Christian Wagner
Christean
Wagner:
Wir sind bereit.

Moderator:
Wunderbar, dann fangen wir an, Herr Wagner, sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlich Willkommen im tacheles.02 Live-Chat. tacheles.02
ist ein Format von tagesschau.de und politik-digital.de und wird unterstützt
von Der Tagesspiegel. Unser heutiger Gast in Wiesbaden ist Christean Wagner,
Justizminister in Hessen, CDU. Herr Minister Wagner, sind Sie bereit für
sechzig Minuten Diskussion mit unseren Nutzern?

Christean
Wagner:
Ja.

Moderator:
Herr Wagner, eine erste Frage von uns. Sie gelten als „law-and-order“-Hardliner.
Haben Sie in der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode Ihre Ziele erreicht?

Christean
Wagner:
Ja, Hessens Gefängnisse sind sicherer geworden.
Die Überbelegung der Gefängnisse ist massiv abgebaut worden,
und zwar von 25 Prozent auf Prozent. Das ist auch ein Beitrag zur Sicherheit
unserer Bürger.

Moderator:
Wir haben hier bereits mehrere Fragen, die sich mit der Verschärfung
von Haftbedingungen etc beschäftigen. Ich greife als erstes die Frage
des Nutzers Joei auf:

Joei:
Herr Wagner hat bei Amtsantritt den „härtesten Strafvollzug
Deutschlands“ für Hessen angekündigt. Trotzdem ist die
Kriminalität im vergangenen Jahr gestiegen. Schrecken hohe Strafen
und ein scharfer Strafvollzug potentielle Straftäter wirklich ab?

Christean
Wagner:
Das ist so nicht richtig. Die Kriminalität in Hessen
hat zum Beispiel bei den Einbruchsdiebstählen um 10 Prozent bei den
Raubüberfällen um 17 Prozent abgenommen.

Moderator:
Nun, insgesamt kam aber offensichtlich eine andere Bilanz heraus?

Berti:
Die Kriminalität ist im letzten Jahr in Hessen um über 5 Prozent
gestiegen. Das ist doch ein schlechtes Zeugnis für Sie und Herrn
Koch, oder?

Christean
Wagner:
Das ist pure Wahlkampfpropaganda der hessischen Opposition.
Endgültige und verlässliche Zahlen für das Jahr 2002 gibt
es noch in keinem Bundesland und auch nicht auf Bundesebene. Jedenfalls
ist richtig, dass in den letzten vier Jahren in Hessen die Kriminalität
zurückgegangen ist und dass Hessen auch im Vergleich zum Bundestrend
eine deutlich geringere Kriminalitätsquote aufweist.

Moderator:
Die Zahlen sind also regelrecht von der Opposition erlogen worden? Oder
ist das nur ein Streit unter Statistikern?

Christean
Wagner:
Beides ist richtig.

Oliver Pohland:
Herr Wagner, Sie behaupten immer Hessen sei sicherer geworden. Geben sie
mir doch mal drei nachvollziehbare Beispiele.

Christean
Wagner:
Der Innenminister Volker Bouffier hat im letzten Jahr
1.300 neue Polizeiautos angeschafft damit die Polizei mindestens so schnell
ist wie die Verbrecher, die sie jagt.
Zweitens hat Bouffier außerdem an jedem Arbeitsplatz der Polizeibeamten
einen PC mit modernen Kommunikationsprogrammen gestellt, damit die Nachricht
von dem Diebstahl eines Autos z.B. in Wiesbaden schneller an der deutsch-polnischen
Grenze ist als der Dieb mit seinem Auto die Grenze erreicht hat.
Drittens: die Anzahl der Haftmissbräuche in Hessen ist in den letzten
vier Jahren um 95Prozent (!) zurückgegangen.

Moderator:
Wir bleiben noch eine Weile beim Strafvollzug:

Meisterkoch:
Wieso wollen Sie privates Haftpersonal einführen, wo ist der Sinn
und Zweck?

Christean
Wagner:
Der hoheitliche Bereich des Strafvollzugs bleibt in der
Hand von Beamten. Aber Gebäudemanagement, Ausbildung, Fortbildung,
Bereitstellung von Arbeitsplätzen, Essen und Verpflegung, Bekleidung
und Gesundheitsvorsorge können ohne weiteres – möglicherweise
kostengünstiger – von Privaten übernommen werden.

Joei:
Was ist besser: Ein harter Strafvollzug zur Abschreckung Krimineller oder
eine gute Betreuung Gefangener zur Vorbereitung auf ein Leben nach dem
Knast?

Christean
Wagner:
Beides schließt sich nicht aus, sondern ergänzt
sich notwendig. Deshalb betreibt das Hessische Justizministerium mit großem
Einsatz beides.

Joei:
Warum wurde trotz der immer wieder betonten Dringlichkeit immer noch kein
neues Gefängnis in Hessen gebaut?

Christean
Wagner:
Zunächst ist richtig: Die rot-grüne Vorgängerregierung
hat in acht Jahren kein neues Gefängnis zustandegebracht. Die Regierung
Koch/Wagner hat die Voraussetzungen für die Errichtung eines neuen
Gefängnisses mit 500 Haftplätzen, Standort Hünfeld, geschaffen.
Das Gefängnis wird im Jahre 2005 bezogen werden. Außerdem hat
diese Landesregierung bereits 525 neue Haftplätze im geschlossenen
Männervollzug geschaffen.

Moderator:
Sie wurden von der Opposition kritisiert, weil lediglich der Baubeginn
einer Zufahrt für den Gefängnisneubau in Hünsfeld gefeiert
wurde; ist das legitime Wahlkampfmittel „Spatenstich“ hier
gut eingesetzt worden?

Christean
Wagner:
Der Bauauftrag wird im nächsten Monat vergeben.
Der besagte Spatenstich war der demonstrative Beginn der Maßnahme.

StefanH:
Wie wird dieses neue Gefängnis eigentlich aussehen – ähnlich
luxuriös wie damals Weiterstadt?

Christean
Wagner:
Nein. Während in Weiterstadt ein Haftplatz 250..000
€ kostete, wird er in Hünfeld nur etwa 50.000,– € kosten.

Moderator:
Eine Frage zum Sexualstrafrecht. Soll Kinderschändern auch mit der
Todesstrafe gedroht werden, will "penalty" wissen…

Christean
Wagner:
Als engagierter Christ bin ich entschiedener Gegner der
Todesstrafe. Das Grundgesetz lässt sie auch nicht zu.

Claas:
Warum sollen die Gesetze gegen Sexualtäter verschärft werden?
Genügt es nicht, die jetzigen auszureizen???

Christean
Wagner:
Ich verspreche mir von einer Verschärfung eine höhere
Abschreckung.

Hart:
Behindern die harten Gesetze und Vorschriften nicht die Freiheitsrechte
der Bürger?

Christean
Wagner:
Nein, wer sich strafbar macht, hat nach unseren Gesetzen
aufgrund richterlicher Entscheidung für einen bestimmten Zeitraum
sein Recht auf Freizügigkeit verwirkt.

Oliver Pohland:
Sind Sie denn der Meinung, die jetzige Gesetzeslage wird nicht genügend
ausgereizt?

Christean
Wagner:
Höhere Strafrahmen führen zu höheren Strafen!

Bild:
Wie stehen Sie zu Ihren eigenen kleinen Sünden? Sie mussten schon
mal den Führerschein abgeben. Und aufgrund ihrer Weigerung auf die
Zigarette zu verzichten, musste die Feuerwehr ausrücken. Sollten
Sie nicht eigentlich auch eine Vorbildfunktion haben?

Moderator:
passend dazu:

curtis_newton:
Was für Verbrechen meinen Sie denn? Sie haben sich doch auch schon
mal strafbar gemacht…

Christean
Wagner:
Strafbar habe ich mich nicht gemacht: Für meine
beiden Sünden habe ich ausreichend gebüßt: für das
zu schnelle Fahren habe ich einen Monat Fahrverbot erhalten, und den Einsatz
der Feuerwehr bezahlt. Auch ein Justizminister ist Mensch und daher nicht
völlig fehlerfrei.

Moderator:
Eine Nachfrage von "Bild":

Bild:
Hardliner einerseits, Temposünder andererseits. Herr Wagner, hegen
sie Sympathie für Kavaliersdelikte oder wollen Sie auch hier einen
strikten Kurs?

Christean
Wagner:
Auch hier bin ich für strikte und konsequente Reaktion
des Staates.

Liane:
Soll es auch schärfere Gesetze für Geschwindigkeitsüberschreitungen
geben?

Christean
Wagner:
Die gegenwärtige Rechtslage reicht aus.

Moderator:
Zu einem weiteren Thema:

Michael W.:
Was hat aber nun die Landesregierung vor, um gegen Internetkriminalität
vorzugehen? Raubkopiererei und Kinderpornographie ist dort ja keine Seltenheit!

Christean
Wagner:
Für das Strafrecht ist der Bundestag zuständig.
Wir Hessen statten die Polizei und die Staatsanwaltschaft für die
diesbezügliche Verbrechensbekämpfung ausreichend aus.

Moderator:
Zum Wahlkampf …

Joei: Angesichts
der aktuellen Umfragewerte für ihre Partei: ist ihnen eine Alleinregierung
der CDU mit absoluter Mehrheit nicht lieber? Könnten Sie dann nicht
endlich viel härter durchgreifen, wie Sie das so oft fordern?

Christean
Wagner:
Wir haben mit der FDP hervorragende Regierungsarbeit
auch im Bereich der Strafverfolgung geleistet.

Joei:
Falls die CDU am 2. Februar gewinnt, werden sie auch danach noch Justizminister
sein?

Christean
Wagner:
Das entscheidet der Ministerpräsident.

d.penalty:
Es gab im Vorfeld Kritik über die Größe der Wahlkreise,
ist das berechtigt?

Christean
Wagner:
Die Gültigkeit der Wahl wird von niemandem ernsthaft
in Frage gestellt, weil die Zusammensetzung des Landtages von der Wahlkreisgröße
unabhängig ist.

Landor:
Zur FDP: diese haben den Slogan "Zuviel Koch verdirbt den Brei".
Was halten Sie davon?

Christean
Wagner:
Nichts.

Michael W.:
Nun hat aber die FDP in Hessen verlauten lassen, dass sie, sollte die
CDU eine Absolute Mehrheit erreichen, nicht mitregieren will!

Christean
Wagner:
Wir wollen die Fortsetzung der Koalition mit der FDP.

Ingrid:
Glauben Sie denn, dass Roland Koch die ganzen vier Jahre bleibt, oder
wird er zum Kanzlerkandidat gekürt?

Christean
Wagner:
Roland Koch ist angetreten, um weitere fünf Jahre
Ministerpräsident in Hessen zu bleiben.

Michael W.:
Wie sieht es mit der Gültigkeit der Bundestagswahl letzen Jahres
aus, die wurde von der CDU schon in Frage gestellt, wird man da von der
CDU noch was hören, oder verläuft sich das?

Christean
Wagner:
Das Problem besteht darin, dass es bei Überhangmandaten
keine Ausgleichsmandate gibt. Deshalb hat die SPD mehr Abgeordnete, als
ihr prozentual zustehen. Dies wird verfassungsrechtlich geprüft.

Berti:
Wie stehen sie zu den Unterschriftenlisten gegen die doppelte Staatsbürgerschaft,
die Herr Koch 1999 für den Wahlkampf benutzte?

Christean
Wagner:
Ich war von Anfang an dafür.

d.penalty:
Wieso klopft die CDU in diesem Wahlkampf nicht auf die Ausländer
ein?

Christean
Wagner:
Die CDU hat noch nie "auf die Ausländer eingeklopft".

Müller:
Was spricht für die Unterschriftenkampagne?

Christean
Wagner:
Sie meinen den Wahlkampf 1999: Wer bei uns die vollen
Bürgerrechte erlangen will und dauerhaft in Deutschland bleiben will,
soll sich ungeteilt zu unserem Land bekennen.

bökels_neue:
Was machen Sie, wenn Koch der neue Kanzlerkandidat wird? Wer könnte
sein Nachfolger werden?

Christean
Wagner:
Diese Frage stellt sich derzeit nicht.

christean_anders:
Was halten Sie vom Herausforderer Gerhard Bökel?

Christean
Wagner:
Um höflich zu bleiben: verhältnismäßig
wenig.

Sträfling:
Gewinnen Sie diesmal ihren Wahlkreis?

Christean
Wagner:
Ich hoffe es.

Moderator:
Und eine weitere Frage zu Ihrem Wahlkreis:

Oliver Pohland:
Dr. Wagner, was tun Sie in Ihrer Doppelfunktion als Landtagsabgeordneter
und Justizminister eigentlich für Ihren Wahlkreis, ist da Arbeit
vor Ort überhaupt noch drin? Ich kenne die Region dort und mich würde
interessieren, wie Sie sich einbringen.

Christean
Wagner:
Gerade mit meinen Möglichkeiten als Kabinettsmitglied
habe ich für meinen Wahlkreis sehr viel tun können: Förderung
durch das Land für Ortsdurchfahrten, für die Ausweisung von
Interkommunalen Gewerbegebieten, für Ortsumgehungen und bei der Förderung
von Vereinen.

Joei:
1999 haben CDU und FDP entgegen den Prognosen die Wahl gewonnen. Halten
sie diesmal eine Wählerentscheidung entgegen den Prognosen auch für
möglich?

Christean
Wagner:
Gezählt wird erst am Sonntag um 18.00 Uhr.

Michael W.:
Herr Wagner, wie soll eigentlich ihre eigene persönlich Karriere
politisch weiter gehen? Streben sie nach Höherem oder sind sie als
Justizminister zufrieden?

Christean
Wagner:
Mir macht meine Arbeit als Justizminister sehr viel Freude.

Oliver Pohland:
Warum mag die Hessen CDU Frau Merkel nicht?? Weil sie aus dem Osten ist??

Christean
Wagner:
Die Unterstellung ist falsch. Die CDU Hessen steht geschlossen
hinter unserer Bundesvorsitzenden.

Moderator:
Hier sind noch einige Fragen zum Strafvollzug (in Hessen und insgesamt)
eingegangen, die ich gerne weiterleiten möchte:

Blandsan:
Frage zum Sexualstrafrecht: Geht es nur um die Strafhöhe oder auch
um Sicherheitsverwahrung von Sexualstraftätern?

Christean
Wagner:
Natürlich geht es auch um die Sicherungsverwahrung:
Sexualstraftäter können "tickende Zeitbomben" sein,
daher muss ein Richter auch nachträglich eine Sicherungsverwahrung
anordnen können.

d.penalty:
Ab wann sollte ein Sexualtäter denn für immer weggeschlossen
werden?

Christean
Wagner:
Wenn er weiterhin eine mögliche Gefahr für
potentielle Opfer ist.

Joei:
Der Staat macht stets nur Strafverfolgung? Welche Möglichkeiten haben
Justiz und Polizei, um auch vorbeugend aktiv zu werden?

Christean
Wagner:
In Hessen gibt es – bundesweit gesehen – das dichteste
Netz von örtlichen Präventionsräten, an denen Polizei,
Staatsanwaltschaft, Soziale Dienste und andere Bürgervertretungen
mitarbeiten.

HarterHund:
Sie fordern, dass ausländische Gefangene ins Ausland geschoben werden,
um ihre Haftstrafe dort abzusitzen. Dabei sind diese doch in aller Regel
erst in Deutschland kriminell geworden. Deutschland produziert diese Kriminellen,
und schiebt sie dann ab?

Christean
Wagner:
Nicht Deutschland "produziert Kriminelle",
sondern Straftäter produzieren Kriminalität. Ein Haftplatz kostet
den Steuerzahler 30.000 Euro pro Jahr. Es ist nicht mehr als recht und
billig, dass straffällig gewordene Ausländer in ihrem Heimatland
die Strafhaft verbüßen.

d.penalty:
Die Polizeigewerkschaft sagt zurecht, es fehlen 700 Stellen. Wieso hat
die CDU ihre vollmundigen Versprechungen aus dem Wahlkampf nicht wahr
gemacht?

Christean
Wagner:
Die Zahlen der Polizeigewerkschaft sind nicht zutreffend.
Es gibt jetzt mehr Polizeibeamte auf Streife als früher.

Moderator:
Zur letzten Frage:

Lula:
Wie stehen Sie eigentlich zum Irak Konflikt und den damit einherrschreitenden
Anti-Terror Gesetze?

Christean
Wagner:
Internationaler Terror muss auf allen Ebenen bekämpft
werden.

Moderator:
Liebe Gäste! Unsere Zeit ist leider bereits abgelaufen. Im Namen
der Veranstalter tagesschau.de und politik-digital.de sowie des Unterstützers
tagesspiegel.de wünschen wir allen Beteiligten einen schönen
Abend. Vielen Dank besonders an Sie, Herr Wagner in Wiesbaden! Wir würden
uns freuen, Sie bei unseren nächsten Chats begrüßen zu
dürfen. Es folgen noch die Termine der tacheles.02-Chats der nächsten
Tage…
30.1. (Do) 17.00-18.00 Uhr: Wolfgang Jüttner, SPD-Umweltminister
Niedersachsen
03.2. (Mo) 17.00-18.00 Uhr: Christian Ströbele, stellv. Fraktionsvorsitzender,
Grüne
05.2. (Mi) 17.00-18.00 Uhr: Angela Merkel, Vorsitzende der CDU/CSU
12.2. (Mi) 17.30-18.30 Uhr: Friedbert Pflüger,außenpol. Sprecher
der CDU/CSU

Christean
Wagner:
Herzliche Grüße zurück. Der Internet-Chat
– mein erster – hat mir viel Freude bereitet.

Moderator:
Das freut uns! Hoffentlich auf ein nächstes Mal, Herr Wagner und
einen schönen Rest-Tag!

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