Christian Schmidt
im tacheles.02-Chat am 24.03.2004


Moderator: Herzlich willkommen im tacheles.02-Chat.
Die Chat-Reihe tacheles.02 ist ein Format von tagesschau.de und politik-digital.de
und wird unterstützt von tagesspiegel.de und von sueddeutsche.de.
Im ARD-Hauptstadtstudio begrüße ich jetzt Christian Schmidt,
CSU-Abgeordneter im Deutschen Bundestag und Verteidigungspolitischer
Sprecher der Unions-Fraktion. Kann es losgehen, Herr Schmidt?

Christian Schmidt: Ja, gerne, herzliche Grüße.

Moderator: Herr Schmidt. Geheimdienstler und Terrorexperten sehen inzwischen
auch Deutschland als mögliches Ziel von Anschlägen islamischer
Terroristen. Wie sind Ihre Gefühle, wenn Sie im Regierungsviertel
auf der Straße unterwegs sind?

Christian Schmidt: Ich fühle mich sicher, aber ich bin mir bewusst,
dass wir ein weitaus höheres Risiko haben, als das vielleicht vor
10 Jahren der Fall war.

biblio: In den 80’ern gab es schon einmal eine "weltweite Terrorgefahr",
die im Nachhinein vergessen wurde. Wird hier nicht mehr Angst erzeugt,
als alles andere?

Christian Schmidt: Angst ist kein guter Ratgeber, ich glaube, besonnene
Reaktion ist wichtig, aber leider sind die Erfahrungen der 80’er
Jahre nicht konsequent umgesetzt worden. Das müssen wir jetzt tun.

gholder: Zeigen aktuelle Brandherde wie der Kosovo nicht, dass die
Bundesrepublik sich langsam übernimmt?

Christian Schmidt: Das ist in der Tat ein Problem, die Bundeswehr wird
immer kleiner und soll mehr leisten, die Antwort heißt deswegen:
Bundeswehr nicht kürzen, aber vor allem NATO und europäische
Kooperation arbeitsteilig vorgehen.

patriot_1: Sollte sich Deutschland im Irak militärisch im Rahmen
der UNO oder der NATO beteiligen?

Christian Schmidt: Wenn sich die UNO im Irak engagieren und die NATO
bitten, tätig zu werden, dann können wir uns da nicht ausschließen.
Ein militärisches Engagement der Bundeswehr sehe ich allerdings
mit großer Zurückhaltung. (Vergleiche Antwort zur letzten
Frage).

Tim: Nach Spanien ist Polen zum Austritt aus der Koalition bereit.
Das irakische Volk fühlt sich von allen Seiten im Stich gelassen.
Verlieren die Amerikaner die Kontrolle?

Christian Schmidt: Die Amerikaner wohl nicht, aber die Europäer
verlieren die Kontrolle über ihre eigenen Interessen. Ich halte
es für eine falsche Reaktion, die Amerikaner sozusagen alleine
sitzen zu lassen, weil das die Gefahr von einer erneuten Destabilisierung
in der Region steigert. Das ist gegen unsere Interessen. Außerdem
wird dadurch die Zukunft des Iraks fragwürdiger.

xaver: Bush gerät innenpolitisch derzeit unter Druck. Gut das
Schröder uns nicht in eine vergleichbare Situation gebracht hat
oder?

Christian Schmidt: Ich glaube, dass es völlig falsch wäre,
nun zwischen den "Guten" und "Schlechten" zu unterscheiden,
weil die Terrorgefahr uns alle gleichermaßen betrifft. Die Bush-Administration
muss ihren Kurs insofern ändern, als Multilateralismus notwendig
ist, d.h. sie müssen die Europäer ernster nehmen und nicht
glauben, alles alleine machen zu können. Man sollte sich allerdings
nicht vorstellen, dass wie immer die US-Wahl ausgeht, ob Bush oder Kerry,
sich die Politik der USA grundsätzlich wesentlich ändern wird.

Schnabel: Verantwortung für die Golf-Region schön und gut.
Sehen Sie es denn aber nicht als Problem, dass Europa heute eine Suppe
mit auslöffeln soll, die es nicht bestellt hat?

Christian Schmidt: Frage zurück: Wer hat den Irak geschaffen?
Das waren britische und französische Kolonialbeamte im Jahr 1916.
Ich will damit sagen, dass die europäische Verantwortung für
die Situation in der Golfregion weitaus größer ist als mancher
meint, und dazu gibt es noch ein weiteres wichtiges Argument: die Zukunft
Israels.

sokrates: Fühlen Sie sich durch die USA Administration getäuscht?
Und wenn ja, welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

Christian Schmidt: Ich halte nicht alle taktischen Überlegungen
der US-Administration für klug. Ich glaube aber, dass in Europa
oft unterschätzt wird, wie tief die Verletzung der Amerikaner durch
den 11. September wirklich geht und deswegen fühle ich mich nicht
getäuscht, sondern allenfalls manchmal nicht richtig verstanden.
So wie die Amerikaner umgekehrt.

Davide: Die Stimmen für einen NATO-Einsatz im Nahen Osten werden
lauter. Würden Sie eine Teilnahme der Bundeswehr unterstützen?

Christian Schmidt: Was heißt für sie Naher Osten? Wenn sie
Israel und die palästinensischen. Gebiete meinen, dann halte ich
den Zeitpunkt für deutsche Beteiligung für noch nicht gekommen.
Ich möchte es aber nicht für alle Zukunft ausschließen.
Yitzhak Rabin hat 1995 kurz vor seinem Tode Deutschland aufgefordert,
sich an einer Friedensinitiative auch mit Soldaten zu beteiligen. Das
muss man abwägen.

realname: Herr Schmidt, es gibt Bemühungen die Bedrohung durch
den Terrorismus durch die verschiedenen Dienste wie auch militärisch
einzudämmen. Sind Sie der Ansicht, dass wir in Deutschland einen
übergreifenden Ansatz brauchen, wie es beispielsweise die Amerikaner
mit ihrer Interagency Coordination praktizieren?

Christian Schmidt: Hinsichtlich der Dienste: Bei unseren Diensten gibt
es einen ersten Ansatz mit dem „Information Board“. Ich
halte solche bereichsübergreifende Koordinierung für absolut
notwendig und bis deswegen auch ein Verfechter eines integrierten Gesamtverteidigungskonzeptes.
Ich halte das amerikanische Modell für hochinteressant und bin
gerade dabei, es für unser Sicherheitskonzept der CDU/CSU für
deutsche Verhältnisse anzupassen.

Aktivist: Der terroristischen Gefahr mit Bundeswehreinsätzen im
Innern entgegentreten zu können, bezweifle ich. Können Sie
mir konkrete Szenarien nennen?

Christian Schmidt: Ja. Konkrete Szenarien sind beispielsweise eine
Erkenntnis der Sicherheitsdienste, dass Angriffe aus der Luft oder von
Terrorkommandos am Boden gegen Infrastruktur (Kraftwerke, Kommunikationszentralen)
an mehreren Orten möglich oder zu erwarten sind. Lassen sie dieses
Szenario während der Fußball-WM spielen und ich möchte
wissen, woher die Kräfte und auch die Fähigkeiten kommen sollen,
dies zu beherrschen.

Moderator: Das stelle ich mir das dann mal so vor: Hinterm Bundestag
oder beim Atomkraftwerk xy oder im Hamburger Hafen stehen zwei Wehrpflichtige
mit Sturmgewehr und schieben Wache. Wer mal bei der Bundeswehr war,
weiß, dass das nicht die schärfsten Aufpasser sind – abgesehen
davon, dass sie bisher in der Regel nur innerhalb von Kasernen Wache
schieben. Bringt das wirklich was?

Christian Schmidt: Gegenfrage: Ist die Abwesenheit von Bereitschaftspolizei
in solchen Fällen ein höheres Sicherheitselement? Ich komme
gerade aus Frankreich zurück, wo gegenwärtig Flughäfen
und Bahnhöfe von Gendarmerie und Militär gesichert werden,
ohne dass darüber überhaupt eine Diskussion stattfindet. Allerdings
möchte ich nicht, dass das Militär Hilfspolizei spielen muss.
General Kirchbach hat erst kürzlich dargelegt, dass Großschadens-Situationen,
die auch terroristisch verursacht sein können, ohne die helfenden
Hände der Bundeswehr nicht beherrschbar wären.

Moderator: Das heißt aber: die Union will klare Abgrenzung der
Kompetenzen? Keine Polizeigewalt, heißt keine Ausweiskontrollen
durch patrouillierende Soldaten oder doch?

Christian Schmidt: Die originäre Ausweiskontrolle bleibt bei der
Polizei. Bereits jetzt kann die Polizei Unterstützung anfordern,
wenn sie selbst nicht mehr Herr der Lage wird. Aber das wäre sicherlich
ein sehr extremer Fall, weil das Fähigkeiten sind, die Polizei
besser kann.

Hendrick: Warum plädiert die Union für eine Grundgesetzänderung,
wenn doch bereits im Inland der "schwere Unglücksfall"
im Grundgesetz auslegungsfähig ist?

Christian Schmidt: Es geht auch um die Prävention und nicht nur
um die Reaktion. Nebenbei bemerkt:Die Naturkatastrophe wurde als Begriff
nach den Erfahrungen von H .Schmidt mit der Hamburger Flutkatastrophe
von 1962 ins Grundgesetz geschrieben. Ich glaube, dass wir ehrlich genug
sein sollten, dass die Bekämpfung von terroristischen Gefahren
etwas anderes ist als die Bekämpfung von Hochwasser. Deswegen bin
ich froh, dass wir jetzt eine richtige Debatte über dieses Thema
bekommen.

Laib: Ist die WM ohne Bundeswehr im Innern nicht sicher zu gestalten?
Verstehe ich sie da richtig?

Christian Schmidt: Ich möchte nicht, dass es soweit kommt, dass
wir die NATO anfordern müssen, so wie das Griechenland für
die olympischen Spielen in diesem Sommer gemacht hat. Aber seit 1972
wissen wir, dass große Ereignisse auch den Terror anziehen und
deswegen muss man in solchen Situationen besonders gut vorbereitet sein.
Streitende Fans in Stadien auseinander zuhalten, wird allerdings immer
die Aufgabe der Polizei bleiben, genauso wie die normale Kriminalitätsbekämpfung.

Moderator: zwei auf einmal:

Jassin: Sie "möchten" es nicht, aber Sie würden
dem zustimmen?

mohammed: Kommen in Athen auch Deutsche zum Einsatz?

Christian Schmidt: Zu Jassin: Bisher sehe ich keine Notwendigkeit für
eine NATO-Beteiligung. Wenn, dann ginge es darum, die Bundeswehr für
spezielle größere Krisen bzw. Terrorangriffe für den
Notfall einsatzbereit zu halten. Zu Mohammed: Soweit mir bekannt ist,
hat die NATO hier bisher nicht zugesagt und Bundeswehrsoldaten und -Soldatinnen
werden wohl vor allem als Sportler an den olympischen Spielen teilnehmen.

Moderator: Kommentar zur Frage Militär sichert öffentliche
Einrichtungen:

pa864: Ich bin seit 3 Monaten in Rom, das Militär sichert hier
alle wichtigen Einrichtungen.

mohammed: Ich meine auch nicht Hooligans, sondern Terroristen, die
zur WM nach Deutschland kommen. Sicher wird 2006 Al-Kaida noch aktiv
sein oder?

Christian Schmidt: Ich halte solche Szenarien für realistisch.

Landei: Glauben sie nicht, dass die ständige Präsenz von
Militär an öffentlichen Orten die Lebensqualität der
Bürger extrem einschränken würde?

Christian Schmidt: Ich bin gegen ständige Präsenz von Militär
an öffentlichen Orten, aber wenn es für die Sicherheit der
Menschen notwendig ist, dann muss das zeitweise möglich sein.

Mehl: Der Abbruch von Raus Afrika-Reise sei unvermeidlich gewesen,
so Innenminister Schily. Man müsse die Drohung sehr ernst nehmen.
Welche Erkenntnisse haben Sie?

Christian Schmidt: Ich kenne nur die wichtigsten Informationen, die
die deutschen Sicherheitsorgane gehabt haben. Diese machen es für
mich sehr nachvollziehbar, dass der Bundespräsident seine Reise
abgebrochen hat. Das Horn von Afrika ist offensichtlich immer noch ein
Platz, wo sich Terrorleute aufhalten und vernetzt gut zusammen arbeiten.

Moderator: Also eine ernsthafte Bedrohung. Nicht etwa ein Trittbrettfahrer,
der die Reise von Rau einfach genutzt hat, um die Angst zu schüren?

Christian Schmidt: Das ist wohl so.

Atilius: Ich habe gestern eine Reportage über die technologische
Entwicklung der amerikanischen Armee verfolgt. Wie sieht es in dem Bereich
bei der Bundeswehr aus? Mir scheint als sei die konventionelle Technik
schlecht geeignet für die neuen Aufgaben. Wie denken Sie in Bezug
auf die Notwendigkeit der technischen High-Tech-Ausstattung?

Christian Schmidt: Es sei mir gestattet bei einem ARD-Chat, für
heute Abend auf den zweiten Teil dieser Sendung im ZDF von Klaus Brümpers
zu empfehlen. Ich glaube, dass die technologische Lücke in den
Fähigkeiten der Amerikaner auf der einen Seite und der Europäer
auf der anderen Seite für uns zu einem politischen Problem werden
kann, weil gemeinsames Agieren überhaupt nicht mehr möglich
wäre. Dies würde die NATO sprengen und amerikanische Alleingängen
geradezu provozieren.

Moderator: noch einmal zu Raus Reise-Abbruch:

muwi: Warum Rau? "Einfach so" als "der Westen"
oder eher spezifisch wegen des deutschen Militärs in Afrika? Oder
hätte es da jeden treffen können (vorausgesetzt es hätte
ihn getroffen u. ist mehr als blinder Alarm)?

Christian Schmidt: Ich glaube, dass es jeden hätte treffen können,
weil Terror irrational und nicht berechenbar ist. Deswegen halte ich
zwar die Entscheidung der spanischen Wähler für irgendwie
nachvollziehbar, aber insofern falsch, weil man nicht Sicherheit dadurch
gewinnt, dass man sich aus allem heraushält. Dies haben die Italiener
in den 80er Jahren gegenüber dem PLO Terror versucht, und als Quittung
gab es einen Anschlag auf dem Flughafen Rom und die Entführung
eines Kreutzfahrtschiffes.

Landei: Wie soll der vermehrte Einsatz der Bundeswehr dann schlimmeres
verhindern, wenn Terror irrational und nicht vorherzusehen ist? Also
doch nur Abschreckung durch Präsenz?

Christian Schmidt: Abschreckung ist das eine, Vorbeugungsmöglichkeiten
sind das andere.
Die Motive des Terrors sind irrational. Aber auch er hinterlässt
Spuren. Wenn dies nicht so wäre, dann wäre der Bundespräsident
vielleicht nicht mehr am Leben.

Napoleon: Eine Armee, die aus fünf Panzern einen fahrtüchtigen
zusammenschraubt, soll noch weitere Aufgabenfelder abdecken können?
Wie viel Etat ist nötig um diesen Anforderungen gerecht zu werden?

Christian Schmidt: Ich glaube, dass erstens der jetzige Plafond im
Verteidigungsetat nicht ausreicht und dass wir als Sofortmaßnahme
mindestens eine Milliarde Euro drauflegen müssen. Ich weiß,
was ich da sage. In einer Zeit zusammenbrechender Sozialsysteme. Trotzdem
können wir uns unsere Sicherheitsstrukturen nicht kaputtsparen.

Norbert Sanftmann: Fast alle Länder um uns herum schaffen die
Wehrpflicht ab. Begehen alle damit schwere Fehler oder sehen Sie spezifische
nationale Gründe sie ausgerechnet in Deutschland beizubehalten?

Christian Schmidt: Sie begehen keine Fehler, aber sie schaffen sich
selbst Risken: Alle Länder, die gehofft hatten, mit der Abschaffung
der Wehrpflicht ihren Verteidigungsetat zu entlasten, stellen zwischenzeitlich
fest, dass dies nicht stimmt. Sie haben zudem Probleme bei der Aufwuchs-Fähigkeit
z.B. bei Katastrophenfällen. Deswegen gehen beispielsweise die
Briten jetzt dazu über, das Reservistenwesen neu zu erfinden. Ich
bin kein Wehrpflichtdogmatiker, aber ein Wehrpflichtpragmatiker.

Moderator: Wenn Sie kein Dogmatiker sind, unter welchen Bedingungen
könnten Sie sich eine Abschaffung der Wehrpflicht vorstellen?

Christian Schmidt: Ich glaube nicht, dass die Wehrpflicht bei einer
Armee, deren Aufgaben und Umfang so konzipiert sind, wie das Struck
gegenwärtig plant, auf Sicht haltbar ist. Verteidigung am Hindukusch
alleine reicht gesellschaftlich nicht aus, Wehrpflicht zu begründen.
Nur wenn wir Verteidigung auch im eigenen Land und auch unmittelbar
verstehen, kann man Wehrpflicht begründen.

peace: Der Umbau der Bundeswehr zu einer Einsatzarmee schaffe ein Klima
der Unruhe, lese ich. Lässt die Regierung die Truppe im Ungewissen
und im Stich?

Christian Schmidt: Bei dieser Regierung habe ich immer den Verdacht,
dass sie viele im Stich lässt. Aber ernsthaft: Ich glaube, dass
das Problem der jetzigen Reform ist nicht die Schaffung von Eingreif
– und Stabilisierungskräften ist (das ist soweit o.k.), sondern
dass Schröder und Eichel Struck nicht mal das Geld geben, dass
er für seine kleine Reform bräuchte. Und immerhin geht es
bei dieser Reform mit Zivilbediensteten und Angehörigen um ca.
eine Million Menschen.

ChiracS: Nimmt der politische Rückhalt für die Wehrpflicht
ab? Und wie bewerten sie das?

Christian Schmidt: Nach den letzten Umfragen nimmt der Rückhalt
zu. Das halte ich für erfreulich. Es geht aber nicht, den Wehrdienst
deswegen erhalten zu wollen, weil man dann keine Zivis mehr hat, die
Essen auf Rädern organisieren. Deswegen muss man für die Wehrpflicht
direkt werben und argumentieren.

Moderator: Mehrere Fragen zur Wehrgerechtigkeit: Eine davon:

Norbert Sanftmann: Selbst Oberst Gertz – bisher ein Befürworter
der Wehrpflicht – hält die derzeitige Willkür für
untragbar und sieht keinen Königsweg aus der Wehrungerechtigkeit.
Wie sieht ihr Lösungsvorschlag aus?

Moderator: Gertz ist Vorsitzender des Bundeswehrverbandes.

Christian Schmidt: Mein Lösungsvorschlag lautet: Zur Verfügung
stellen von ca. 80.000 bis 90.000 Wehrdienstplätzen und Aufrechterhaltung
der Dienstgerechtigkeit (nicht Wehrgerechtigkeit!), weil ich glaube,
dass Familienministerin Renate Schmidt gegenwärtig, eine höhere
Gefährdung für die Wehrpflicht schafft, indem sie durch immer
weitere Reduzierung der Zuschüsse für die Hilfsorganisationen
die Zivildienstplätze stark zurückfährt (unter 60.000).

Moderator: Noch einmal zum Etat:

Kaiser: Aber der Bundeshaushalt verkraftet keine überteuerten
Eurofighter?

Moderator: .. und es kommt noch der Airbus A400 für das Militär,
und der Eurofighter hat noch keine Waffensystem e- viele Altlasten aus
der Zeit der Unions-FDP-Regierung. Die wirklichen Finanzprobleme für
die Bundeswehr kommen erst noch, wenn das alles bezahlt werden muss.

Christian Schmidt: Die Finanzprobleme kommen in der Tat auf den Nachfolger
von Peter Struck zu, aber wir brauchen die genannten Waffensysteme und
zusätzlich bspw. einen Nachfolger für den Transporthubschrauber
CH53, die bald 40 Dienstjahre haben. Ich sehe eine Zukunftschance in
einer noch stärkeren europäischen Kooperation sowohl in Entwicklung
aus auch in Beschaffung für zukünftige Politik.

hoehl: Angesichts der vielen lokalen Kriege in der Welt empfindet man
die Friedensappelle der Regierungen oft nur noch als zynisch, wenn man
andererseits sieht, welche Geschäfte in den gleichen Ländern
mit dem Waffenexport gemacht werden. Wie lange noch will man diese doppelte
Moral und Scheinheiligkeit den Bürgern servieren?

Christian Schmidt: Diese Frage ehrt den Fragesteller und kann nur mit
ständigem Bemühen beantwortet werden. Im Grunde ist sie zu
tiefst philosophisch und stellt die Frage nach dem Wesen des Menschen.

Moderator: Liebe Politik-Interessierte. Vielen Dank für ihr großes
Interesse, unsere Diskussions-Stunde ist damit zu Ende. Am Mittwoch,
24. März gibt es den nächsten Chat. Dann stellt sich ab dreizehn
Uhr Norbert Röttgen, rechtspolitischer Sprecher der Union, Ihren
Fragen. Die Transkripte aller tacheles.02-Chats finden Sie auf den Seiten
der Veranstalter. Das tacheles.02-Team wünscht Ihnen noch einen
schönen Tag. Vielen Dank, Herr Schmidt, dass Sie sich die Zeit
genommen haben!

Christian Schmidt: Ich bedanke mich bei allen Diskussionsteilnehmern
und hoffe, dass wir mehr sicherheitspolitische Debatte im Lande haben
als das in der Vergangenheit der Fall war.