Bei jedem neuen Krieg wird, oft von den Medien selbst, die Frage nach der ihrer eigenen Rolle und die Beeinflussungstrategien der Kriegsparteien thematisiert. Ein neues Buch versucht systematisch alle Facetten der Krisenkommunikation zu beleuchten
„Stell dir vor, es gibt Krieg und keiner schaut zu.“ Unwahrscheinlich? Absolut.
Im Zeitalter der „Mediokratie“ gehören die Medien als Beobachter genauso zu jeder kriegerischen Auseinandersetzung wie die Kriegsparteien und sind als propagandistisches Schlachtfeld schon metaphorischer Teil des Kriegsgeschehens selbst geworden. Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf die Kommunikations-strategien der Kriegsakteure und die Kriegsberichterstattung?
Der zweite Band zum Thema „Krieg als Medienereignis“ versucht nach dem kasuistisch angelegten und zum Anlass des ersten Golfkrieges herausgegebenen ersten Teils nun einen breiten und systematischen Überblick über das noch wenig erschlossene Forschungsgebiet der „Kriegskommunikation“ zu geben.
Gegliedert ist das Buch in die inhaltlichen Schwerpunkte der historischen Entwicklung der Krisenkommunikation sowie ihrer Betrachtung aus journalistischer sowie militärischer Perspektive.
Die spannendsten Beiträge finden sich im Abschnitt zur militärischen Perspektive der Krisenkommunikation, für den zwei Praktiker für das Thema „Strategisches Informationsmanagement“ gewonnen werden konnten, einer davon Walter Jertz, der militärischen NATO – Sprecher während des Kosovo – Krieges. Die Autoren liefern einen interessanten und anschaulichen Einblick in die zentralistische Organisationsweise und die Kommunikationsstrategien des Militärbündnisses während militärischer Intervention. Ein zweiter Beitrag widmet sich den „Information Operations“ (früher „Information Warfare“) und den aktuellen Strategien des US – Militärs zur Instrumentalisierung der Medien und der Erlangung der Informationshoheit.
Auch dem Internet und seiner Rolle in kriegerischen Auseinandersetzungen wird ein Kapitel gewidmet. War das Internet in Krisenzeiten anfänglich nur eine zusätzliche Quelle für (mehr oder weniger authentische) Informationen aus den Krisengebieten, hat es sich inzwischen auch zu einem Mittel und Objekt der Kriegsführung entwickelt. Militärische Strategien zum Angriff der gegnerischen Infrastruktur beziehen das Internet bereits lange mit ein. Das Internet ist aber auch bereits selbst zum propagandistischen Schlachtfeld geworden. So hat z.B. jugoslawische Regierung während der Kosovo – Intervention rund 1000 Studenten als „Webpropagandisten“ an die virtuelle Kriegsfront geschickt hat, um durch das Verbreiten von Exklusivinformationen an Journalisten, „Undercover“ – Teilnahme an Newsgroups und der Kontaktaufnahme zu ausländischen Antikriegsgruppen die öffentliche Meinung zu beeinflussen.
Der Beitrag untersucht vor allem die Auswirkungen der Internetrevolution auf den Journalismus und sieht die Konsequenzen im Verlust des Deutungsmonopols der Massenmedien und dem Wechsel von einem Vermittler – Rolle der Journalisten hin zu einer Moderatoren – Rolle, deren Aufgabe es ist, den Medienkonsumenten Orientierung in der Quellenvielfalt und dem Informationsüberfluss zu geben.
Das Buch bietet eine breite Einführung in das Problemfeld der Kriegskommunikation und stellt alle wesentlichen Aspekte umfassend dar. Die Perspektiven reichen vom geschichtlichen Abriss der Rolle der Medien in der modernen Kriegsführung über die militärischen Strategien der Medieninstrumentalisierung bis zur Diskussion des Konzeptes des Friedensjournalismus und der zunehmenden Tendenz zum „Militainment“ von Kriegsberichterstattung.
Das Buch ist gemäß seinem Selbstverständnis als umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas vor allem akademisch ausgerichtet. Der Anschaulichkeit halber wären mehr als der eine Praktikerbeitrag eine auflockernde Ergänzung gewesen, andererseits liegt der Wert des Buches eben darin, sich von den durchaus zahlreich vorliegenden vor allem journalistischen Annäherungen an das Thema abzusetzen.
Buchinfo:
Martin Löffelholz (Hsg.), Krieg als Medienereignis II. Krisenkommunikation im 21. Jahrhundert.
VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 2004