Rezension der Neuerscheinung „Politikberatung in Deutschland. Praxis und Perspektiven“ erschienen im November 2004 beim VS Verlag für Sozialwissenschaften. Mit besonderer Berücksichtigung des Beitrags „E-Campaigning – Die neue Wunderwaffe der politischen Kommunikation?“ von Juri Maier.
Im Internet wird viel geschrieben. Über das Internet wird hingegen – gemessen am praktischen Einfluss – entschieden zu wenig geschrieben. Da ist es lobenswert, wenn sich eine wissenschaftliche Veröffentlichung auch mit dem den Aspekten des Internets beschäftigt. Konkret vermittelt Juri Maier seine Einschätzung von der Bedeutung des Internets für die politische Kommunikation. Dies tut er anhand des inzwischen allgemein verbreiteten E-Campaignings (= Durchführung oder Begleitung politischer Kampagnen mit den besonderen Möglichkeiten des Internets).
Sein Artikel findet sich in dem sehr beachtenswerten Sammelband „Politikberatung in Deutschland. Praxis und Perspektiven“ herausgegeben von fünf jungen Politik- bzw. Kommunikationswissenschaftlern.

E-Campaigning – Erreichbarkeit und Interaktion als Vorteil

Der seit beinahe einem Jahrzehnt durch Ausbildung und Beruf mit dem Internet verbandelte Autor, ist derzeit Geschäftsführer bei wegewerk Medienlabor GmbH. Meines Wissens nach soweit einmalig, trägt er zusammen, was sich an Geschichte und unterschiedlichen Aspekten des E-Campaigning findet. Sicherlich zutreffend ist seine Aussage, dass heute keine auf die Öffentlichkeit gerichtete Kampagne mehr ohne Internetbegleitung auskommt. Des Weiteren untersucht er, welche Bedeutung eine gut konzipierte Internetkampagne für politische Kommunikation heute hat und wie diese zu gestalten ist, um Erfolg zu haben. Der Autor betont, dass der Schlüssel zur Effektivität die professionelle Gestaltung wie Betreuung ist, um den großen Vorteil des Internets – als interaktives Medium – voll nutzen zu können.
Bei der Gelegenheit vergisst Juri Becker auch nicht die regelmäßigen Live-Chats von www.politik-digital.de als Kommunikationsinstrument zu erwähnen. Diese könnten, so der Autor, für die Interviewten ihrerseits interaktiver Bestandteil einer umfassenden Onlinekampagne sein und stehen somit repräsentativ für die Vorteile des Internets über einseitige Kommunikationsmittel wie Fernsehen, Radio und Print.
Gleichzeitig macht er aber deutlich, dass E-Campaigning (noch) keine Wunderwaffe ist. Ohne Massenmedien wie Print und Fernsehen in der Flanke lässt sich seiner Einschätzung nach noch keine ausreichend große Anzahl von Rezipienten erreichen. Beispielhaft führt er den erfolgreichen Online-Nominierungswahlkampf des letztlich dennoch gescheiterten demokratischen Nominierungskandidaten Howard Dean an.
Erfolgreicher – da rentabel – gestaltet sich eine Internetkampagne hingegen heute schon für NGOs, die sachbezogen ohne großen Aufwand in kurzer Zeit viele Menschen erreichen können.
Mit einem leichten Schwerpunkt bei der Wahlkampfkampagne deckt Juri Becker somit letztlich alle wesentlichen Einsatzbereiche des E-Campaigning ab. Insgesamt liest sich sein Artikel als verständliche und fundierte Zusammenfassung zum Zukunftsthema E-Campaigning.

Zum Sammelband

Wenn auch unser genuines Interesse insbesondere den Internetaspekten der politischen Kommunikation gilt, so verdient der besprochene Sammelband dennoch einige allgemeine Anmerkungen.
„Politikberatung in Deutschland. Praxis und Perpektiven“ ist die erste konzeptionell umfassende Publikation zu diesem Thema. Dies allein ist schon beachtenswert. So ist der in praktischer Hinsicht enorm einflussreiche und ethisch gleichermaßen brisante Sektor der professionellen Politikberatung wissenschaftlich bisher kaum aufbereitet worden. Es ist daher den Herausgebern zu danken, dass sie dann auch konzeptionell das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten lassen. Von den hochrangigen Nutzern der Politikberatung (u.a. Angela Merkel, Ute Vogt) über einflussreiche Politikberater und professionelle Lobbyisten (u.a. Marco Althaus, Wolf-Dieter Zumpfort) bis hin zur wissenschaftlichen Perspektive (u.a. Rudolf Speth, Wilfried Rudloff) kommen alle beteiligten Seiten angemessen zu Wort. Dies liest sich mitnichten so trocken, wie man es bei dem Thema vielleicht befürchtet hatte. Trotz umfassender Sachinformation ist die Lektüre unterhaltsam.
Wer auf dem Gebiet der politischen Kommunikation und der Politikberatung mitreden will, ist daher seinerseits gut beraten, sich den Sammelband einmal vorzunehmen.