ist Ihr Lieblingskanzler?
GuidoKnopp:
Eindeutig Helmut Kohl, denn der hat die Geschichte am Überraschendsten verändert!
adenauer:
Wird Schröder in der Kanzlergalerie auch einmal ganz vorne stehen oder ist er nur ein Übergangskanzler?
GuidoKnopp:
Schröder muß noch ein bißchen üben und ein paar harte Wochen zusätzlich
verdauen, bis er die nötige Abhärtung für die Historie erfahren darf!
nicola99:
Werden unsere politiker, gutes Beispiel unser aktuelle Kanzler nicht
immer medien-charismatischer und benutzen dhnlich wie Clinton die
Medien wie TV, Internet um Mehrheitsfaehige Themen und nicht ihre
politik zu machen_
GuidoKnopp:
Völlig richtig, Nicola. Der Wähler muß nur wissen, wo hinter all dem
Mediendunst der harte Kern der Politik steckt. Das braucht etwas Übung
für uns alle!
Moderator:
dh qwir aollten
Moderator:
dh wir sollten ihre Buecher kaufen? smile
GuidoKnopp:
Das ist nie verkehrt!
WolfgangClement:
Wann kommen Sie mit einer Reihe |ber die gescheiterten
SPD-Spitzenkrdfte a la “Die Versager- die SPD und ihre Kandidaten”
(Lafontaine, Engholm etc.)
GuidoKnopp:
Aber ich empfehle auch die Fernsehsendungen!
Moderator:
oh, ich vergaß. Sorry – dabei bin ich doch Stammseher…
GuidoKnopp:
Das überlasse ich wohl besser den Dritten Programmen der ARD.
Moderator:
also wird es da kein Buch von Ihnen geben?
GuidoKnopp:
Nein
Ben_B:
Überhaupt: was unterscheidet das Buch von der ZDF-Serie?
Ben_B:
Einfach mehr Fakten und Dokumente? Oder eine ganz andere Perspektive zum Thema?
GuidoKnopp:
Fernsehen macht Geschichte sinnlich erfahrbar. Es zeigt die Atmosphäre
einer Zeit. Das Buch zum Film kann das Gesehene vertiefen, ergänzen,
erweitern. Beides zusammen genommen ist die beste Information.
adenauer:
Mit Ihren Dokumentationen habe Sie bewiessen, wie sich trockene
Geschichte plastisch und massenattraktiv via TV erzählen läßt. Kann so
etwas auch im Internet funktionieren?
GuidoKnopp:
Das wäre mein Traum. Ich hoffe auf interaktive Chatrooms, in denen wir
in Zukunft vor einem Massenpublikum historische Themen im
demokratischen Diskurs behandeln können.
Ben_B:
Wie erklären Sie sich denn diese Kohl-Euphorie, wo doch während seiner
Amtszeit über Jahre keiner mehr mit dieser Regierung zufrieden war?
GuidoKnopp:
Der Mensch vergißt sehr schnell. In der Erinnerung an Helmut Kohl
bleibt heute vor allem das Jahr der Einheit – als Bilanz seiner
Regierungszeit. In den entscheidenden zwölf Monaten hat Kohl zumindest
außenpolitisch alles richtig gemacht.
adenauer:
Kann Schäuble 2002 nächster Kanzler werden?
GuidoKnopp:
Ich glaube nicht. Eher wählt die Union Stoiber als Kandidaten.
WolfgangClement:
Wird es denn die CDU beim der naechsten Wahl schaffen die rot-gruene
Mehrheit zu verdreangen? Wie wahrscheinlich sind vorgezogenen Neuwahlen?
GuidoKnopp:
Eher brechen die Grünen aus, Schröder holt die FDP an Bord, und wenn
die Arbeitslosenzahl dann auch noch unter drei Millionen sinken sollte,
wird es eng für die Union.
adenauer:
Wer ist für Sie der glaubwürdigste (lebende bzw. bereits tote) Politiker?
GuidoKnopp:
Ludwig Erhard war glaubwürdig. Er glaubte an das Gute im Menschen, und deshalb war er der Politik nicht gewachsen.
Ben_B:
Haben Sie Gerhard Schröder schon mal im Kanzleramt besucht? Wissen Sie, was er in der täglichen Arbeit anders macht als Kohl?
Moderator:
noch da..?
GuidoKnopp:
Ich kenne persönlich Brandt, Schmidt und Kohl – Schröder noch nicht. Es
wird ihm gut tun, wenn er abends nicht mehr nach Hannover fliegen muß,
sondern Doris bei ihm in Berlin ist. Das schafft den nötigen Background
für mehr Stetigkeit.
schaeuble:
Hätte ein Kanzler Brandt in der heutigen Mediendemokratie angesichts von Frauen- und Spionageaffären überhaupt ein Chance?
GuidoKnopp:
Frauenaffären verzeiht man ja heute bekanntlich mehr als damals. Brandt
ist nicht über die Spionageaffäre Guillaume gestürzt, sondern weil ihm
am Ende die Kraft und die Lust für den Kanzler-Job gefehlt hat. So
gesehen hätte er auch heute eine faire Chance. Die politischen
Bedingungen sind nicht härter als damals.
helmut99:
Werde ich nach Rau 2004 zum Bundespräsidenten gewählt Herr Knopp?
GuidoKnopp:
Was hast Du zu bieten, Helmut99?
UUUUUUUPS:
*lach*
helmut99:
Ich bin immer noch am längsten dabei gewesen 🙂
GuidoKnopp:
Helmut99, bist Du überfordert?
Ben_B:
Wieviel Macht hat die Kanzler-Clique? Funktioniert ein Kanzler ohne Bohl oder Hombach überhaupt?
helmut99:
Nein, ich flieg ja bald in den Kosovo, hab ich Bill versprochen!
GuidoKnopp:
Natürlich nicht. Ein Regierungschef ist nur so gut wie seine Mitarbeiter.
mielein:
und wie schätzen sie die chancen von uta ranke-heinemann ein ?
GuidoKnopp:
Die Dame sollte besser nach Mallorca fahren.
helmut99:
Welches Buch enthüllt in Ihren Augen den Politikbetrieb am Trefflichsten Herr Knopp?
Moderator:
(psst.. Spendieren sie Ihr das Ticket?)
mielein:
warum ausgerechnet mallorca ? zusammen mit gysi ?
GuidoKnopp:
Ich nenne Ihnen ein Buch, das ich sehr gut kenne: “Kanzler” – Die
Mächtigen der Politik. Es zeigt die Geschichten hinter der Geschichte
von 50 Jahren Bundesrepublik.
UUUUUUUPS:
gysi fährt eher lieber zu seinen brüdervölkern….
sonja:
Wer schreibt denn Ihre Bücher mit Ihnen?
GuidoKnopp:
Ein Stab von exzellenten Mitarbeitern. Einer sitzt gerade neben mir. Er heißt Jörg Müllner und kommt aus Amberg (Bayern).
Heddergott:
Überschreitet die szenische Darstellung von Geschichte – auch bei
“Kanzler” – nicht die Grenzen traditioneller Historiographie oder
nehmen Sie in Kauf, daß eine neue Art, eine Video-Historiographie
entsteht?
GuidoKnopp:
Um junge Menschen darf man Geschichte nicht nur mit Zeitzeugen und
Archivteilen präsentieren, sondern muß es gelegentlich auch szenisch
tun, wenn die Szenen dokumentarisch exakt belegt sind. Bei unserer
Serie “Kanzler” gibt es im übrigen fast keine Szenen, weil so viel
gutes Doku-Material vorhanden ist. Außerdem ist Fernseh-Historiografie
die Geschichtsform der Zukunft, aber ich sehe sie am liebsten in
Kombination mit dem traditionellen Medium Buch.
Heddergott:
Herr Knopp, Sie verwerten Ihre Serien ja auf CD-ROMS mit eigens
programmierten Redaktinssystemen. Eröffnen sich hier für Historiker wie
für Journalisten neue Tätigkeitsfelder?
GuidoKnopp:
Die CD-Rom ist die ideale Kombination von Film und Buch, nur hat sie
leider noch zu wenige Benutzer. Ein Beispiel: Ein Film zum Thema
“Hitlers Helfer” hat etwa sechs Millionen Zuschauer, eine CD-Rom zum
gleichen Thema eine Auflage von maximal 20 000 Stück.
ula:
Das ist interessant
wickie:
Warum hat das Thema Hitler eine so große Faszination für die Menschen, obwohl er allgemein als Mörder eines ganzen Volkes gilt?
GuidoKnopp:
Es ist die Faszination des Bösen. Die Menschen fragen sich, wie konnte
es geschehen, daß ein ganzes Volk auf einen solchen Psychopathen
hereinfiel.
pab:
Wie schaut es denn mit “Internet-Historiografie” aus?
GuidoKnopp:
Das ist ein Themenfeld des 21. Jahrhunderts, das wir erst erschließen müssen. Ich prophezeie eine große Zukunft.
Ben_B:
Sind Sie selbst online – mit Ihren Projekten? Welche Rolle spielt die Internet-Recherche bei Ihrer Arbeit?
GuidoKnopp:
Wir sind ständig auf unserer ZDF-Homepage präsent. Dort werden alle
unsere Filme wie auch Macher vorgestellt. Mein Team nutzt das Internet
bei Recherche sehr intensiv. So ist es zum Beispiel möglich, online auf
den Katalog der National Archives in Washington zuzugreifen.
pab:
Herr Knopp, was halten Sie von dieser Moeglichkeit, sich im Rahmen eines Chats mit Ihnen unbekannten Menschen zu unterhalten?
GuidoKnopp:
Es ist für mich eine Premiere heute, aber ich empfinde es als originell und anregend.
Larsandl:
Wie steht es bei Ihnen persoenlich mit neuen Medien: Wie wird sich
Ihrer Meinung nach politik verändern? Wird die naechste Wahl ueber das
Internet gewonnen/verloren?
GuidoKnopp:
Je mehr junge Menschen, die mit den neuen Medien aufgewachsen sind, als
Wähler oder Gewählte in der Politik mitbestimmen, desto mehr werden die
neuen Medien selbst zu einem wichtigeren Faktor in der Politik.
gysi:
Herr Knopp, haben Sie denn schon mal ein Buch online bestellt?
GuidoKnopp:
Das kann ich leider noch nicht, weil es mir meine Kollegen noch nicht gezeigt haben. Aber ich bin lernfähig.
Sic:
Genau. Wie recherchieren Sie überhaupt? Woher das ganze Material?
GuidoKnopp:
Für jeden Film arbeitet ein Team von drei bis vier Autoren,
Dokumentaristen und Researchern, die wie die Wühlmäuse nach
Interessantem und – wenn möglich – Neuem suchen. Wir suchen in Archiven
zwischen Washington und Moskau, setzen die ZDF-Korrespondenten ein,
führen Hintergrundgespräche mit Zeitzeugen, verbringen viel Zeit in
diversen Staats- und Privatarchiven – und gelegentlich werden wir
fündig.
Ben_B:
Was lesen Sie gerne, wenn Sie nicht recherchieren? Romane? Sachbücher? Was liegt auf Ihrem Nachttisch…?
GuidoKnopp:
Sachbücher tagsüber kursorisch. Abends vor dem Schlafengehen Biographien oder spannende Roman von Grisham von Crichton.
mielein:
was halten sie von golo mann ?
mielein:
und wie halten sie es mit den literaturklassikern (Goethejahr!)
GuidoKnopp:
Ein großer Historiker, der auch noch glänzend schreiben konnte – was
selten ist. Er gehört zu meinen Vorbildern – wie Sebastian Haffner,
Johannes Gross und Peter Scholl-Latour.
Ben_B:
Welches Buch hat Sie zuletzt richtig begeistert?
GuidoKnopp:
Goethe ist der Größte. Ich werde im Herbst nach Weimar fahren und zwei
Tage Goethe satt erfahren – oder was noch von ihm übrig ist.
GuidoKnopp:
Ich habe vor einem halben Jahr Sebastian Haffners “Anmerkungen zu
Hitler” wieder gelesen. Das kann ich jeden von Ihnen empfehlen: Ein
zeitloser Klassiker, glänzend geschrieben.
UUUUUUUPS:
haben Sie auch Projekte die sich speziell mit Geschichtsjournalismus für Kinder kümmert?
mielein:
ein prophet, der haffner
GuidoKnopp:
Nein, das macht unser Kinderprogramm.
GuggiGuggi:
In Amerika gibt es viele politische Magazine (Goerge), in Deutschland
sieht es da sehr mager aus. Woran liegts? Sind wir Deutsche einfach
politik muede, oder ist deutsche politik einfach unsexy?
GuidoKnopp:
Ein gutes politisches Magazin braucht Minimum 500 000 Käufer. Unser
Markt verkraftet mit “Spiegel” und “Focus” gerade mal zwei. Das ist
schade, denn für frischen Wind in der Magazin-Szene bin ich immer zu
haben. Politik muß außerdem nicht sexy, sondern klug sein.
GuidoKnopp:
Bitte jetzt die letzte Frage!
Steffenzimmermann:
Erst das 3. Reich jetzt die Kanzler, ist die deutsche Geschichte jetzt durch[DWas werden Sie als ndchstes zeigen?
Ben_B:
Haben Sie schon ein neues Projekt – ein Buch oder eine Serie?
GuidoKnopp:
Der Stoff geht nicht aus. Im Herbst kommt eine hundertteilige Serie
“100 Jahre” über das 20. Jahrhundert. Im nächsten Jahr kommen Serien
über die Hitler-Jugend, den Holocaust und die Deutsche Einheit, 2001
Serien über “Die große Flucht 1945”, die “Rätsel des 20. Jahrhunderts”
etc. Doch zunächst kommt heute abend die vierte Folge unserer Reihe
“Kanzler”: Willy Brandt – Der Visionär, ein spannender und bewegender
Film, den es zu sehen lohnt.
GuidoKnopp:
Vielen Dank für Ihr Interesse. Bleiben Sie uns treu!
Moderator:
Lieber Herr Knopp, im Namen von BOL und politik-digital vielen Dank, daß Sie sich die Zeit für diesen Chat genommen haben!
mielein:
danke für den hinweis, ich werde ausnahmsweise wieder mal fernsehen *g*
Ben_B:
Bye, bye und eine gute Quote für die Brandt-Folge heute abend 😉
helmut99:
Sehen wir uns demnächst beim Saumagen-Essen, Herr Knopp?
Heddergott:
Ist E-Mail-Kontakt zu Herrn Knopp nach dem Forum möglich???
GuidoKnopp:
Sie können an das ZDF mailen. Schauen Sie doch mal auf unsere Homepage!
 


Kommentieren
Sie diesen Artikel!



Diskutieren
Sie mit anderen in unserem Forum!

 


Weiterführende Links:

 

Privacy Preference Center