von Ulrich SollmannDem Mann sieht man seine Gefühle an: die Anstrengung, das Erstaunen, die Nachdenklichkeit, den Willen. Die Wechselwirkung des Lebens haben tiefe Furchen in seine Stirn gezogen. Sie ist ständig hochgezogen und angespannt. Vielleicht ist Joschka Fischer deswegen Deutschlands beliebtester Politiker.
In meinem Buch “Schaulauf der Mächtigen” analysiere ich die Körpersprache der Politiker.Porträtiert wird jeder der Regierungs-Politiker: Gerhard Schröder, Joschka Fischer, Rudolf Scharping, Oskar Lafontaine u.a. auch Alt-Kanzler Helmut Kohl.Die Beschreibung der Wechselwirkung von Körpersprache,Persönlichkeit und Handlungsmustern ermöglicht Einblicke in die Menschen, die in politischen Anzügen stecken. Die zentrale Frage ist, welche Charaktere hinter den Medieninszenierungen stecken. Mediale Inszenierung meint dabei zweierlei: Einerseits die Inszenierung seitens der Politiker, andererseits die Inszenierung seitens der Medien. Da Politiker in der Regel segmentiert, digitalisiert und als Information verkürzt in den Medien präsentiert werden, war es mir wichtig, die Politiker als virtuelle Person in ihrer jeweiligen beseelten Ganzheit zu porträtieren, statt wie es oft bei der Analyse der Körpersprache der Fall ist, den Menschen in “Einzelteile zu zerlegen”.
Kein gesprochenes Wort ist annähernd so klar und deutlich, wie die Sprache des Körpers. Die Körpersprache ist wie eine Muttersprache oder ein Dialekt, den viele Menschen zu sprechen oder zu verstehen verlernt haben. In der Körpersprache manifestieren sich sowohl allgemeine Verhaltensmerkmale, als auch persönliche Erfahrungen und Entwicklungen. Diese zeigt sich insbesondere unter Streß, hoher Belastung. Dann reagiert man nämlich so, wie es einem auf den Leib geschrieben ist.
Ich lese in den Gesichtern der Politikern, in ihrer Haltung und ihrer Lebensgeschichte und forme aus diesen Eindrücken bunte Porträts. Bei Oskar Lafontaine gleicht das Porträt der Entschlüsseung eines Rätsels: Wie ist sein wahres Gesicht? Trittin zeigt sich als verläßlich arbeitender Politiker, aber auch als lässig-lächelnder Bube. In Andrea Fischer, der Saxophonistin und Gesundheitsministerin, entdecke ich das schon immer herzhaft lachende Mädchen.
Bundeskanzler Gerhard Schröder zeigt seine Macht und seine Unsicherheit zugleich und erweist sich als erfolgreicher Kanzler, aber auch als jemand der seine eigene Haut retten will, so wie es jeder in einer ähnlichen Situation tun würde. Schröders Ergebenheitsgeste, und das wird gerade durch die Beachtung der körpersprachlichen Signale unterstrichen, konfrontiert die Wähler auch mit sich selbst. Mit ihrer eigenen Unsicherheit, die sie in der gegenwärtigen politischen Turbulenz nicht wahrhaben wollen. Aber auch mit dem unbewußten Wunsch einen idealen Kanzler haben zu wollen. Einen Kanzler, der sich bei seinen Koalitionspartner, der Opposition, den Gewerkschaften und der Wirtschaft gegenüber durchzusetzen versteht. Einen idealen Vater-Kanzler, der den Wähler an die Hand nehmen soll, um ihn sicher durch die wirtschaftliche und soziale Krise zu führen.
Schröder ist mächtig und unsicher zugleich. Dies zu akzeptieren heißt, Schröder so zu sehen, wie er ist. Womit man ihm im übrigen als Kanzler mehr Chancen gibt.
Ulrich Sollmann über sein Buch “Schaulauf der Mächtigen”