"Lernen von Obama?" ist ein Kompendium zum Thema „Das Internet als Ressource und Risiko für die Politik“. Unser Autor Jochen Zenthöfer hat es gelesen, kürt in seiner Rezension den langweiligsten Beitrag und arbeitet den Wunsch der Autoren des Bandes heraus.
Tatsache: Immer weniger Menschen beteiligen sich in Parteien und Politik (Seite 37).
Möglichkeit: Das Internet erlaubt ganz neue Formen von Kommunikation und Partizipation (Seiten 47ff.).
Test: US-Wahlkampf von Barack Obama 2009 (Seiten 185ff.).
Ergebnis: Obama sammelte 10 Millionen E-Mail-Adressen, fünf Millionen Mobiltelefonnummern und vier Millionen Spendernamen (Seite 8). Die beiden US-Parteien haben eigene Datenbanken aufgebaut, die bis zu 400 Merkmale pro Person bieten und damit ein effizientes Targeting ermöglichen (Seite 138).
Nebenwirkung: Obama musste sich für Predigten seines früheren Pastors Wright entschuldigen. Diese Predigten kursierten als Videos im Netz. Sie zu entfernen war nicht möglich (Seite 23).
Deutschland: Kinder befragten im Juni 2007 Politiker für das ARD-Morgenmagazin nach ihrem Verhältnis zum Internet. „Auf die Frage, was ein Browser sei, reagierten Brigitte Zypries, Peter Struck und Hans-Christian Ströbele komplett ratlos“ (Seite 65).
Im Zugzwang: Die Pressestelle der CDU Deutschlands teilte Ende Mai 2009 mit: „Die Sympathiewerte für Angela Merkel brechen immer neue Rekorde. Bereits 39.039 Menschen unterstützen die Vorsitzende der CDU Deutschlands im Internet. 20.872 "Freunde" bei StudiVZ, 8.791 Fans bei facebook und 9.376 Mitglieder im teAM Deutschland zeigen: Auch online liegt Angela Merkel weit vor ihren politischen Konkurrenten.“
Aber: Die Videocasts der Kanzlerin bieten keine Rückkanal-Funktion an (Seite 74). Die Webseiten der CDU Deutschlands entsprechen – bis auf die Startseite – nicht modernen Web 2.0-Standards. Einige Links gehen fehl.
Vorbild: In Großbritannien gibt es schon lange gelungene Online-Dialoge zwischen Bürgern und Politik, eines der ersten war www.tellparliament.net (Seite 29).
Ziel: „Während von den Teilnehmern erwartet wird, neue Aspekte in die eigene Position aufzunehmen, und die eigene Sicht der Dinge zu hinterfragen und zu erweitern, muss den Teilnehmern seitens der Politik das Gefühl vermittelt werden, auch faktisch und nicht bloß symbolisch mitwirken zu können.“ (Seite 35)
Fazit: „Es gibt einen Markt, eine Nachfrage nach neuen Wegen der direkten Kommunikation. Wenn politische Kommunikation dies nicht zu nutzen weiß, vergibt sie eine Chance.“ (Seite 61)
Positive erste Ansätze: Die E-Petition, die seit 1. September 2005 beim Deutschen Bundestag möglich ist (Seite 67). Das Angebot www.direktzurkanzlerin.de von Studenten verschiedener Hochschulen – hier antwortet das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung im Auftrag von Angela Merkel auf Fragen (Seite 74).
Wunsch der Autoren des Bandes: Endlich anerkennen, dass in einigen Bereichen längst ausreichend Erfahrungen vorliegen, sodass nicht weitere Modellprojekte initiiert werden müssen (Seite 76).
Der langweiligste Beitrag in diesem Sammelband: … stammt von Steffi Lemke, Bundesgeschäftsführerin der Grünen, mit dem Titel: „Politik ist Dialog. Webbasierte Politikkommunikation in der politischen Praxis aus „grüner“ Sicht.“ (Seiten 117 – 124). Nur wenn grün gleich langweilig meint, passt diese Überschrift. Keine eigene Meinung, alles offen gelassen, Binsenweisheiten. Dazu passt, dass der grüne Europawahlkampf mit dem „WUMS“ fade und unklar wirkt.
Der wichtigste Satz: „In der Goldgräberstimmung wird aber oft übersehen, dass Technik eben nur ein Mittel ist. Sie ist neutral, in die ein oder andere Richtung brauchbar oder missbrauchbar.“ (Seite 157)