Globaler Börsencrash: Christian Dreger, Chef der Konjunkturabteilung im deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) chattete am 24. Januar 2008 mit den Usern über die Wirtschaftskrise in den USA und deren Auswirkungen für Deutschland. Gegen Ende des tagesschau-Chats in Zusammenarbeit mit politik-digital.de verriet der Wirtschaftswissenschaftler ein paar Anlagetipps.

Moderatorin: Herzlich willkommen im tagesschau-Chat. Heute ist Christian Dreger, Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, ins ARD-Hauptstadtstudio gekommen. Die Bundesregierung hat ihre Erwartungen an das Wirtschaftswachstum heruntergeschraubt und warnt vor den Folgen der US-Finanzkrise. Wie reagieren die deutschen Unternehmen? Was bedeutet das für den Bürger als Sparer und Anleger? Herr Dreger, noch einmal herzlich willkommen. Können wir beginnen?

 

 

Christian Dreger

 

Christian
Dreger
: Auf jeden Fall. Hallo!

JoJo: Wie
sieht Ihre Konjunkturprognose für 2008 aus?

Christian
Dreger
: Wir haben ein Konjunkturprognose Anfang Januar
vorgestellt und dort eine Wachstumsrate von 2,1% für das reale
BIP (Bruttoinlandsprodukt, Anm. der Redaktion)
prognostiziert.

Moderatorin: Anfang Januar – ist das
noch aktuell?

Christian
Dreger
: Das würde ich schon sagen. Diese Prognosen haben ja
eine gewisse Halbwertzeit. Sie sind schon auf Basis reiflicher
Überlegungen entstanden. Wir sehen jetzt, dass die Risiken wohl
zugenommen haben, aber wir sehen noch keinen Bedarf für eine
Prognosekorrektur.

Mahler: Erholt sich der Dax auf
Dauer, war das nur eine kurzfristige Delle?

Christian
Dreger
: Ich denke, das war eine kurzfristige Delle, die sich
zurückbilden wird, wenn die Unsicherheit aus den Märkten
verschwunden ist. Auf Dauer ist der Trend weiter nach oben
gerichtet.

Böse Überraschungen mit Banken

Spekulantius: Warum sind die Börsen
so hypersensibel, das ist ja schon irrational, oder?

Christian
Dreger
: Das hat mit der Unsicherheit zu tun. Man hat einfach
unvollständige Informationen. Auf der anderen Seite erlebt man
dann immer wieder böse Überraschungen. In Deutschland haben
wir da als Beispiel etwa die Hypo Real Estate letzte Woche und auch
die Westdeutsche Landesbank. Man hat in beiden Fällen die
Schwere der Verluste eigentlich nicht erwartet. Insofern ist es auch
ein Problem der Informationspolitik der beteiligten Banken. Es ist
damit zu rechnen, dass die Volatilität an den Aktienmärkten
mit der Zeit abnehmen wird, wenn eben mehr Informationen eingehen –
oder verlässlichere. Aus fundamentaler Sicht sind die aktuellen
Kursschwankungen weit überzogen.

Moderatorin:
Hier kommt eine Nachfrage, es gibt noch Zweifel an Ihrer
Prognose:

Jugo: Aber die Bundesregierung und
andere Institute haben die Prognose schon nach unten korrigiert – wie
schlimm ist die Krise?

Christian
Dreger
: Wir sehen eigentlich schon, dass die Risiken zugenommen
haben. Aber wir sehen noch keinen dringenden Korrekturbedarf. 2008
ist nach unserer Prognose das Jahr des Konsums, der insbesondere von
zwei Faktoren gestützt wird: Dies ist zum einen die positive
Beschäftigungsentwicklung, die auch 2008 noch anhält, und
zum anderen der Reallohnzuwachs. Beides erhöht die Einkommen und
damit den Konsum. In Deutschland ist der Konsum weitgehend unabhängig
von den Vermögen.

Holger: Was bedeutet der
Börsencrash für die Preisentwicklung?

Christian
Dreger
: Die Preisentwicklung wurde hauptsächlich bisher von
den Energiepreisen und von der Situation auf den Lebensmittelmärkten
bestimmt. Der Börsencrash hat keine unmittelbaren Auswirkungen.
Man könnte indirekte Effekte konstruieren, z.B. wenn aus dem
Börsencrash eine schwächere realwirtschaftliche Entwicklung
aufgrund zurückgehender Nachfrage folgen würde, würde
diese eher preisdämpfende Folgen haben. Ein weiterer Effekt
ergibt sich auch aus der Zinssenkung der US-Zentralbank, die zur
Beruhigung der Situation an den Aktienmärkten erfolgte.

Dies wird
tendenziell den Dollar weiter unter Druck setzen, so dass die
Importpreise in Euro gerechnet rückläufig sein sollten.
Also gibt es auch hier sozusagen Preisdämpfung.

Moderatorin:
Konstruiert die Bundesregierung also Effekte, wenn sie von
Preissteigerungen ausgeht?

Christian
Dreger
: Die Bundesregierung hat noch eine persistentere
Preisentwicklung im Kopf.
Bei uns ist es ja auch so, dass wir in
der ersten Hälfte des Jahres eine höhere Inflationsrate
haben werden, als in der zweiten. Hier kommen beispielsweise
Nachwirkungen des Energiepreisanstiegs zum Tragen. Wir erwarten
allerdings nicht, dass sich höhere Lohnabschlüsse in dem
Maße in höheren Preisen niederschlagen werden, wie dies
offenbar die Bundesregierung tut. Lohn-Preis-Spiralen haben wir in
nennenswertem Umfang in den letzten Jahren nicht mehr gesehen.

Harlinger: Ich bin kein Experte:
Was heißt denn persistent?

Christian
Dreger
: Dauerhaftigkeit. Inflation geht eben langsam zurück,
in dem Sinne. Hohe Inflationsraten bleiben über einen längeren
Zeitraum erhalten.

Auswirkungen der US-Krise in Europa

AlexDD: Guten Tag. Eins
verstehe ich nach den Börsencrash der letzten Tage nicht. Da wo
die Krise eigentlich stattfinden soll – in den USA – gingen die
Börsen relativ wenig nach unten. In Deutschland, wo die
Konjunktur noch gut läuft, hat der DAX aber gleich ein
Vielfaches verloren. Wie kann man so etwas erklären? Oder ist da
einfach nur Psyche im Spiel gewesen?

Christian
Dreger
: Das kann man nicht erklären. Aus fundamentaler Sicht
sind die Kursschwankungen nicht zu rechtfertigen. Sie haben mit Ihrer
Analyse durchaus Recht.

Die Krise ist
zunächst nur in den USA relevant und sorgt dort für eine
schwächere konjunkturelle Entwicklung, während sich der
Euroraum noch im Aufschwung befindet. Offensichtlich erwarten die
Marktteilnehmer ein erhebliches Übergreifen der Krise, das wir
allerdings bei derzeitiger Kenntnislage noch nicht sehen.

kt:
Warum sind wir Deutsche / Europäer scheinbar immer am meisten
betroffen? Die asiatischen Börsen hatten zwar auch riesige
Kurseinbrüche, der HangSeng hatte aber am Mittwoch ein Plus von
fast elf Prozent und damit das Meiste wieder ausgeglichen.

Christian
Dreger
: Das ist zum großen Teil nur psychologisch zu
erklären. In Europa ist es so, dass die wirtschaftliche
Entwicklung in Großbritannien in Mitleidenschaft gezogen wird,
weil die Märkte dort auch von der Immobilienkrise erfasst
werden.

Schimmelreiter:
Wird die Wirtschaft durch Börsenschwankungen immer anfälliger?

Christian
Dreger
: Gute Frage. Es ist nun einmal so, dass wir die
Börsenentwicklung im Moment nur als temporär sehen. Der
Einbruch wird sich wieder zurückbilden. Es hätte
realwirtschaftliche Konsequenzen, wenn die Einbrüche dauerhaft
sind. Prinzipiell kommen hier mindestens zwei Einflusskanäle in
Frage. Zum einen sind dies Vermögenseffekte beim Konsum, zum
anderen die Effekte auf das Investitionsverhalten der Unternehmen.
Der Konsum in Deutschland ist praktisch unabhängig von der
Entwicklung der Vermögenspreise. Was die Investitionen angeht,
wären die börsennotierten Unternehmen betroffen. Da ihr
Marktwert sinkt, verschlechtern sich die Kreditkonditionen. Dies
würde für sich genommen die Investition dämpfen,
allerdings sind die deutschen Unternehmen derzeit in einer günstigen
Gewinnsituation. Dazu hat auch die mehrjährige Lohnzurückhaltung
beigetragen. Die Investitionen werden in Deutschland auch in
besonderer Weise durch Eigenmittel finanziert. Kredite spielen eine
geringe Rolle.

"2008 wird positiv für den Konsum"

savalat: Im Einzelhandel ist seit Montag
absolute Flaute: die Kunden reagieren auf den Crash und die negativen
Nachrichten. Wird der Binnenhandel in Deutschland dieses Jahr noch
mal an Schwung gewinnen oder ist 2008 "schon gelaufen"?

Christian
Dreger
: Wir sagen eigentlich schon, dass 2008 positiv für
den Konsum wird.
Wir hatten ja 2007 den Dämpfer, der uns
durch die Mehrwertsteuererhöhung beschert worden ist.
2008
ist es eben so, dass die Beschäftigung zunimmt und es
Reallohnzuwächse geben wird.

Die
Arbeitslosigkeit geht dabei erheblich zurück, so dass sich auch
die Risiken, den Arbeitsplatz zu verlieren, zurückbilden. Dies
fördert die Konsumbereitschaft.

Jugo:
Werden die Zinsen für Guthaben und Kredite sich verändern?

Christian
Dreger
: Wir gehen nicht davon aus. Im Prinzip könnte die EZB
die Zinsen wie die US-Notenbank senken. Die Geldpolitik in Europa
achtet aber mehr auf inflatorische Entwicklung als die Notenbank in
den USA. Kommt der Dollar jedoch weiter unter Druck, könnte die
EZB eher die Zinsen senken, aber steigern werden sie sie nicht.

Herr
Müller:
Wie wird sich der Dollarkurs in den nächsten
Monaten Ihrer Meinung nach entwickeln und was für einen Einfluss
könnte die neue Währung Amero auf den Dollar nehmen? Wird
man in Zukunft wieder mehr Euro für Dollar/Amero bekommen?

Christian
Dreger
: Wir erwarten eigentlich einen recht stabilen Wechselkurs
im Bereich zwischen 1,45 und 1,50 Dollar pro Euro. Prinzipiell hat
man hier zwei Effekte zu unterscheiden:

Zum einen hemmt
ein schwacher Dollar die Exporttätigkeit, andererseits bestehen
deutsche Exporte zum großen Teil aus Investitionsgütern,
die in geringerem Maße im preislichen Wettbewerb stehen.
Für
diese Exporteure dürfte der schwache Dollar leichter zu
verkraften sein. Zudem werden heute 75 Prozent aller Exporte in Euro
abgerechnet, so dass sie von der Dollarabwertung zunächst nicht
betroffen sind. Darüber hinaus verbilligt der schwache Dollar
die Rohstoffimporte in Euro. Hätte es die Euroaufwertung nicht
gegeben, würden wir heute an der Zapfsäule zwei Euro pro
Liter Normalbenzin bezahlen. Insofern kommt der starke Euro den
Verbrauchern zugute.

Der schwache
Dollar hilft außerdem, die globalen Ungleichgewichte zu
reduzieren, die ein erhebliches Risiko für die Weltwirtschaft
darstellen. Das Handelsbilanzdefizit der USA, das derzeit etwa bei
sechs Prozent des BIP liegt, wird dadurch teilweise
abgebaut.


Euro als neue Leitwährung

gesell: Könnte der Euro, wenn der Dollar
weiter schwächelt, zur neuen Leitwährung werden?

Christian
Dreger
: Es gibt Indizien, dass der Euro innerhalb der
Weltwährungsreserven an Bedeutung gewinnt. Dies geht zunächst
einmal zu Lasten des US-Dollars. Gleichwohl bleibt die USA die
wichtigste Volkswirtschaft in der Weltwirtschaft, so dass der Dollar
eine starke Position innerhalb der Weltwährungsreserven behält.

merz331:
Wie stark ist eigentlich dieser Einfluss des Euro-Kurses auf die
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft? Das müsste
sich doch absichern lassen.

Christian
Dreger
: Das lässt sich sicherlich absichern. Aber Sie müssen
hier auch sehen, dass der Wechselkurseinfluss im Zeitablauf eher
gesunken ist. So ist der Euroraum für deutsche Exporte deutlich
wichtiger als bspw. der bilaterale Handel mit den USA.

Moderatorin:
Lässt sich das in Zahlen ausdrücken?

Christian
Dreger
: Wenn der Dollarkurs um 10 Prozentschwächer wird,
sinken die Exporte um durchschnittlich etwas weniger als ein Prozent.
Diese Zahl ist allerdings gegenwärtig noch etwas übertrieben,
weil sie auf den vergangenen Verhaltensweisen beruht und damit auch
eine Periode umfasst, in der der Wechselkurs tendenziell wichtiger
war. Es ist also ein zeitlicher Durchschnitt und die tatsächliche
Bedeutung dürfte heute etwas niedriger liegen.

Charlie Alphasierra: Wie kann
die EZB der Inflation im Binnenmarkt entgegenwirken ohne im
Wechselkurs noch teurer zu werden? Ist das nicht ein Widerspruch?

Christian
Dreger
: In diesem Widerspruch lebt die EZB derzeit. Es ist
allerdings auch so, dass sich die aktuell höhere Inflation im
Euroraum über das Jahr 2008 tendenziell nicht fortsetzen wird.

Wir haben in 2008
keine drastischen Energiepreiserhöhungen, wie wir sie in 2007
gehabt haben.
Außerdem dürfte
sich die Preisentwicklung bei den Lebensmitteln beruhigen. Die EZB
fürchtet vor allem das Aufkommen von Lohn-Preis-Spiralen.
Allerdings dürfte der hohe Wettbewerb im Euroraum dazu führen,
dass im Fall höherer Lohnabschlüsse eher Beschäftigung
abgebaut wird, als dass Preise erhöht werden. Insofern sehen wir
eigentlich nur ein geringes Risiko für eine anziehende
Inflation.

Rolle der Zentralbanken

katmai: Wird durch das von den
Zentralbanken massiv ins Finanzsystem gepumpte Geld der wirkliche
Crash nicht erst verschoben und verschlimmert?

Christian
Dreger
: Grundsätzlich ist es so, dass die Zentralbanken
eingreifen, um mehr Liquidität in den Markt zu pumpen und
Anspannungen zwischen den Geschäftsbanken zu vermeiden.

Insofern wird durch das Verhalten
der Zentralbanken die Krise eher eingedämmt. Aus
ordnungspolitischer Sicht kann man natürlich fragen, inwieweit
es die Aufgabe der Zentralbanken ist, Risiken von Geschäftsbanken
abzusichern.

Moderatorin:
Das fragen sich auch die User:

Vordina: Wieso können
Banken wie die West-LB, wenn sie Mist bauen, nicht einfach in die
Insolvenz gehen? Warum muss der Steuerzahler die Fehler auch noch
subventionieren?

Christian
Dreger
: Die West-LB ist ja eine Bank, die im Eigentum des Landes
und der Sparkassen ist und die Eigentümer verfolgen mit der
West-LB natürlich auch noch weitere, übergeordnete Ziele,
die über den speziellen wirtschaftlichen Rahmen hinausgehen.
Aber es ist sicherlich auffällig, dass in Deutschland bisher
hauptsächlich von den Banken in öffentlicher Hand die Rede
ist, die von der Finanzkrise betroffen sind.

Moderatorin:
Woran liegt das?

Christian
Dreger
: Ein Grund dafür könnte sein, dass das
Risikomanagement bei Banken des öffentlichen Sektors
verschiedentlich nicht so gut funktioniert wie bei den
Geschäftsbanken.

Moderatorin:
Zum Stichwort Ordnungspolitik:

johann1978: Hallo
Herr Dreger, was ist denn Ihr Tipp für die Bundesregierung:
Eisernes Sparen oder kann sie trotz Verschuldung die Zügel ein
bisschen lockerer lassen?

Christian
Dreger
: Wir würden schon sagen, dass es darauf ankommt,
jetzt ein bisschen mehr zu sparen, die Konsolidierung also
fortzusetzen. Gegenwärtig wird ja verstärkt diskutiert, ob
man der Finanzmarktkrise nicht mit einem Konjunkturprogramm begegnen
soll. Das ist aus unserer Sicht ein Irrweg. Deutschland befindet sich
im Aufschwung, so dass ein Konjunkturprogramm deplaziert wäre.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass solche
Programme im Allgemeinen eine erhebliche Wirkungsverzögerung
aufweisen. Das Programm würde bspw. erst in ein bis 1,5 Jahren
wirksam. Dann dürfte sich die wirtschaftliche Situation aber
erheblich von der gegenwärtigen unterscheiden, so dass das
Konjunkturprogramm nicht optimal zugeschnitten sein kann.
Außerdem kommt es für Deutschland
darauf an, die Konsolidierung der Staatsfinanzen voranzubringen.
Dabei geht es nicht um den Budgetausgleich an der Spitze des
Konjunkturzyklus, sondern über den Konjunkturzyklus hinweg.
Infolge der absehbaren demografischen Entwicklung müsste man
heute sogar strukturelle Überschüsse realisieren, um die
finanziellen Probleme im Bereich der sozialen Sicherung abzufedern.

Arne-Steffen_Moeller:
Abgesehen von dem Kapitalbedarf der Banken – wie wird sich Ihrer
Meinung nach die Krise auf die Refinanzierungsmöglichkeiten der
Unternehmen (sowohl große Unternehmen als auch kleinere und
mittlere Unternehmen) auswirken? Ist hier mit sinkenden Investitionen
von Seite der Unternehmen zu rechnen? Wenn ja in welchem Umfang?

Christian
Dreger
: Das wäre nur der Fall, wenn die Krise tatsächlich
dauerhafte Auswirkungen zeigt. Wir müssen für Deutschland
davon ausgehen, dass die Unternehmen eine höhere
Eigenmittelquote für Investitionen aufweisen. Hier ist auch zu
berücksichtigen, dass die finanziellen Bedingungen für
Investitionen durch die Politik der Lohnmoderation in der
Vergangenheit verbessert wurden.

Niedriges Wachstum in Deutschland

WilliCoburg:
Also ist alles in Ordnung in Deutschland angesichts der Krise in USA
und Asien?

Christian
Dreger
: Na ja, die fundamentalen Fakten stimmen eben immer noch
in Deutschland.
Deutschland wird in 2008 eine recht positive
Entwicklung nehmen. Dabei muss man aber ganz generell sehen, dass die
Wachstumsraten in Deutschland im internationalen Vergleich eher
niedrig sind. Insofern müsste man sich darauf konzentrieren,
Strukturen zu schaffen, die wachstumsfördernd sind. Dazu ist die
Zeit des Aufschwungs besonders geeignet.

Moderatorin:
Die User zweifeln weiter:

Heiner: Die
Entwicklung der wirtschaftlichen Situation in den USA lässt sich
ja schon einige Zeit beobachten. Wird diese Entwicklung so
weitergehen? Wenn ja, wird das dauerhafte Konsequenzen für die
deutsche Wirtschaft haben und welche?

Christian
Dreger
: Natürlich hat die Dämpfung der wirtschaftlichen
Aktivität in den USA negative Konsequenzen für die
Weltwirtschaft und damit auch für die deutschen Exporte.

Allerdings sollte
man die Effekte auch nicht übertreiben. Bei einem Rückgang
der Wachstumsrate in den USA von etwa einem Prozentpunkt sinkt nach
Informationen des internationalen Währungsfonds das Wachstum in
der Eurozone um 0,2 Prozentpunkte. Allgemein ist die Bedeutung der
USA für die Weltwirtschaft eher zurück gegangen.

lustig: Hallo, woran liegt es,
dass wir zurzeit einen Aufschwung haben?

Christian
Dreger
: Der Aufschwung, den wir im Moment haben, kommt
letztendlich von der weltwirtschaftlichen Entwicklung, die ja schon
seit einigen Jahren überaus positiv verlaufen ist. Dies hat dazu
geführt, dass zunächst die Exporte angezogen sind.
Verspätet hat dann die Entwicklung auf die Binnenkonjunktur
übergegriffen. Die Verzögerungen
sind im Wesentlichen durch die Restrukturierungen in den Unternehmen
begründet, die die allgemeinen Wettbewerbspositionen der Firmen
erheblich verbessert haben. Dazu hat auch die Lohnmoderation
beigetragen. Dies hat über anziehende Investitionen zu einem
Beschäftigungsanstieg geführt, der nun den höheren
Konsum nach sich zieht – also ein klassisches Muster für
Deutschland, allerdings mit Verzögerungen bzgl. des Übergreifens
der Welt- auf die Binnenkonjunktur.

Moderatorin:
Wir haben in der Zwischenzeit bei den Chatteilnehmern nachgefragt:
Schüren die Börsenturbulenzen bei Ihnen Angst um den
Arbeitsplatz? 21 Prozent sagen ja, 79 sagen nein. Wie stehen sie
dazu, Herr Dreger?

Christian
Dreger
: Würde ich auch unterschreiben. Arbeitsplatzverluste
könnten ja nur bei einer Abkühlung der Konjunktur drohen.
Wenn die Konjunktur nachhaltig zurückgeht, wird sicherlich die
Schaffung neuer Arbeitsplätze behindert und bestehende gehen
verloren. Das ist aber nicht das Szenario, was wir von den
Börsenentwicklungen her erwarten, jedenfalls nicht für
Deutschland.

levi: Wie
sieht das Worst Case Szenario aus?

Christian
Dreger
: Das Worst Case Szenario sieht so aus, dass wir jetzt
tatsächlich einen erheblichen Rückgang der konjunkturellen
Expansion haben und dass uns die Finanzkrise der USA in erheblich
stärkerem Maße trifft und den Aufschwung in Deutschland
beendet. Dies ist aber eher ein unwahrscheinliches Szenario.

Moderatorin:
Noch ein Expertentipp für den Bürger:

afw9:
Würden sie (langfristig orientierten) Anlegern weiterhin dazu
raten, ihr Geld in Aktien anzulegen (vgl. Kostolanys
Schlaftabletten-Taktik)?

Christian
Dreger
: Sicherlich ist es eine gute Idee, sein Portfolio
teilweise in Aktien zu halten. Aktienanlagen sind zwar mit höherem
Risiko ausgestattet als andere, haben dafür aber auch eine
höhere Rendite. Wenn man sich die langfristige Entwicklung
ansieht, dann sind wir im DAX immer noch erheblich höher, als
die Indexstände in der ersten Hälfte des Jahres 2006. Der
Index stand bei etwa 5300 bis 5500 Punkten. Gegenwärtig sind wir
20 Prozent darüber. Es kommt natürlich immer darauf an,
welche Aktien man wählt. So sind Unternehmen des TecDAX heute
teilweise noch erheblich unter ihren Höchstständen aus der
Zeit des New Economy Booms. Bei Standardwerten sollte die
langfristige Tendenz eindeutig nach oben zeigen.

Moderatorin:
Eine Stunde tagesschau-Chat ist vorbei. Dankeschön an Herrn
Dreger für die Ausführungen und Analysen. Dankeschön
auch an unsere User für die vielen Fragen, die wir leider nicht
alle stellen konnten. Das tagesschau.de-Team wünscht allen noch
einen schönen Tag.

Christian
Dreger
: Vielen Dank!

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