Chat mit Spiros Simitis, Vorsitzender des Nationalen Ethikrates und Datenschutzexperte
Genforschung
und Datenschutz liegen vermeintlich weit auseinander. Trotzdem kamen im
Chat mit Spiros Simitis sowohl die Stammzellenforschung als auch das
Sicherheitspaket von Innenminister Schily zur Sprache. Kein Wunder,
denn der Professor der Rechtswissenschaften ist Vorsitzender des
Nationalen Ethikrates und war einer der ersten Datenschutzbeauftragten
in Deutschland.
Zunächst
jedoch musste Spiros Simitis die Aufgaben des Nationalen Ethikrates
erklären, insbesondere in Abgrenzung zur Enquete-Kommission: "Beides
sind sehr verschiedene Gremien. Enquete-Kommissionen werden vom
Bundestag eingesetzt, zu sehr unterschiedlichen Fragen, und bestehen
für eine Legislaturperiode. Der Ethikrat ist zeitlich nicht gebunden
und ist zunächst von der Bundesregierung eingesetzt worden. Er ist aber
völlig unabhängig."
Der
Ethikrat beschäftige sich u.a. auch mit der Stammzellenforschung. Auf
das Problem des Grauimports von Stammzellen angesprochen meinte
Simitis: "Weil der Gesetzgeber sich nicht ausdrücklich geäußert hat,
ja, überhaupt nicht darauf eingegangen ist, bedarf es einer besonderen
Aussage. Die muss letztlich auch der Gesetzgeber fällen. Die
Stellungnahmen der Enquetekommissionen und des Ethikrates bahnen den
Weg dazu."
Auf
die Relevanz einer deutschen Gesetzgebung angesprochen, gestand Simitis
ein, dass man die gentechnische Forschung weltweit wohl kaum
kontrollieren könne. Er ergänzte jedoch: "Das entbindet uns nicht von
der Verpflichtung, nach Regelungen zu suchen, die unseren auch und
gerade im Grundgesetz verankerten Prinzipien entsprechen."
Simitis
forderte zudem zusätzliche Maßnahmen auf europäischer Ebene: "Wir
brauchen unbedingt gemeinsame Regelungen. Ein Beispiel: Wenn die
Stammzellen aus Göteborg importiert werden sollten, muss es gemeinsame
Grundsätze geben, ansonsten landen wir vor dem europäischen
Gerichtshof. Und nichts könnte schlimmer sein, als Stammzellen wie
Bananen zu behandeln."
Das
andere große Thema des Chats war der Datenschutz. Von 1975 bis 1991 war
Spiros Simitis Datenschutzbeauftragter in Hessen. Seine Einschätzung
von Innenminister Schilys Sicherheitspaket war eindeutig: "Ich bin sehr
kritisch diesen Vorschlägen gegenüber. Ich meine, sie sind zu schnell
gemacht worden, sie nehmen nicht zur Kenntnis, was gegenwärtig bereits
gemacht werden kann, sie geben keine Antwort auf die Frage, warum genau
in welchem Zusammenhang und mit welchen Konsequenzen so weitreichende
Maßnahmen erforderlich sind, und sie bedürfen einer gründlichen
Korrektur."
Fingerabdrücke
im Personalausweis hielt Simitis für überflüssig, sie wären in anderen
Ländern eingeführt und nach kurzer Zeit wieder abgeschafft worden.
Ähnlich wie beim geplanten Gesundheitspass ("Auch das ein
Schnellschuss.") würden nur Unmengen von sensiblen Daten angehäuft,
deren Nutzen eher gering, die aber dafür offen für Missbrauch seien:
"Wenn solche Sammlungen bestehen, wächst der Appetit. Und Datenschutz
ist ein Appetitzügler."
Das ausführliche Transkript finden sie hier.
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