Dr. Norbert Röttgen
im tacheles.02-Chat am 31.03.2004
Moderator:
Herzlich willkommen im tacheles.02-Chat. Heute feiern wir ein kleines
Jubiläum: das ist der 100. Chat von tacheles.02 – dem Format von
tagesschau.de und politik-digital.de mit Unterstützung von tagesspiegel.de
und sueddeutsche.de. Heute ist Norbert Röttgen, CDU-Politiker,
Rechtsexperte und rechtspolitischer Sprecher der Unionsfraktion ins
ARD-Hauptstadtstudio gekommen. Herzlich willkommen, können wir
beginnen?
Norbert Röttgen: Ich möchte meiner Freude Ausdruck
geben, dass ich hier bei diesem Jubiläum sein darf und freue mich
sehr.
Moderator: Herr Röttgen, vor zwei Stunden hat in Berlin
die Afghanistan-Konferenz begonnen – der fortgesetzte Versuch, durch
die Stabilisierung des Landes dem internationalen Terrorismus eine Basis
zu entziehen. Was ist wichtiger, die Förderung Afghanistans oder
die gezielte Suche und Bekämpfung mutmaßlicher islamischer
Terroristen?
Norbert
Röttgen: Es wäre falsch, dies als entweder oder zu behandeln.
Ganz wichtig ist, die Ursachen des Terrorismus, die im Kern außerhalb
unseres Landes liegen zu beseitigen. Terrorismus ist letztendlich nicht
politisch oder militärisch zu besiegen, denn trotzdem hat der Staat
die exklusive Aufgabe alles Mögliche und rechtsstaatlich Mögliche
für die Sicherheit der Bürger zu tun und hier gibt es Defizite.
buerger: Trotz Terrorwarnungen, der große Lauschangriff
ist zunächst am Verfassungsgericht gescheitert. Wird das Thema
innere Sicherheit in Deutschland zu lasch gehandhabt?
Norbert Röttgen: Der so genannte große Lauschangriff
ist im Kern vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden, allerdings
gibt es ein großes Problem darin, die Entscheidung praxisgerecht
umzusetzen. Das Verfassungsgericht hat ausdrücklich das Recht jedes
Bürgers, einen absolut geschützten Rückzugsbereich zu
haben, höher bewertet, als das Allgemeininteresse, auch schwere
Kriminalität zu bekämpfen. Bei nur rund 30 Abhörungen
im Jahr wird damit nach meiner Überzeugung dem Individualinteresse
ein Übergewicht eingeräumt. Terroristen dieses Recht einzuräumen,
halte ich für falsch und die Entscheidung für schwer praktikabel,
weil sie Tarnmöglichkeiten für diejenigen bietet, die schwerste
Verbrechen heimlich verabreden und organisieren. Die Entscheidung des
Verfassungsgerichts wirft auch die unbeantwortete Grundsatzfrage auf,
wie das Verhältnis des Verfassungsstaates und der aktuellen terroristischen
Herausforderung gestaltet werden soll. Ich plädiere dafür
diese Grundsatzfrage – was kann, was darf der Staat – vor einem Terrorangriff
zu diskutieren und nicht nach einer möglichen Hysterie nach einem
Anschlag.
Moderator: Das Verfassungsgericht sagt: Kein Abhören im
Schlafzimmer. Heißt, ein bisschen übers Kuscheln reden und
schon schalten sich die Verfassungsschützer ab. Selbst wenn es
so wäre, hemmt das die Fahndung oder Überwachung von Terroristen
wirklich?
Norbert Röttgen: Ich meine leider ja. Sobald die Polizei
intimes Vokabular hört, das möglicherweise ja ein Code für
Absprachen ist, muss nach dem Urteil die Polizei abschalten; sie darf
nicht dokumentieren, sie muss abschalten. Wann darf die Polizei wieder
einschalten? Kann die Polizei ein Tonband, das läuft, von menschlichen
Stimmen unterscheiden? Bei nur 30 Maßnahmen im Jahr scheint mir
das eine Fehlgewichtung zu sein – jedenfalls gegenüber schwersten
Formen von Kriminalität, insbesondere von Terrorismus.
erez: Deutschland ist das Land mit der häufigsten Telefonüberwachung
(Prantl, SZ). Wie ist eine Überwachung zu rechtfertigen, die in
der Praxis zig Unbeteiligte unter Verdacht stellt und deren Durchführung
nicht einmal die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt. (Bekanntgabe
d. Überwachung an die Beteiligten nach d. Aktion)?
Moderator: Die mangelnde Bekanntgabe ist beispielsweise von
Herrn Ströbele scharf kritisiert worden.
Norbert Röttgen: Vollzugsdefizite sprechen nicht gegen
ein Instrument, sondern erfordern eine bessere Anwendung. Da muss man
die Anwendung verbessern, aber nicht das Instrument abschaffen. Keiner
bestreitet die hohen rechtsstaatlichen Anforderungen an solche Instrumente,
aber das darf kein Vorwand sein, sie gänzlich abzuschaffen oder
sie so auszugestalten, dass sie keine praktische Wirkung mehr haben.
elVisa: Die Zahl der Lauschangriffe steigt in Deutschland auch
ohne großen Lauschangriff. Wofür also der Sache Tür
und Tor öffnen, statt die bestehenden Gesetze auszuschöpfen?
Norbert Röttgen: Die Zahl steigt nicht, wir haben im Jahr
rund 30 solcher Maßnahmen (großer Lauschangriff), also ein
sehr zurückhaltender Einsatz. Die technischen Überwachungsmaßnahmen
sind zunehmend nötig um in abgeschottete organisierte Kriminalitätsstrukturen
eindringen zu können. Sie reflektieren also auch den hohen Organisationsgrad
von Kriminalität und das Tätigsein ethnisch sprachlich abgeschotteter
Täterkreise.
Moderator: Was ist mit der "allgemeinen" Telefonüberwachung?
Norbert Röttgen: Ich halte sie für ein unerlässliches
Instrument. Das auch einer intensiven Kontrolle bedarf aber unabweisbar
notwendig ist, um in organisierte Strukturen schwerer Kriminalität
eindringen zu können.
bürger: Wie ist es denn mit dem Hauptkommunikationsmittel
Internet – sind Deutsche Behörden personell und technisch ausreichend
ausgestattet, um die Sicherheit der Bevölkerung vor Anschlägen
abzusichern?
Norbert Röttgen: Es gibt Defizite in der Informationsvernetzung
der Sicherheitsbehörden. Ich halte es z.B. für skandalös,
dass wegen föderaler Finanzierungsstreitigkeiten es in Deutschland
noch keinen einheitlichen Digitalfunk der Sicherheitsbehörden gibt.
Wenn jeder in der Polizei wüsste, was die Polizei und die Sicherheitsbehörden
intern wissen, wären wir schone einen erheblichen Schritt weiter.
Moderator: Noch einmal die Frage bezogen auf den Informationsweg
der mutmaßlichen Terroristen – diese nutzen ja bekanntermaßen
das Internet sehr stark. Halten Sie da die Möglichkeiten der Ermittlungsbehörden
im Internet für ausreichend?
Norbert Röttgen: Da sehe ich kein Defizit, das Internet
erleichtert erheblich auch die Kommunikation von Verbrechern und Terroristen,
aber ich sehe kein Defizit im Zugriff durch die Polizei weil das Internet
sich durch allgemeine Zugänglichkeit ja gerade auszeichnet. Aber
es ist eben ein Instrument weltweiter Kommunikation auch für Terroristen.
Pohl: Ist es nicht so, dass man einen Terroranschlag einfach
nicht verhindern kann, wenn er sich gegen weiche Ziele richtet?
Norbert Röttgen: Keiner kann das Gegenteil garantieren,
aber man kann etwas zur Vorbeugung tun. In Deutschland sind eine Reihe
von Anschlägen verhindert worden, und das Gebot der Stunde heißt
auch Prävention. Die Repression stößt ja bei Menschen,
die bereit sind, ihr Leben wegzuwerfen, an Grenzen. Darum muss die Prävention
auf allen Ebenen gestärkt werden. Hier gibt es ungenutzte Instrumente
und Festhalten an überkommenem Souveränitätsdenken innerhalb
Deutschlands und zwischen den Staaten der EU.
MdB_Sachsen: Arbeitet der Datenschutzbeauftragte gegen die effiziente
Terrorbekämpfung?
Moderator: Dazu: Der Berliner Datenschutzbeauftragte Hansjürgen
Garstka hat heute davor gewarnt, Sicherheitsmaßnahmen zu Lasten
der persönlichen Freiheit einzuführen. Flächendeckende
Videoüberwachung, Telefonabhören zu präventiven Zwecken,
"Stille SMS" sind für ihn nicht mit rechtsstaatlichen
Grundsätzen zu vereinbaren
Norbert Röttgen: Das ist die Grundsatzfrage: Wie reagiert
der Verfassungsstaat auf Terrorismus. Ich möchte zugeben, dass
ich auf diese Frage noch keine abschließende Antwort habe, aber
ich bin nicht bereit, schlicht die Kapitulation des Verfassungsstaates
zu akzeptieren weil ohne Sicherheit Freiheit nicht möglich ist.
Und darum müssen wir nach meiner Auffassung alles Rechtstaatliche
ausschöpfen, z.B. als Instrument der Prävention eine Kronzeugenregelung
einführen, zur Verhinderung neuer Verbrechen. Tabuisierungen, wie
die von Ihnen zitierten, führen eine Weile zu Handlungsverweigerungen
und dann vielleicht nach einem Anschlag zu Übertreibungen und sind
damit gefahrsteigernd.
Moderator: Kommentar von :
opfer: Benjamin Franklin hatte da eine andere Auffassung.
Moderator: Nachtrag zur so genannten Stillen SMS:
Stille SMS = Eine SMS, die das Handy als "empfangen" an das
Mobilfunkunternehmen meldet, aber nicht auf dem Display oder im Speicher
anzeigt. Der Trick für Ermittler, die solche SMS verschicken: Dadurch
entstehen auch ohne "normale" Telefongespräche Verbindungsdaten
– die wiederum können die Ermittlungsbehörden praktisch gleichzeitig
am PC abfragen. Da die Verbindungsdaten auch zeigen, wo sich das Handy
befindet, weiß man dann auch, wo der Besitzer gerade ist (je nach
dem ob in der Stadt oder auf dem Land mit einer Genauigkeit von bis
zu einigen hundert Metern)
hennis: Wie kann man das Problem der zu Terrorzwecken nach Deutschland
einreisenden Personen in den Griff bekommen?
Norbert Röttgen: Indem wir alles tun, um stärkere
Kontrollen zu ermöglichen und wenn eine auf Tatsachen begründete
Gefahr mit der Einreise verbunden ist, die Einreise ablehnen. Wir brauchen
darüber hinaus erweiterte Möglichkeiten der Ausweisung, wenn
Tatsachen belegen, dass von einem Ausländer terroristische Gefahren
ausgehen. Die Hürden des Ausländergesetzes sind zurzeit zu
hoch, dies führt dazu, dass wir mit hohem Aufwand gefährliche
Personen in beachtlicher Zahl beobachten, aber nicht einschreiten können.
mwerner: Wie stellen Sie sich vor, stärkere Kontrollen
durchzuführen, ohne der Bevölkerung ihre Freiheit zu nehmen
(sprich Überwachungsstaat)? Die USA sind da ja eines der schlechten
Beispiele.
Norbert Röttgen: Sicherheit ist eine Voraussetzung der
Freiheit, die Opfer von Terrorismus sind auch in ihrer Freiheit und
in ihrem Leben beeinträchtigt, darum führt diese Alternative
in die Irre. Es geht immer um Abwägungen. Von dem gegenwärtigen
Terrorismus geht eine erhebliche Gefahr für einzelne Menschen und
unsere Gesellschaft aus und darum ist es ein Gebot der Freiheit und
Friedesssicherung effektiv vorzugehen.
Moderator: Die erste Frage wohl recht allgemein, die zweite
trifft den Kern meines Erachtens:
Bert Schlächter: Definieren Sie bitte Terrorismus!
buerger: Ab wann wird ein Extremist Terrorist – erst bei Planung
eines Anschlages oder bereits bei Ablehnung der Verfassung (des Gastlandes)?
Norbert Röttgen: Die Schwelle zum Terrorismus ist übersprungen,
wenn aus der Ablehnung des so Seins der westlichen Gesellschaften die
Bereitschaft folgt, aktiv und gewaltsam diese Gesellschaften zu zerstören.
Moderator: Sie haben gerade die Tatsachen erwähnt, auf
deren Grundlage man davon ausgehen kann, dass terroristische Gefahren
von Ausländern ausgehen:
Vogel: Der Begriff der Tatsachen ist ebenso problematisch, im
Strafrecht handelt es sich doch um eine ebenso hohe Hürde. Und
die Nachrichtendienste werden da in nächster Zeit nicht wirklich
mitspielen.
Moderator: Heißt, es entscheiden doch wohl Verdachtsgründe
und nicht überprüfbare Tatsachen?
Norbert Röttgen: Ich finde eine Tatsache ist es, wenn ein
in Deutschland lebender Ausländer nach Afghanistan in ein Camp
der Al Quaida ausreist. Das ist noch keine Straftat, aber ein objektiver
Umstand hoher Gefährlichkeit. Das halte ich nicht für tolerabel.
Eine Ausweisung ist nach geltendem Recht nicht möglich.
Moderator: Schilys Vorschlag für eine "Sicherungshaft"
bei terrorismusverdächtigen Ausländern, die nicht abgeschoben
werden können, ist sogar vom bayerischen Innenminister Beckstein
– bekanntermaßen kein Mann, der zimperlich ist – sehr zurückhaltend
aufgenommen worden. Der Innenminister überholt die Union derzeit
rechts, scheint es – alles nur Taktik oder wäre die Union bei einer
Sicherungshaft dabei?
Norbert Röttgen: Zum einen ist Herr Schily rhetorisch anspruchsvoller
als in seinem politischen Handeln, was aber vermutlich mehr an der Koalition
als an ihm selbst liegt. Der Vorschlag ist zweifelhaft, weil man gefährliche
Bürger oder Menschen ja nicht endlos in Haft nehmen kann, sondern
immer nur vorübergehend. Also nutzt eine solche Haft wenig, wenn
am Ende der Staat etwa bei gefährlichen Ausländern keine Handlungsmöglichkeit
hat. Positiv ist an dem Vorschlag, dass er uns zwingt über das
Verhältnis von der Sicherheitsaufgabe des Staates in einem ganz
speziellen Segment – Terrorismus – und den Freiheitsansprüchen
einzelner, die im Zusammenhang mit Terrorismus stehen, neu zu definieren.
Solange wir nicht hierüber im Grundsätzlichen Klarheit erzielen,
werden solche Vorstöße politisch und möglicherweise
auch Verfassungsgerichtlich ins Leere laufen. Mit dieser Methode erwecken
wir immer nur den Eindruck, dass Politiker die Backen aufblasen, aber
am Ende der Staat nicht handlungsfähig wird.
Moderator: Heißt: Schilys Vorschlag ist heiße Luft?
Wie will die Union das Problem konkret lösen?
Norbert Röttgen: Also, keiner kann in Anspruch nehmen,
ein Konzept zu haben, dass das Problem löst, aber es gibt ungenutzte
Instrumente. Ich wiederhole den Appell, aus der Praxis eine Kronzeugenregelung
für terroristische Straftäter wieder einzuführen. Wir
sind der Auffassung dass Ausweisungsvorschriften für gefährliche
Ausländer verschärft werden sollen. Wir halten es für
vertretbar und geboten, die speziellen Fähigkeiten der Bundeswehr
und nur diese bei besonderen Gefährdungslagen einsetzen zu können.
Wir brauchen eine Verbesserung der Strukturen innerhalb unseres Landes
und wir brauchen die Bereitschaft zum nationalen Souveränitätsverzicht
um der europäischen. Bedrohung durch Terrorismus eine europäische
Handlungsebene entgegenzustellen.
Moderator: Noch einmal zur Ausweisung: Löst aber das Problem
nicht, das entsteht, wenn man die, die man loswerden will, nicht loswerden
kann:
Vogel: Sicherungshaft wäre doch fast so etwas wie das deutsche
"Guantanamo".
svenje: Wieso nehmen die Regierung oder die Opposition keine
Stellungnahme zu Guantanamo Bay?
Norbert Röttgen: Darum führt Sicherungshaft allein
auch nicht weiter, weil Sicherungsmaßnahmen immer nur auf ein
bestimmtes Ziel hin verfolgt werden dürfen. darum muss die Handlungskompetenz
des Staates gestärkt werden.
Moderator: Sie fordern den Einsatz der Bundeswehr im Inneren:
leon: Aber die Bundeswehrsoldaten sind doch auch gar nicht ausgebildet
für einen solchen Einsatz.
Norbert Röttgen: Sie sollen ja auch nicht zur Hilfspolizei
werden, sondern das einsetzen, was sie an spezifischen Fähigkeiten
haben. Also z.B. bei Angriffen aus der Luft oder von See aus bei der
Abwehr biologischer und möglicherweise chemischer Waffen. In Extremfällen
aber auch die Sicherung von gefährdeten Gebäuden, was übrigens
eine der ausdrücklichen Aufgaben der Bundeswehr im Verteidigungs-
und Notstandsfall ist.
Moderator: Die Union hat gestern das Konzept verabschiedet,
wonach die Bundeswehr bis zu 50 "Regionalbasen Heimatschutz"
mit einer Stärke von bis zu 500 Soldaten für den Einsatzfall
in Bereitschaft gehalten werden sollen. Zentrale Aufgabe soll auch Hilfeleistung
bei terroristischen Angriffen – das geht auch ohne Heimatschutz. Außerdem
geht es um die Bewachung gefährdete Objekten – klingt doch sehr
nach Hilfspolizei. Ist das nicht Wahlkampfrhetorik ohne Wahlkampf?
Norbert Röttgen: Nein, es geht ganz ausdrücklich nicht
darum, dass die Bundeswehr mit allgemeinen polizeilichen Aufgaben betraut
wird. Es geht um Extremfälle .Und im Extremfall wird ohnehin das
geschehen, was notwendig ist. Wir halten es für besser, wenn wir
vorher mit kühlem Kopf beraten, was im Extremfall erlaubt sein
soll.
Moderator: Kommentare zu ihrer vorhergehenden Antwort:
Vogel: Da haben sie nicht Unrecht, in Afghanistan machen sie
zurzeit auch nix anderes, als Polizeiarbeit.
Vogel: Holen Sie lieber die ausgebildeten Polizeibeamten aus
den Verwaltungsebenen.
lars_dietrich: Die Einführung von Interpol seinerzeit und
anderen übergreifenden Ermittlungsorganisationen funktioniert nur
in der westlichen Welt – muss nicht der nahe und ferne Osten ebenfalls
eingebunden werden, damit ein Terrorist sich nicht einfach absetzt?
Norbert Röttgen: Eine große Aufgabe besteht darin
auch die Staaten, aus denen terroristische Gefahren entstammen in den
Verbund internationalen Organisationen einzubeziehen. Je weiter der
Einfluss demokratischer auf Friedenssicherung orientierter internationaler
Organisationen ist, desto geringer sind die Chancen für Terrorismus,
die sich ja gegen Demokratie, Toleranz, Menschenrechte wenden.
Moderator: ein innerdeutsches Streitthema:
Stefan N.: Umzug des BKA: Sie sind ein Verfechter, dass das
Amt seine Außenstelle in Meckenheim erhalten soll. Klar, ist auch
ihr Wahlkreis. Aber mal ehrlich: Wäre es langfristig nicht kostengünstiger,
den Standort nach Berlin zu verlegen?
Stefan N.: Noch einmal BKA-Umzug: Ein weiteres Argument für
den Umzug ist doch auch, dass die BKA-Hausleitung näher am politischen
Berlin dran wäre. Beim BKA handelt es sich ja nicht um einen Richter,
der unabhängig von Weisungen arbeiten soll.
Norbert Röttgen: Es ist ganz sicher nicht kostengünstiger
umzuziehen (Kosten ca. 600 Mio. Euro), aber das wichtigste ist, dass
es nicht besser wäre für die Aufgabe des BKA. Wer gerade in
einer Zeit terroristischer Bedrohung eine wichtige Sicherheitsbehörde
in Umzugskartons stecken möchte, schwächt die Funktionsfähigkeit
dieser Behörde. Nicht zuletzt durch Personalverlust.
Moderator: Klingt doch nach Standortpolitik: Der Bundesnachrichtendienst
muss umziehen, weil es angeblich besser ist.
Norbert Röttgen: Es ist auffällig, dass Innenpolitiker
aller Bundestagsfraktionen nachdrücklich vor dem Umzug warnen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass nur die Frage der Leistungsfähigkeit
des BKA das Kriterium für die Entscheidung über den Umzug
sein kann. Im Bundestag gibt es eine handvoll MdBs aus den betroffenen
Regionen, aber eine Mehrheit gegen den Umzug.
Moderator: Was bringt der biometrische Abdruck (Finger / Augeniris
etc,) auf dem Pass. Eine Maßnahme die effizient sein könnte?
Verabschiedet ist sie ja schon.
Norbert Röttgen: Wenn sie europäisch vorgenommen wird
und sogar im transatlantischen Verbund halte ich es für eine Erfolg
versprechende Maßnahme. Das ist ein Beispiel, wo nationale Politik
nur ganz wenig bewirken kann.
Moderator: In welchem Zeitraum müsste sie eingeführt
werden? Wie lange könnte das beim Fingerabdruck dauern?
Norbert Röttgen: Es muss dann eingeführt werden, wenn
die technische Möglichkeit dafür zuverlässig vorhanden
ist. Zum Fingerabdruck: Weiß ich nicht.
Actron: Im Internet habe ich bei den Grünen soeben ein
Transkript einer Bundestagsdebatte über Sicherheitsverwahrung vom
12. Februar gefunden. Sie fallen vor allem durch 10 Zwischenrufe in
der Rede Ihres Kollegen Jerzy Montag auf, bei der Rede Ströbeles
am gleichen Tag waren es vier Zwischenrufe. In Ihrer Gegenrede am nächsten
Tag revanchieren sich die zwei mit insgesamt 18 Zwischenrufen. Ist das
so üblich oder schlechter Stil?
Norbert Röttgen: Wir sind eben dialogorientiert und bei
den Kollegen der Grünen war der Korrekturbedarf offensichtlich
sehr groß. Während die Folgerichtigkeit meiner Ausführungen
eigentlich keines Zwischenrufes bedurft hätte.
Moderator: Unsere Chat-Zeit ist um, vielen Dank für ihr
Interesse, vielen Dank an Sie, Herr Röttgen. Der nächste Chat
ist am Montag, 5. April um dreizehn Uhr. Dann chattet Martina Krogmann,
CDU-Abgeordnete und Internet-Beauftragte der CDU mit uns. Wir laden
Sie herzlich dazu ein. Die Transkripte aller tacheles.02-Chats finden
Sie auf den Seiten der Veranstalter. Das tacheles.02-Team wünscht
Ihnen noch ein schönen Tag- hoffentlich so sonnig wie derzeit in
Berlin!
Norbert Röttgen: Ich bedanke mich auch sehr und freue mich
dass ungewöhnlicherweise die Gelegenheit besteht, sich ausführlich
und differenziert über ein politisches Thema zu unterhalten. Viel
Erfolg weiterhin!