Rahmenbedingungen des geglückten LebensLesbare Kritik an der Globalsierung und an der dahinterstehenden Ideologie des Neoliberalismus: es gibt sie tatsächlich!
Noch ein Buch über die Globalisierung? Gewiß! Aber eines, das ansetzt bei dem ganz alltäglichen Unbehagen vieler, die zwar im Wohlstand leben, aber doch in Arbeit und Freizeit zu wenig Glück und Zufriedenheit erfahren. Als Grund für dieses Unbehagen sieht Johano Strasser, anders als eine überbordende Ratgeberliteratur es nahelegt, nicht individuelles Versagen, sondern kollektive Verirrungen und Fehlsteuerungen, die durch die neoliberale Ideologie bedingt seien.
Neoliberale Ideologie
Deren Inhalte sind bekannt: immer mehr Bereiche der Gesellschaft sollen marktförmig organisiert werden, der Mensch soll sein Leben marktkonform organisieren. Das verkürzte und verengte Menschenbild des homo oeconomicus, des egoistischen Nutzenkalkulierers ist das ideologische Element des Neoliberalismus, das zur Natur des Menschen und zum Ziel historischer Entwicklung erhoben wird. Zur Krise der Arbeitsgesellschaft bemerkt er, dass in Zukunft von den drei Gratifikationen der Arbeit nicht mehr Geld und soziale Anerkennung, sondern die persönliche Befriedigung immer wichtiger werden wird. In seiner Sorge um das individuelle Glück des Menschen kommt Strasser schnell bei der Politik an: die Krise des Politischen hat ihre Ursache in der Logik sogenannter Sachzwänge, der sich etablierte Politiker ideenlos unterwerfen, so dass die Unterschiede zwischen rechts und links immer geringer werden. Wie er überzeugend darlegt, kann es eine Demokratie ohne Politik, d.h. ohne konkurrierende Modelle gesellschaftlichen Zusammenlebens nicht geben. Demokratie nur in der Wahl zwischen Personen zu sehen, ähnlich der Auswahl zwischen zwei Produkten im Laden, erzeugt eine Gefahr für die Demokratie selbst. Die Eliten wollen nämlich die Politik am liebsten in abgehobenen Gremien fernab demokratischer Kontrolle machen.
Gefahren und Chancen
Eine Hälfte des Buches untersucht die Gefahren des Totalitarismus der Ökonomie, eines technischen Fortschritts ohne menschliches Gesicht und einer Aushöhlung der Demokratie. Die andere Hälfte aber zeigt Chancen und Wege auf, wie durch günstige gesellschaftliche Rahmenbedingungen Glück und sozialer Zusammenhalt gefördert werden können. Stichworte hierbei sind: Arbeit und Muße, bürgerschaftliches Engagement, Bildung ohne ökonomische Blickverengung, Erhaltung öffentlicher Räume und des Sozialstaates, Respekt menschlicher Rhythmen.
Lob der Form
Vieles von dem Gesagten kann man auch anderswo lesen, aber nirgendwo in so konzentrierter und lesbarer Form. Fernab von akademischem Stil oder Polemik zeichnet Strasser ein klares Bild von der gesellschaftlichen Lage. Rezensenten loben Strassers Mut zur Utopie und Optimismus. Solches Lob zeigt, wie tief die Hoffnung vieler schon gesunken ist, denn er ist ein Realist, der Gefahren und Hoffnungen gleichermaßen bedenkt – und ein gut informierter, gut lesbarer Autor mit ausgewogenem Urteil und humanistischem Antrieb. Einfach lesenswert!
Johano Strasser: Leben oder Überleben. Wider die Zurichtung des Menschen zu einem Element des Marktes. Zürich (Pendo) 2001.