von P.A. PayuttoBuddhismus und Ökonomie? Wer dieses geschmackvoll gestaltete kleine Buch in die Hand nimmt, mag erstaunt sein über diese Kombination: Ist das Idealbild eines gläubigen Buddhisten nicht der Mönch, der nur ein grobes Gewand sein eigen nennt und, wenn er nicht gerade in einer einsamen Grotte meditiert, mit seiner Reisschale die Laien um Spenden bittet?
Was hat also Buddhismus mit Ökonomie zu tun? Einiges, behauptet in diesem gelungenen Buch derthailändische Mönchsgelehrte Payutto. Und nicht allein deshalb, weil die Masse der Buddhisten eben auch in Ostasien nicht Mönche sind, sondern Laien, die ihren Unterhalt mit gewöhnlichen “bürgerlichen” Berufen verdienen. Buddha hat die Notwendigkeit des Lebensunterhaltes und die Unabweisbarkeit der menschlichen Grundbedürfnisse – Nahrung, Kleidung, Wohnung, Gesundheitsversorgung – stets anerkannt. Was hat ein Buddhist zu beachten, wenn er dem Erwerb nachgeht? Nach buddhistischer Auffassung gehört es zu den Voraussetzungen eines glücklichen, in der Buddhanachfolge geführten Lebens, seinen Lebensunterhalt rechtschaffen zu erwerben. Für Mönche ist diese Bedingung erfüllt, wenn sie in Demut von den freiwilligen Gaben der Laien leben. Die Laien wiederum werden überwiegend ihren Lebensunterhalt durch Arbeit bestreiten. Sie sollen auch im Wirtschaftsleben auf Lüge und Betrug verzichten. Es ist auch legitim, wenn Buddhisten reich werden. Die Befriedigung der menschlichen Grundbedürfnisse – zu essen, zu trinken, zu wohnen, sich zu kleiden, medizinische Versorgung zu erhalten – ist nötig. Askese und Selbstkasteiung waren für den historischen Buddha keine Werte an sich. Wenn Menschen ihre Grundbedürfnisse nicht befriedigen, können sie sich nicht entwickeln und sich auch nicht für ethische Fragen und spirituelle Dimensionen ihrersSeins öffnen. Wirtschaftliches Handeln ist also grundsätzlich legitim und notwendig. Jenseits dieser grundsätzlichen Notwendigkeit wird aber der Wert einzelner Handlungen an deren Folgen für das Individuum, für die Gesellschaft und für die Umwelt gemessen. Durch solche Überlegungen entsteht eine Abstufung zwischen den Handlungsalternativen: die Herstellung von Kriegswaffen z. B. gilt als unheilvollste, abzulehnende Aktivität.
Aber auch Konsumakte sind nicht an sich gleichwertig: Der Kauf einer Pizza oder einer Flasche Schnaps ist für die westliche Ökonomie grundsätzlich gleichwertig. Vom buddhistischen Standpunkt aus ist aber die Pizza wertvoller, weil durch den Genuß starken Alkohols gesundheitliche Schäden für den Konsumenten, aber auch Schäden für die Gesellschaft hervorgerufen werden können, etwa durch Autofahren im alkoholisierten Zustand oder durch Arbeitsausfall.
Motivation:
Der ethische Wert eines Verhaltens bemißt sich nach Payutto einerseits an den Folgen dieses Verhaltens und andererseits an der Qualität des Verhaltens. “Der Zweck heiligt die Mittel” ist eine gänzlich unbuddhistische Maxime. Vielmehr bestimmen nach buddhistischer Anschauung die eingesetzten Mittel das Ergebnis und den Wert einer Handlung. Die Mittel wiederum sind nicht von den Motiven und Bedürfnissen zu trennen.Die buddhistische Lehre teilt mit der westlichen Wirtschaftswissenschaft die Ansicht, daß die Bedürfnisse der Menschen von Natur aus unbegrenzt sind. Allerdings schreibt sie diese Maßlosigkeit dem Tanha genanntenAnhaften an Sinneseindrücken und Genüssen zu. Der unwissende Mensch werde unbewußt von Tanha geleitet, obgleich sein Handeln ihm nicht wirklich Glück und Zufriedenheit bringe. Mit westlichen Worten ausgedrückt: Die Bedürfnisinflation ist eigentlich ein Suchtverhalten. Ein Suchtverhalten, das aber durch buddhistische Unterweisung und Praxis überwunden werden könne. Dadurch entwickele sich Chanda, eine Haltung, die auf das Wohlergehen aller Menschen sowie der Tiere und Pflanzen abzielt. Chanda gründet auf einsichtsvolle Betrachtung, also eine Art Kontemplation, führt aber nicht zu Passivität, sondern zu Anstrengung und Tätigkeit.
Transparenz:
Damit die Menschen den Prinzipien buddhistischer Ethik im Wirtschaftsleben folgen können, bedarf es m.E. weitreichender Informationen: Die Folgen eines Kaufaktes für mich, für andere und für die Umwelt müssen bekannt sein, und zwar eigentlich die Folgen über den ganzen Lebenszyklus eines Produktes hinweg, von der Rohstoffgewinnung über den Gebrauch bis zur Entsorgung. Um also Entscheidungen treffen zu können, ist weitgehende Transparenz über die Eigenschaften von Gütern nötig (zu den Eigenschaften gehören hier auch die Umstände seiner Produktion, ob es z.B. Kinderarbeit gibt). Zwar geht Payutto auf diese Fragen kaum ein, doch scheint mir diese Folgerung zwingend. Immerhin sagt man sogar in der Wirtschaft inzwischen, daßimmaterielle Ziele entscheidend für das Management des 21. Jahrhunderts sein werden.
Heute sind globale Konzerne gemessen an ihrer Wirtschaftskraft oft größer als die Wirtschaft ganzerNationen (mit Ausnahme der 20 am höchsten entwickelten Industrieländer). Diese Unternehmen stellen selbst Ansprüche an Staaten und nehmen Einfluß auf politische Entscheidungen. Natürlich unterliegen sie immer noch den Gesetzen der Staaten, in den sie tätig sind. Gleichwohl sollten sie selbst bereit sein – oder durch den Druck einer globalen politischen Öffentlichkeit dazu gebracht werden, sich selbst Ziele zu setzen, die zum einem im Verzicht auf fragwürdigen Praktiken (wie z.B. Korruption, Einsatz von Kinderarbeit, Herstellung von Landminen), zum anderen in der aktiven Verfolgung sinnvoller wirtschaftlicher Ziele (sprich vor allem der Herstellung der Grundversorgung für alle Menschen weltweit) bestehen. Medien, Verbraucherverbände, Gewerkschaften, Umweltschutzorganisationen und andere Institutionen der Zivilgesellschaft müssen Transparenz über das Handeln von Unternehmen herstellen, da der einzelne damit überfordert ist. Deswegen sollte die Prüfung von Unternehmen in neue Richtungen erweitert werden: neben die (finanzielle) Wirtschaftsprüfung und das Öko-Audit wird mittelfristig das Sozialaudit treten. Große Konzerne können keine Gefühle haben – und damit auch kein Mitgefühl für andere – denn sie sind abstrakte Organisationen mit dem Hauptziel der Geldvermehrung, aber ihre Mitarbeiter, ihre Kunden und die gesellschaftliche Umweltkönnen auf ihr Verhalten einwirken.
Fazit:
Man kann diesem Buch nur viele Leser wünschen. Es ist klar und gedankenreich. Man kann es auch ohne große Vorkenntnisse in puncto Buddhismus mit Gewinn lesen. Es zeigt, wie ein buddhistischer Gelehrter Realismus und Menschenkenntnis mit hohen Idealen verbindet.