Chat mit Dr.
Margret Johannsen, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für
Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg


Margret Johannsen

Die gespannte Situation nach den Anschlägen auf die USA droht in einen
bewaffneten Konflikt mit Afghanistan zu eskalieren. Wäre eine solche
Reaktion noch verhältnismässig? Und wäre sie wirklich geeignet, um zukünftige
Anschläge zu verhindern? Die Frage der Verhältnismässigkeit bewegte auch die
Teilnehmer am Live-Chat von stern.de und politik-digital.de mit der
Friedensforscherin Dr. Margret Johannsen am 28. September 2001.

Margret Johannsen gestand den USA durchaus eine militärische Gegenreaktion,
z.B. in Form von Kommandooperationen zu, solange es sich um einen Akt der
Selbstverteidigung handeln würde: "Die USA sind wahrscheinlich von aussen
angegriffen worden und haben das Recht gegen den Angreifer vorzugehen – das
heisst nicht weltweit." Sie ergänzte: "Man muss nur wissen, wer für den
Angriff verantwortlich ist. Man kann nicht blind losschlagen. Aber danach
sieht es ja auch nicht aus."

Nach den Ursachen der Anschläge gefragt, meinte sie: "Eine wesentliche
Ursache ist der Hass gegen Amerika. Dieser hat natürlich auch Ursachen.
Amerika gilt vielen Muslimen als der Kopf des Teils der Welt, der die
islamische Welt nicht zum Zuge kommen lässt in der Weltpolitik
und -ökonomie." Der religiöse Fanatismus wirke dabei vor allem als
"wirkungsmächtiges Instrument zum Ausdruck der Not".

Dementsprechend sah die Politologin den wichtigsten Ansatz zur Verhinderung
künftiger Anschläge in einer langfristigen "Entwicklungspolitik mit
eingebauten Krisenpräventionsmechanismen". Zudem müsste der Friedensprozess
im Nahen Osten wieder in Gang gesetzt werden. Zu den kurzfristigen Massnahmen
zählte sie folgende: "Suche nach Ossama Bin Laden, Einrichtung eines
internationalen Tribunals, um nicht Gewalt gegen Gewalt zu setzen, sondern
Recht gegen Gewalt."

Die Situation in Afghanistan schätzte Margret Johannsen eher pessimistisch
ein: "Ich könnte mir vorstellen, dass es eine internationale, von der UNO
mandatierte Koalition gegen die Taliban gibt, die sie aus Kabul verdrängt.
Wenn die Taliban im Süden des Landes herrschen, dann wäre ihr Einfluss
begrenzt. Aber das hiesse im Grunde: Protektorat. – Wollen wir uns soweit
einmischen?"

Zum Abschluss warnte Johannsen vor einem bisher kaum beachteten Aspekt des
Konfliktes: ein Bürgerkrieg im benachbarten Pakistan: "Es wäre nicht
auszuschliessen, dass der Nachbar Indien in einer solchen Situation den
Versuch unternimmt, die Atomwaffen Pakistans präventiv auszuschalten. Das
ist eine explosive Situation."

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