Kajo Wasserhövel, Leiter des Arbeitsbereiches Online-Campaigning der SPD-Wahlkampfzentrale Kampa 02, über Bedeutung, Strategien und Neuheiten im Internet-Wahlkampf 2002.
Für Kajo Wasserhövel ist das Internet das Innovationskriterium im diesjährigen Wahlkampf zur Bundestagswahl. Deshalb hat das Internet für die
SPD auch eine vorrangige Bedeutung. politik-digital hat mit dem Leiter des Arbeitskreises Online-Campaigning der SPD-Wahlkampfzentrale Kampa gesprochen.
politik-digital: Welche Bedeutung wird das Internet im Wahlkampf 2002 haben?
Kajo Wasserhövel: Ich will das nicht in Prozenten sagen. Für uns hat das Internet eine sehr große Bedeutung, und zwar auf mehreren Ebenen. Zum einen hat sich gegenüber 1998 rein quantitativ eine Menge verändert. Wir hatten 1998 während der Bundestagskampagne etwa sechs Millionen Internetzugänge in Deutschland, wir haben heute 30 Millionen. Das heißt, das Internet ist ein Massenmedium geworden. Wir haben gut 60 Millionen Wähler in Deutschland, das heißt ich kann fast jeden zweiten Wähler, jede zweite Wählerin über das Netz erreichen. Außerdem hat sich das Userverhalten nach unseren Erkenntnissen verändert. Es wird viel umfassender Inhalt nachgefragt. Die Internetnutzer und -nutzerinnen wollen die Möglichkeit haben, eigenständig zu entscheiden, wie tief sie in die Inhalte einsteigen. Das hat natürlich Konsequenzen für den eigenen Seitenaufbau. Die dritte Ebene ist, dass die Userinnen und User nach unseren Erkenntnissen viel zielgerichteter Seiten ansteuern und eigene Suchprofile haben und man auch daraufhin den eigenen Auftritt ausrichten muss. Viertens: das Netz ist für uns eine ganz wesentliche Logistikressource für die Kampagnenorganisation und für den Kampagnenaufbau. Dies macht sich auch an unterschiedlichen Plattformen und Tools fest, die wir jetzt für den Wahlkampf aufgebaut haben.
politik-digital: Aber man kann nun nicht alle Wähler über einen Kamm scheren, da gibt es Unterschiede. Wen wollen Sie mit Ihrer Kampagne erreichen?
Kajo Wasserhövel: Noch einmal: Wenn 30 Millionen Menschen in Deutschland einen Internetzugang haben, dann ist das Internet ein Massenmedium. Natürlich muss ich im Blick behalten, dass ich damit bestimmte Zielgruppen besser erreichen kann als über andere Informationsstrecken. Aber trotzdem möchte ich natürlich alle erwischen. Es wäre zu kurzsichtig zu sagen, ich erreiche da die Informationselite und die 20-30jährigen pizzaessenden Nerds, die in der New Economy rumsitzen. Viele Erstwählerinnen und Erstwähler, viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer informieren sich am Arbeitsplatz über das Netz und längst nicht mehr nur die Multiplikatoren in verschiedenen Medienbereichen. Der Anteil der Frauen steigt, der Anteil der Älteren steigt, natürlich immer noch unterproportional gegenüber dem normalen Durchschnitt der Bevölkerung. Wir wollen im Netz die Nase vorn haben und die Mitte der Gesellschaft, die sich auch im Netz bewegt, erwischen.
politik-digital: Auf wen zielen Sie im Internet ab, auf die Stamm- oder die Wechselwähler?
Die übereinstimmenden Untersuchungen von Meinungsforschern, sowohl von denen, die wir beauftragt haben, aber auch die Studien der Konrad-Adenauer-Stiftung besagen, dass das Stammwählerpotential der großen Parteien sich zwischen 12 und 13 Prozent bewegt. Das heißt, die Zahl derjenigen, die sich sehr kurzfristig entscheiden, ist enorm gestiegen. Das hat natürlich für die Kampagnenstrategie und auf den Kampagnenaufbau Konsequenzen. Das Netz ist ein sehr schnelles Medium und zwar in beide Richtungen. Sie können zum einen schnell Informationen über das Netz verteilen – zum Beispiel innerhalb der eigenen Parteiorganisation – und andererseits bekommen wir über das Netz viel schneller eine Rückkoppelung, welche Themen sich aufbauen, als dies über die klassischen Instrumente möglich gewesen ist. Und: Die Veränderung, die sich in dem Wahlverhalten in der Bevölkerung vollzogen haben, führen natürlich dazu, dass das Internet, wenn es in eine Kampagne gut integriert ist, eine enorme positive Wirkung haben kann. Auf Stamm- und auf Wechselwähler.
politik-digital: Was sind denn die konkreten Tools, mit denen Sie diese positive Wirkung erreichen wollen?
Kajo Wasserhövel: Wir haben eine Reihe von flexiblen Plattformen aufgebaut: Deswegen verfolgen wir bei spd.de ein Channelkonzept. Mit den einzelnen Channels wollen wir beispielsweise die Presse genauer ansprechen oder jugendliche Surfer und Surferinnen besser erreichen. Im letzten Jahr haben wir einen Bereich für die Parteimitglieder gestartet, mit dem wir nach innen die Informationen präzise und rasch verteilen können. Wir haben eine Angriffsseite im Netz mit
www.nichtregierungsfaehig.de, mit der wir die politische Konkurrenz kommentieren. Wir haben
kampa02.de als eine Seite, die über den Wahlkampf berichtet und wir bereiten jetzt eine Gerhard-Schröder-Seite vor. Das sind verschiedene Plattformen, aber die müssen natürlich vernünftig auf einander abgestimmt sein.
Zum anderen ist das Netz für uns ein wichtiges Steuerungsinstrument für die Kampagne. Wir haben ein netzbasierendes Kampa-Informationssystem aufgebaut, weil wir alleine im Veranstaltungsbereich tausende von Veranstaltungen machen. Das ist eine erhebliche Koordinationsaufgabe, das können sie internetbasiert natürlich anders abwickeln als mit den klassischen Instrumenten.
politik-digital: Was ist dabei neu im Vergleich zum Wahlkampf 1998?
Kajo Wasserhövel: Ich glaube das Neue ist die intelligente Kombination von unterschiedlichen Tools. Die Anforderung schnell zu reagieren bezieht sich auf alle Plattformen und nicht nur auf einzelne Seiten. Als Regierungspartei geht es für uns darum schnell zu agieren. Es geht darum, eine vernünftige Kombination zu finden, von Informationen die man liefert, von neuen Kommunikationsstrecken und es geht darum, in der Interaktion mit den Userinnen und Usern keine falschen Versprechungen zu machen. Die Instrumente dabei sind nicht neu: das sind die Newsgroups, die Mail, es ist der Chat und einiges mehr. Ein Tool das wir jetzt neu einsetzen sind die Netzpiloten, mit denen wir thematische Rundflüge im Internet anbieten. Wir haben natürlich auch diskutiert, ob wir bestimmte Formen von politischen Simulationen machen wollen. Aber nicht alles was technisch geht, müssen wir machen und sollten wir als Partei machen. Wichtig ist uns, dass wir eine nachhaltige Bindung zu unseren Usern aufbauen. Da wo SPD drin ist, steht auch SPD drauf. Ich habe den Eindruck, dass die Union da bestimmte Grundprinzipien nicht ganz auf dem Schirm hat. Zum Beispiel die Domainnamen:
wahlkreis300.de ,
wahlfakten.de,
regierungsprogramm.de, das sind alle drei Domainnamen, die versuchen, Neutralität zu suggerieren. Aber dahinter steckt Konservatismus und das Adenauerhaus. Der Versuch ist doch ganz klar: Wind bei Jungwählerinnen und Jungwählern zu machen, über eine spielerische Variante sie dazu zu kriegen, am Ende bei Herrn Stoiber zu landen. Und das ist eine Form mit Leuten manipulativ im Netz umzugehen, die wir so nicht machen.
politik-digital: Was können wir im Internet von der SPD noch erwarten?
Kajo Wasserhövel: Zum einen kommt noch vor der Sommerpause gerhard-schroeder.de. Die Grundaufstellung ist aber jetzt schon da. Ich bin mir 100prozentig sicher, dass wir uns im Vergleich zur Konkurrenz auch im Netz durchsetzen können.
Das Interview führten Clemens Lerche und Michael Schultheiß.
Erschienen am 23.05.2002
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Weiterführende Links:
- SPD im Parteientest 2002
- Bundestagswahl 2002 – CDU
- Bundestagswahl 2002 – SPD
- Bundestagswahl 2002 – FDP
- Bundestagswahl 2002 – PDS
- Bundestagswahl 2002 – B’90/Grüne
- Bundestagswahl 2002 – die kleinen Parteien
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