Chat mit Otto Schily

Leggewie, Pfeiffer, Schily, Hauff




 

Dieses Transcript ist eine Zusammenfassung der Podiumsdiskussion. Das Video der
vollständigen Diskussion können Sie sich auf der Seite von
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Moderator: Sehr geehrte Podiumsgäste, liebe Chatteilnehmer! Im Namen von stern.de, dem Bundesinnenministerium, politik-digital.de
und TV1.de möchten wir Sie ganz herzlich zum heutigen Chat begrüßen. Thema der Diskussion soll
besonders die Bedeutung des Internet für Politik und Verwaltung sein. Wir wünschen viel Spaß!
Pfeifer: Herzlich willommen zu unserer Diskussion. Im Mittelpunkt steht das Thema "Innenpolitik in der Wissensgesellschaft".
Es geht um die Frage der Bedeutung des Internets. Bevor wir in das Gespräch einsteigen, möchte ich das
Podium vorstellen. Herr Innenminister Schily, Herr Dr. Hauff, KPMG-Vorstandsmitglied, und Herr Prof. Dr. Leggewie,
Politikwissenschaftler an der Universität Gießen.
Pfeifer: Weiterhin möchte ich begrüßen den 13er Leistungskurs Politik des Schillergymnasiums Hameln.
Pfeifer: Herr Minister, eine Frage: Was würden Sie präferieren, eine Wahl auf dem Münchner
Marienplatz oder eine im Internet?
Schily: Wir müssen beide Möglichkeiten nutzen, die rechtsstaatliche Republik ist immer an neue Kommunikation
gebunden….
Schily: Republik heißt "die öffentliche Sache", und wenn der Staat seine Aufgabe erfüllen will, den
Bürgern Mitwirkung zu ermöglichen, dann müssen die Neuen Medien neben den traditionellen Medien eingebunden
werden, denn das Internet ermöglicht eine neue Form der Teilhabe.
Pfeifer: Frage an Dr. Hauff, glauben Sie, dass man e-Government in der Industrie betreiben kann?
Hauff: Ich glaube, dass das in Deutschland schon Wirklichkeit ist. Gerade in der Standortentscheidung sind gut ausgebildetes
Personal und die Arbeit mit neuen Technologien von großer Bedeutung…
Hauff: Aber auch dadurch, dass Wirtschaft und Verwaltung heute in vielen Bereichen enger zusammen arbeiten müssen,
hat natürlich die Wirtschaft ein massives Interesse daran, dass die Verwaltung modern arbeitet.
Insofern wird das eGovernment immer wichtiger. In der Zukunft reicht es für die Verwaltung nicht, dass sie
die Neuen Medien hauptsächlich nutzt, um Informationen weiterzugeben, sondern sie muss sich die Prozesse
genauer anschauen und fragen, wie man Arbeitsprozesse transparenter machen kann. Dann kann auch ein ganz neues
Verhältnis zwischen Staat und Bürger entstehen.
Pfeifer: Frage an Herr Prof.Leggewie: Glauben Sie, dass die elektronische Agora eine Bereicherung für Sie ist?
Leggewie: Jede neue Technologie hat Vor- und Nachteile…
Leggewie: Diese Technologie hat den Vorteil der Interaktivität…
Leggewie: sie ermöglicht Rückkanäle, das ist der eigentliche Unterschied…
Leggewie: Es kommt gerade zu einer Kolonisierung der neuen Medien durch die alten, z.B. indem Fernsehen und Internet
zusammenwachsen. Und dann werden sich bestimmte Formen der Massenkommunikation auch im Internet durchsetzen…
Leggewie: Das Internet steht jedem offen, was ein großer Vorteil ist. So denke ich bei mehr Demokratie durch das
Internet nicht nur an die Modernisierung des Staates, sondern auch an die Mitwirkung von beispielsweise
Nichtregierungsorganisationen.
Pfeifer: Werden die Prozesse nicht die Verwaltung verändern, sie flexibler und durchsichtiger machen?
Schily: Das wird so sein, und das ist auch gut so. Wir haben im letzten Jahr mit dem Programm "Moderner Staat" eine
Modernisierung gemacht, eine Internetseite, die sehr gefragt ist. Wir haben zahlreiche Inititativen gestartet,die
die Verwaltung verändern, z.B. bieten wir Diskussionsforen an und werden jetzt auch Gesetze ins Netz stellen.
Das ist natürlich eine Sache, die gerade die Bürgerinnen und Bürger sehr interessiert. …
Schily: Das erfordert natürlich auch neue Fähigkeiten bei den Beschäftigen, mit diesem Medium umzugehen. Wir sind auch
in der IT Ausbildung sehr erfolgreich, so haben wir z.B. den IT-Trainings-Award 99 für unser Grundkonzept
mit der IT-Fortbildung bekommen, worauf wir als Bundesregierung auch sehr stolz sind.
Pfeifer: D.h. den alten Verwaltungsbeamten gibt es nicht mehr. Wie würden Sie den neuen dynamischen Verwaltungsarbeiter
beschreiben?
Schily: Der ist flexibel, der ist unbefangen, der ist kommunikativ, der ist nicht dogmatisch festgelegt. Das ist eben ein
ganz anderer Typ, der auch einen anderen Umgang mit den Menschen hat, ein anderes Wahrnehmungsvermögen.
Moderator: Was bedeutet denn E-Government konkret?
Schily: Wir stellen Gesetzestexte ins Internet, um Teilhabe zu ermöglichen und
laden gerne Interessierte ein mit dem Ministerium zu diskutieren.
Wir testen auch Wahlverfahren über das Internet…
Schily: Eine große Rolle dabei spielt noch die Geheimhaltung des Wahlgeheimnisses. Auch die Sicherheit vor Angriffen,
Datenschutz ist sehr wichtig. Das Internet darf nicht zu einem rechtsfreien Raum werden, dazu gehört auch, dass
kriminellen Aktionen im Internet wie Kinderpornographie oder
Rechtsradikalismus verhindert werden müssen, ebenso die organisierte Kriminalität.
Christina: Wie soll e-voting praktisch ablaufen und welche Abstimmungen können wirklich im Internet stattfinden?
Leggewie: Im Prinzip können alle Wahlen über das Internet abgewickelt werden…
Leggewie: aber nur, wenn die digitale Sicherheit gewährleistet ist, wenn es also sichere digitale Signaturen gibt,
so weit sind wir noch lange nicht…
Leggewie: Es gibt in den Vereinigten Staaten Probeläufe, also machbar ist es. Die Frage, die aber viel wichtiger ist:
Wofür brauchen wir das. …
Leggewie: Das eVoting ist ein Mittel um Mehrheiten zu ermitteln, im eVoting passiert das gleiche wie in den
Briefwahlen. Bei ICANN wird z.B. im Moment auch elektronisch abgestimmt…
Leggewie: aber wozu: Steigert das die Wahlbeteiligung? Gelegentlich. Für wen ist das gut? Für Leute, die einen weiten Weg zu
ihrem Wahllokal haben. Ich bezweifle, dass sich so die Wahlaktivität steigern lässt. Ich warne auch
davor, elektronische Demokratie auf den Akt des elektronischen Wählens zu reduzieren. Das wesentliche Neue ist
die öffentliche Diskussion, die über das Internet stattfinden kann…
Leggewie: Das stellt eine Kulturrevolution für die traditionelle Verwaltung dar: der traditionelle Anstaltsstaat, der sich
jetzt öffnet, bürgernah wird, flache Hierarchien, flexibilisierte Strukturen. Das betrifft zunächst die Arbeit
innerhalb der Ministerien selbst, und es betrifft auch das Verhältnis von der Verwaltung zum Bürger, das direkter
wird…
Leggewie: Der Prozess wird uns sicher noch die nächsten 10 Jahre beschäftigen.
antigone: Wann glauben Sie, wird die erste Bundestagswahl übers Netz stattfinden?
Schily: Ich bin kein Prophet, ich glaube auch, dass das noch dauern kann, bis die Fragen der Sicherheit gelöst sind.
Wichtig ist, dass wir mit der Initiative D21 zusammen mit der Wirtschaft über diese Prozesse nachdenken.
Und es ist sicher auch gut, wenn man die ersten Probeläufe auf begrenztem Raum macht, und nicht gleich an die
Bundestagswahl denkt.
Hauff: Ich würde dazu raten, dass wir die Frage nach dem eGovernment differenzieren. Das Erste ist die Bereitstellung
von Informationen, ich glaube, das hat in Deutschland bereits einen sehr guten Zustand erreicht. Das ist die erste
Ebene. Das zweite ist die Frage, wann kommen wir dazu, dass Verwaltungsakte übers Netz ablaufen können? Der dritte
Bereich ist dann: Wie kommen wir dazu, dass wir mehr Meinungsaustausch haben durch das Netz, dass also die
Diskussion über öffentliche Angelegenheiten öffentlich stattfindet? Und das letzte wäre dann das e-Voting.
Hauff: Aber man muss auch die Frage berücksichtigen: wem nützt es eigentlich? Wie kommt es dazu, dass es wirklich
Demokratie im Sinne von Chancengleichheit ist…
Hauff: Das wichtigste ist: wann haben die Bürger eine wirkliche Erleichterung? Auch im öffentlichen Sektor
ist ein großes Ersparnis-Potential vorhanden.
Bo: Thema Bürgerbeteiligung: was nützen die vielfältigen Möglichkeiten des Internet, wenn
dem Bürger verfassungsrechtlich keinerlei Möglichkeit dazu gegeben wird? Stichwort "Volksentscheid"!
Leggewie: Ich glaube, dass die Beispiele, die Dr. Hauff ansprach, sehr brisant sind…
Leggewie: Es kommt immer darauf an, was man zur Abstimmung stellt…
Leggewie: Die rot/grüne Regierung könnte etwas mutiger sein mit ihrem angekündigten Vorhaben,
Volksentscheide in den Mittelpunkt zu stellen. Ich stimme hier Herrn Schily zu, dass man da erstmal mit
kleineren Projekten beginnt, etwa auf kommunaler Ebene, um das zu testen…
Leggewie: International geht der Trend eindeutig in Richtung einer stärkeren direkten Partizipation der Bürger an den
Entscheidungen…
Leggewie: Aber man sollte das nicht nur beginnen, um abzustimmen, eVoting ist sozusagen nur das Tüpfelchen auf dem i. Das wichtige
ist das, was dem vorausgeht, also die Erörterungen vor den Entscheidungen. Die neuen Medien unterstützen
diesen Prozess.
Schily: Ich muss Herrn Leggewie wiedersprechen, es gibt kaum eine mutigere Bundesregierung als die amtierende, wir haben den
Reformstau aufgelöst, ich muss das noch mal betonen. In den Koalitionsvereinbarungen steht, dass wir uns um
diese Fragen kümmern müssen….
Schily: Allerdings brauchen wir für die Frage des Volksentscheides eine verfassungsändernde Mehrheit gemeinsam
mit der Opposition…
Schily: Aber man kann z.B. über Volksentscheide oder Internet keine Budgetentscheidungen treffen, das ist
völlig unmöglich, und viele scheinbare Sachfragen hängen eng mit Finanzentscheidungen zusammen…
Schily: Man sieht an der aktuellen Debatte über die EU-Osterweiterung, dass den Debatten und Abstimmungen die
Information vorausgehen muss. Die Sachfragen sind oft so kompliziert und vielschichtig…
Schily: Wir müssen ja auch fragen, wer sich bei Volksentscheiden durchsetzt, welche Gruppen. Wir müssen in
der Frage des Volksentscheides genau abwägen. Und wir müssen erkennen, dass bestimmte Materien für einen
Volksentscheid nicht geeignet sind.
Pfeifer: Es ist an der Stelle ganz interessant, noch einmal in den Chat zu schauen. Die Frage der Sicherheit ist ganz wichtig.
ChristianFrieden: Es wäre künftig auch ein digitaler Staatsstreich über das Internet denkbar. Werden couragierte
Hacker die übernächste Regierung stellen??
Schily: Also ich bin nicht für apokalyptische Visionen zuständig. Wir müssen aber sicherstellen, dass die
Infrastruktursysteme nicht solchen Gefährdungen ausgesetzt werden…
Schily: Wir haben aber eine spezielle Arbeitsgruppe, die sich mit dem Schutz der staatlichen und militärischen
Infrastruktur beschäftigt…
Schily: Das Jahr-2000-Problem haben wir auch gemeistert. Neue Technik erfordert
neue Sicherheitsstandards. Die Hacker können sogar nützlich sein, wenn
sie zeigen, wo die Schwachstellen sind, vielleicht sollten wir auch bei
uns mal einen "Hacker einstellen. Unsere TaskForce entwickelt Techniken
wie das Programm Sphinx.
Pfeifer: Es ist wichtig, an dieser Stelle mal auch einmal nach dem Zugang zum Internet zu fragen.
JoachimMertelmeyer: Solange nicht jeder Haushalt einen Internetzugang hat, werden aber bestimmte Gruppen von dieser Art der
politischen Mitbestimmung ausgeschlossen.
Pfeifer: Kann man Internetsäulen neben Litfasssäulen stellen, an denen sich die Bürger ganz selbstverständlich
informieren können?
Schily: Also Internetsäulen in Fußgängerzonen, ich weiß nicht..
Schily: Aber die Zielsetzung ist richtig, jeder soll den Zugang haben, das ist einerseits eine Frage der Ausbildung
und auch eine Frage der Zeit. Die ältere Generation wird sich nicht mehr so ganz da hineinfinden, das ist leider
so. Ich habe mich schon bemüht, mitzuhalten, damit ich bei den Kindern nicht
als unwissend gelte. Der Staat und die Wirtschaft müssen dafür sorgen, dass auch die Preis- und
Angebotsverhältnisse so sind, dass da nicht bestimmte Sperren vorhanden sind.
Hauff: Wir haben im Moment die Situation, dass in Deutschland etwa 16 Millionen Menschen am Netz sind…
Hauff: Im Verkauf von PCs hatten wir zuletzt die stolze Zuwachsrate von 14 Prozent, und das wird sich fortsetzen…
Hauff: Ein ganz anderes Problem ist: Wie sieht eigentlich die Medienkompetenz der Menschen aus, die mit der
Technik umgehen?…
Hauff: Die Technik ist nicht das Problem, die wird billiger werden, wie auch die Netze und der Zugang…
Hauff: allerdings bleibt die Frage nach der Qualifizierung der Menschen im Umgang mit dem Medium
Hauff: Die Frage: "Wie chanchengleich ist der Zugang?" ist meines Erachtens primär eine Frage nach unserem
Ausbildungssystem.
sgh: Hallo, wir sind Schüler des 13. Jahrgangs des Schiller-Gymnasiums in Hameln. Herr Schily, wie wollen Sie
eGovernment umsetzen, wenn noch nicht einmal jeder Jugendliche in der Schule Zugriff auf einen Computer hat?
Leggewie: Damit jeder Schüler etc. Zugang hat, braucht man nicht nur Geld, man braucht auch Medienkompetenz und
Betreuung…
Leggewie: Wir werden etwa im Jahre 2010 in der Situation sein, dass das Internet ein Massenmedium ist…
Leggewie: Das Problem ist nicht quantitativ, so wie heute jeder ein Telefon und einen Fernseher hat, so werden dann alle
Zugang zum Internet haben…
Leggewie: Die Frage, ob die Wissenskluft in der Gesellschaft sich verbreitern wird, ist eine der Bildungsqualifikation.
Die intelligente Nutzung der neuen Medien muss erlernt werden, wir müssen sehr stark die politische
Bildung in den Vordergrund rücken…
Leggewie: Sie wird noch wichtiger als jemals zuvor, in einer immer stärker privatisierten und kommerzialisierten
Medienlandschaft den Zugang zu politischer Information zu sichern. D.h. die Aufgaben der politischen Bildung
sind geradezu dramatisch gewachsen und können nicht einfach den großen Medien- und Telekomunikationsunternehmen
überlassen werden.
Schily: Ihnen ist vielleicht entgangen, dass wir genau ihre Gesichtspunkte verstärkt bei der Bundeszentrale
für politische Bildung betonen…
Schily: Aber die Schüler in Hameln haben auch recht, die Bildungsminister müssen mithelfen, alle Schulen
ans Netz zu holen. Auf die Medienkompetenz kommt es natürlich an und das geht weit darüber hinaus, ob man
diese technischen Geräte bedienen kann…
Schily: Die Auswahl an Information ist wichtig, Zeitökonomie, das Richtige und Wichtige aus dem Wust, den
Suchmaschinen ausspucken, heraussuchen.
Pfeifer: Ich würde gerne noch mal auf das konkrete Angebot des E-Government zurückkommen. Worin besteht das
Angebot des E-Governments?
Schily: Es besteht darin, dass wir den Prozess der Verwaltungsmodernisierung ins Internet eingestellt haben, dort können
sich die Bürgerinnen und Bürger auch äußern,…
Schily: Außerdem werden wir gewisse Gesetzgebungsvorhaben in das Internet einstellen und im Vorlauf dieser Gesetzgebungsvorhaben werden
wir auch den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, an diesen Gesetzgebungvorhaben teilzunehmen.
sgh: Sind Sie der Meinung, dass durch eDemocracy Politikverdrossenheit verringert werden kann?
Leggewie: Ja, das glaube ich schon…
Leggewie: Wenn man darunter nicht nur das Medium versteht, die Demokratie kommt vor der Technik…
Leggewie: Es gibt eine Differenz zwischen denen, die desinteressiert sind und denen, die sich mehr dafür interessieren…
Leggewie: Die müssen wir ansprechen, wir müssen herausstellen, dass es ein interaktives Medium ist, das denen
die Möglichkeit gibt sich zu beteiligen, die sowieso interessiert sind und das ist nicht schlecht.
Hauff: Ich würde gerne die Frage der Schulklasse etwas zuspitzen…
Hauff: Wenn die Angebote im Netz, was Information, was Meinungsaustausch angeht…
Hauff: Das Internet ist kein Instrument, das die Politikverdrossenheit löst, die Inhalte müssen anders werden
Pfeifer: Wie geht man denn mit den gesteigerten Anfragen, die durch das interaktive Medium entstehen, um?
Schily: Zur Modernisierung erwarten die Bürger Antworten, wir haben 2500
Anfragen zur Verwaltungsmodernisierung bekommen, die wollen wir nicht
standardisiert beantworten.
Schily: Die Dialogform, die das Internet bietet, ist natürlich sehr wichtig, auch im Feedback, dass die Politik dadurch bekommt,
aber jeder muss sich erst mal überlegen, wie er mit den direkten Anfragen zurecht kommt. Für mich
überwiegen die positiven Möglichkeiten, die sich heute gerade durch die Dialogform bieten.
Hauff: Dazu wollte ich auch noch was sagen, wir machen natürlich auch unsere Erfahrungen mit dem Netz…
Hauff: Wir machen bei der KPMG für 2 Stunden am Tag ein Fenster auf und da kann sich jeder beteiligen oder auch nur zuhören.
Die Diskussion ist dann für jeden zugänglich
Schily: Wir machen unsere Hotlines ja auch für Bürgerfragestunden, das hat positive Wirkung, aber die
die nicht durchkommen, sind doch noch frustierter als ohne Hotline..
Hauff: Aber ich denke, dass hat keine Zukunft. Ich rede über den Fall, dass auch x-andere dabei zugucken können. Das ist dann
eine andere Form einer politischen Debatte.
Leggewie: Warum leiden wir unter einer Informationsflut?…
Leggewie: Die Welt ist ein Dorf geworden, wir sind auch an Dingen beteiligt, die weit weg sind und sie interessieren uns…
Leggewie: Das Internet greift Probleme der ganzen Welt zur Debatte auf, deshalb haben wir eine solche "Flut"…
Leggewie: Am Bsp. der Gesetzestexte im Netz sieht man, dass sie an sich sind noch nicht für jeden lesbar sind…
Leggewie: Deswegen reicht es nicht, Gesetzestexte einfach nur ins Netz zu
stellen, wir müssen Übersetzungshilfen bieten, aber auch fragen, ob der
einfache Mitarbeiter oder ein Beamter in einem Rathaus das leisten kann
bzw. darf oder ob die traditionellen Hierarchien soetwas verhindern.
Das habe ich bereits eben mit dem Begriff der "Kulturrevolution"
angesprochen…
Leggewie: Durch intelligente Navigationsangebote kann man das Problem der Informationsflut umgehen, von dem eben Herr Schily
vollkommen zurecht gesprochen hat…
Leggewie: oder auch durch Datenbanken und politische Informationssysteme, die vorselektieren und den Orientierungsverlust im Netz abbauen.
karl: Sind neue Medien denn sozial gerecht? Oder fördert man nicht die Schere zur finanziellen und intellektuellen
Elite? Wie steuert man dagegen?
Schily: Die soziale Gerechtigkeit der Neuen Medien ist für uns ein Thema, genau wie die Medienkompetenz, was wahrscheinlich sogar
noch der entscheidendere Faktor ist. Aber sie müssen auch ökonomisch damit umgehen, wenn Menschen den
ganzen Tag vor dem Bildschirm verbringen halte ich das auch nicht für gesund…
Schily: Einstellungen und Vorurteile sind gefährlich: Ich stimme ja Herrn Leggewie zu, aber man muss sich doch auch fragen, sind solche
Navigationshilfen nicht auch Steuerungen von Einstellungen oder des Bewusstseins. Oder es können ja auch bestimmte Informationen
ausgespart werden. Die Probleme sind also vielschichtig.
Leggewie: Ein Satz noch: Sie vertrauen aber auch bspw. einer Tageszeitung, aber eine Zeitung nimmt auch eine
unglaubliche Selektion vor, kommentiert, analysiert…
Leggewie: Es gibt ein Vertrauen der Leser zur Zeitung, das gibt es im Internet noch nicht…
Leggewie: Aber die ganze Frage kann nicht tabusiert werden, dass wir Navigationshilfen und Informationshilfen brauchen, deren Kriterien
natürlich offengelegt werden müssen.
sgh: Das Problem ist nicht nur mit Computern gelöst, es müssen doch auch Lehrkräfte eingestellt
werden, außerdem müsste dieser Unterricht in den Lehrplan integriert werden?
Schily: Also, zu der Schülerfrage: das Programm von Frau Bulmahn hat das vor,
sie müssen aber wissen, dass Fragen zur Ausbildung, Schule etc.
meistens Länderangelegenheiten sind, aber bei der Initiative D 21 ist
dies auch ein Punkt der Diskussion.
sgh: Frage an Herrn Schily: Inwieweit nutzen Sie selbst das Internet oder Neue Medien, z.Bsp. E-Mail,
Online-Nachrichten, Diskussionsforen etc….
Schily: In meinem Büro hab ich natürlich einen PC und Internet. Auf Reisen habe ich meinen Laptop mit Modem, selbst in den Ferien
nutze ich E-Mail und Internet ganz selbstverständlich.
sgh: Sollte man dann nicht noch mehr Möglichkeiten zur horizontalen Kommunikation schaffen, wie direktere
Chats oder e-mail Briefwechsel mit Abgeordneten???
Pfeifer: Haben Sie den Eindruck, dass durch diese neuen Formen der Kommunikation wie email bestimmte hierarchische
Strukturen nicht mehr greifen?
Schily: Im Rahmen der Modernisierung sollen hierarchische Strukturen abgebaut werden, durch die technischen Neuerungen
ergeben sich neue Möglichkeiten. Allerding heißt das nicht, dass ich meine Briefe selber schreibe. Dazu
ist das Programm bei einem Minister dicht. Wenn ich hier im Chat die Frage lese, "sollte man nicht die horizontalen
Kommunikationsmöglichkeiten noch mehr nutzen", dann meine ich email ja, aber natürlich landen nicht alle emails bei
mir auf dem Bildschirm, da wird auch viel herausgefiltert und wird dann von einem Mitarbeiter des Ministeriums
beantwortet. Eine Reform werde ich nämlich nie schaffen, die Verlängerung des Tages von 24 auf 48 Stunden.
Moderator: Kurz mal zum Thema Rechtsextremismus eine Frage, da gibt es auch ein Menge momentan im Chat.
Gerd: Hallo, ich bin 16 Jahre alt! Eine Frage an Herrn Schily: Ich spreche mit vielen Menschen über den
Rechtsradikalismus in Deutschland, und ALLE sagen mir das gleiche: Aufkleber wie "Mut gegen rechte Gewalt"
oder Anzeigen mit "Gegen rechte Gewalt" sind schlecht! Wieso nicht: "Mut gegen jede Gewalt" oder "Gegen Gewalt".
Ich will damit sagen, dass sich die Politik und die Medien zur Zeit viel zu sehr an einem Thema orientieren.
Rechte Gewalt muss genauso wie Linke und Ausländergewalt bestraft werden, und zwar hart! Stimmen Sie mir
dem zu?
sgh: Das Thema Zensur im Intenet ist recht vielschichtig. Inwiefern dürfen politische Inhalte zensiert werden
ohne die Meinungsfreiheit einzuschränken? Ausgenommen selbstverständlich sehr radikale Inhalte…
Schily: Wir haben ca. 350 Websites mit abscheulichem rechten und antisemitischem Inhalt und von denen werden die meisten über Provider
aus den USA oder Kanada eingespeist…
Schily: Wir sind hier mit den Providern im Dialog, die sehr kooperativ sind,
solche Websites herauszunehmen. Was in den USA passiert, ist schwer zu
beeinflussen. Diese Fragen sind Teil des bilateralen politischen
Dialoges, der geführt werden muss, damit in anderen Ländern diese
Einspeisung unterbleibt. Ich schließe es übrigens auch nicht aus, dass
wir vielleicht auch mal darüber
nachdenken, ob wir es hier nicht mit einem Sachverhalt zu tun haben,
der vergleichbar mit einem polizeilichen Störungszustand, den wir auf
der Straße finden, ist. Wenn hier in Deutschland ein NS-Symbol auf der
Straße gezeigt wird, kommt die
Polizei und beseitigt diesen Zustand, vielleicht können wir dies durch
technische Vorkehrungen auch irgendwann mal im Internet, natürlich
haben dem einige technische und rechtliche Überlegungen vorauszugehen.
Pfeifer: Stimmen Sie zu, dass es nicht nur gegen einen Aufruf gegen Rechts geht, sondern gegen Gewalt generell?
Schily: Wir haben ein Bündniss "Gegen Gewalt" und das richtet sich gegen alle
Gewaltmaßnahmen. Im Moment überwiegen allerdings die Bedrohungen aus
dem rechtsextremistischen Spektrum deshalb müssen wir uns hierauf
konzentrieren. Das kann man aber nicht nur mit
repressiven Mitteln, sondern man muss auch präventiv etwas dagegen tun.
Schily: Ich begrüße das sehr, dass jetzt auch Initiativen im Internet
entstanden sind, die gegen diese Entwicklung und die grauenhaften
Websites der Rechtsextremisten ein
Gegengewicht bilden.
Leggewie: Ich glaube, dass das der richtige Weg ist, man wird sie auf dem
jetzigen Wege nicht "bekämpfen" können. Das ist ein Kampf gegen einen
Drachen und in der Tat wird man sich auf die sehr liberale
Meinungsfreiheitspraxis der Vereinigten Staaten einlassen müssen. Das
musste man auch im Falle von Gary Lauck, der ungehindert seine
Propaganda aus den USA verbreiten konnte…
Schily: Aber Herr Leggewie
darf ich dazu gerade mal unterbrechen: Wenn wir hier einen Prozess
haben gegen jemanden aus diesem Spektrum wegen des Aufrufs zum Mord und
dieser Aufruf wird dann eingespeist ins Internet, über die USA, da hört
für mich die Meinungsfreiheit auf. Auch in den Vereinigten Staaten.
Aber es ist uns nicht gelungen dies zu verhindern. Deshalb müssen wir
da ernsthaft mit den Amerikanern reden, das geht so nicht weiter.
Leggewie: Keine Frage! Ich wollte nur sagen, der öffentliche Raum muss vor den
Rechten geschützt werden, das betrifft das Brandenburger Tor, das
betrifft den öffentlichen Raum, wo immer dieser auch ist, aber das
betrifft den Cyberspace, der aber auch durch Gegeninitiativen am besten
zu besetzen wäre! Deswegen bin ich der Meinung, hier zu dem Schaden,
den Rechtsradikale verursachen, nicht noch Aufregungsschäden
hinzukommen zu lassen.
Leggewie: Es gibt Maßnahmen bei der Bekämpfung des Rechtsradikalismus und der
Pornographie, die stark die Meinungsfreiheit einschränken, d.h.
ungewollt tut man da etwas, was eigentlich im Sinne der Rechtsradikalen
ist, nämlich die öffentliche Sphäre und die Meinungsfreiheit
einzuschränken. Man muss da immer abwägen, inwiefern man bei der
notwendigen Abwehr von Rechtsradikalen auch Güter verletzt oder
tangiert, für deren Erhalt wir uns innerhalb dieser Demokratie
eigentlich einsetzen.
Schily: Wo tun wir das denn Herr Leggewie? Bei der Kinderpornographie möchte ich das jetzt aber wirklich mal wissen!
Leggewie: Ich habe gesagt, dass die Gefahr besteht, z.B. im Parteiverbot, aber
auch die Filtersysteme die angeboten werden. Die
Filtersysteme, die z.B. in den USA eingesetzt werden, deren Nachteile
sind bekannt. Sie filtern sehr unvollständig, sie filtern z.B. etwas
beim Thema "Kinderpornographie raus, was unter den Stichworten "Kinder"
oder auch "Sex" nicht hätte rausgefiltert werden müssen, nämlich bspw.
auch die Kampagnen gegen Kinderpornographie.
Schily: Man muss dennoch vehement gegen diese abscheulichen Dinge vorgehen. Auch repressiv. Da gibt es für
mich keinen Zweifel und ich werde dafür sorgen, dass wir alle Maßnahmen, die uns zur Verfügung stehen, gegen solche Verbrecher
einsetzen.
Leggewie: Da ist auch kein Dissens zwischen uns. Ich möchte nur auf ein Problem hinweisen, dass ss schwieriger ist, gegen solche im
Netz verbreitete Informationen vorzugehen.
Hauff: Kein vernünftiger Mensch wird gegen Globalisierung ankommen, das schafft dann, wenn wir über das Netz
nachdenken, gewisse Probleme…
Hauff: Wenn Sie aber sagen, man sollte bei solchen Debatten keine nationalen Aufregungen verursachen, da möchte ich
Ihnen schon energisch widersprechen.
Leggewie: Ich habe gesagt: Aufregungsschäden.
Hauff: Ich meinte es auch, weil ich nicht glaube, dass wir zu Lösungen kommen,
bevor es richtige Aufregungen gibt. Der Fall, dass jemand einen
Mordaufruf im Internet macht und dies rechtsfrei bleibt, ist
unerträglich und wo man alles ausnutzen muss, damit man soetwas ändern
kann. Es kann sein, dass man dann zum Ergebnis kommt, das geht nicht.
Trotzdem: Die Möglichkeiten, die sich heute bieten sind noch
unausgeschöpft…
Hauff: Die Frage, die sich stelllt ist aber, wenn der Staat an seine Grenzen
stößt, warum dann die "res publika" ihren eigenen Raum nicht in Besitz
nimmt und definiert, was möchte ich im Netz haben und was nicht. Da ist
aber der Hinweis, dass es da Missbrauch durch Filtersysteme gibt ein
sehr technischer Einwand. Wir brauchen Aufregung darüber, ich finde es
tief beunruhigend, was da im Moment geschieht.
Pfeifer: Wir haben an dem Punkt die Frage eines internationalen Netzwerkes und
die einer globalen Innenpolitik behandelt, ich denke aber, das ist auch
eine neue Herausforderung vor der wir stehen. Wir nähern uns allmählich
dem Ende, ich will trotzdem noch die folgende Frage aus dem Chat
stellen:
sgh: Ist das Internet als dezentrales, internationales Netzwerk überhaupt durch eine Regierung kontrollierbar?
Schily: Eine Regierung kann das Internet überhaupt nicht kontrollieren, schon
technisch nicht. Und da es ein globales Medium ist und viele Websites
aus dem Ausland eingespeist werden, brauchen wir auch internationale,
multilaterale Zusammenarbeit…
Schily: Wir sind weit entfernt von einer Weltregierung, die wird es
wahrscheinlich auch nie geben. Trotz aller Begeisterung über das
Internet dürfen wir folgendes nicht vergessen: Die unmittelbare
Kommunikation ist weiterhin wichtig und notwendig. Wir brauchen die
Zusammenarbeit, um den Gefahren zu begegnen und auf der anderen Seite
müssen wir sehen, dass der lokale, der regionale, der nationale und der
kontinentale Zusammenhang immer seine Bedeutung behalten wird.
Schily: Deswegen dürfen wir den Zusammenhang, der heute bereits zwischen
kleinen Einheiten und der Globalität besteht, nicht aus den Augen
verlieren.
Pfeifer: Ist das nicht auch ein wissenschaftlich ineressantes Thema – eine neue Herausforderung?
Leggewie: An der Universität lehrt man normalerweise u.a. internationale Beziehungen und das politische System der BRD.
Anhand dieser Diskussion kann man aber sehr schön sehen, dass man kann die Trennung
zwischen nationaler und internationaler Politik nicht mehr aufrecht erhalten kann…
Leggewie: Ich habe ein bisschen die Sorge, dass wir zuviel über Risiken und
zuwenig über Chancen des neuen Mediums reden. Wenn man den Chat nochmal
durchgeht, haben wir sehr wenig über die Chancen gesprochen. Das
andere, was wir in der BRD sehr gerne tun, ist, über soziale
Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit sprechen, was dann auch immer als ein
Argument gegen das neue Medium angeführt wird, als hätte man soziale
Gerechtigkeit in einer Gesellschaft die vom Fernsehen und vom Rundfunk
bestimmt wird. Wir projezieren sehr viel an Problemen auf das neue
Medium, was ein Problem der Mediengesellschaft insgesamt ist…
Leggewie: Eben wurde das Thema UNO angesprochen. Vielleicht wäre es besser
gewesen, die Top-Level Domainvergabe vielleicht nicht der Firma ICANN
zu überlassen, sondern vielleicht wäre es bessser gewesen ein
internationales Gremium an die Vereinten Nationen anzuhängen.
Hauff: Zwei kurze Bemerkungen: Ja wir brauchen neue Kooperationsformen und es wird ein langwieriger
und schwieriger Prozess sein, wie wir in bspw. im internationalen Umweltschutz erlebt haben.
Hauff: Das zweite, wichtigere ist, wir müssen die Chancen des Internet mehr
betonen als die Risiken. Die Chancen für die Bürgerinnen und Bürger
sind noch völlig unausgeschöpft und es gibt eine Vielzahl von wirklich
verlockenden und interessanten Entwicklungen, die für den Einzelnen,
aber auch für die Wirtschaft als Ganzes interessant sind.
Pfeifer: Wenn Sie erlauben, würde ich das dann als Schlussstatement nehmen und Ihnen die Gelegenheit, Herr Minister,
für ein Statement geben.
Schily: Den Faden würde ich gerne nochmal aufnehmen. Ich fände es bedauerlich, wenn jetzt der Eindruck entstanden wäre, dass
wir die Risiken überbetont und die Chancen vernachlässigt hätten.
Schily: Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass wir die Chancen des Internets nicht sehen. Die Politik wird sich positiv durch die
neuen Kommunikationsmitteln verändern, was Flexibilität, Transparenz,
Legitimität angeht…
Schily: Die Bundesregierung hat das erkannt und setzt mit D21 und anderen Initiativen auf
die Chancen und die Medienverschmelzung. Vielleicht wird beim nächsten Chat dann nicht mal mehr getippt.
Schily: Ich bin angesichts der Geschwindigkeit der Innovation sehr optimistisch. Die Verbreitung des Internet geht
schneller als bei den alten Medien. Ich möchte mich mit einer optimistischen Haltung, einem positiven
Eindruck von unseren Chattern verabschieden!
Moderator: Liebe Podiumsgäste, liebe Chatteilnehmer. Vielen Dank im Namen von stern.de, politik-digital, TV1.DE
und staat modern, dass Sie sich Zeit für diese spannende Diskussion genommen haben. Wir haben sehr
viele Fragen leider nicht beantworten können. Alle Bürgerinnen und Bürger haben aber die
Möglichkeit, auf der Webseite des Innenministeriums
www.staat-modern.de
weiterzudiskutieren. Viel Spaß und nochmals vielen Dank.
Der nächste Chat findet am 27.9. hier mit dem Fraktionsvorsitzenden der SPD, Dr. Peter Struck, statt.