(Artikel) Kristina Wahl bloggt für das Onlineportal der Frauenzeitschrift Brigitte aus Los Angeles. Wie es sich anfühlt, Privates für ein Medienunternehmen und vor großem Publikum im Internet zu veröffentlichen, beschreibt sie in diesem Erfahrungsbericht.
Seit 21 Monaten bin ich mehr oder minder stolze Verfasserin eines Weblogs bei brigitte.de: „
California Dreaming“ – ein Sammelsurium von kleinen, meist belanglosen Geschichten, die meinem Umzug von Hamburg nach Los Angeles gewidmet sind.
Wie häufig Sonntagabends – von mir aus Disziplingründen zum Weblog-Abend deklariert – sitze ich vor einem leeren Word-Dokument und weiß nicht so richtig, was für ein Text hier eigentlich gedeihen soll. Mir bleibt nichts anderes übrig, als meine berüchtigte Weblog-Technik, die ich eigentlich selber nicht so toll finde, auch hier anzuwenden: Knall ich den Lesern doch einfach mal vor den Latz, was mir so durch den Kopf geht. Und los geht’s.
Vorübung: Was ist ein Blog überhaupt?
Da ich das Internet natürlich nicht nur zum Bloggen benutze, mache ich zur Einstimmung das, was der Großteil der in der Informationsgesellschaft lebenden Menschen mir wohl gleich tun würde: Ich google erstmal ein bisschen herum, was ich zum Thema Weblog eigentlich so alles im Netz finde. Sehr aufschlussreich: Ein Weblog (engl. Wortkreuzung aus Web für Internet und Log für Logbuch), häufig abgekürzt als Blog, ist ein digitales Tagebuch. Es wird am Computer geschrieben und im World Wide Web veröffentlicht. Es ist also eine Webseite, die periodisch neue Einträge enthält. Ja, auch mein Immigranten-Erlebnisbericht erfüllt diese Kriterien– ich bin also eine waschechte Bloggerin.
Auf einer anderen Website finde ich die wertvolle Information, dass es bereits im November 2006 laut der Blog-Suchmaschine Technorati fast 60 Millionen Blogs gab, Tendenz steigend. Mein digitales Logbuch ist also nur eines unter vielen – unter sehr vielen. Umso erstaunlicher ist es daher für mich, wie viele Leser sich anscheinend doch für mein beschauliches Leben hier in Los Angeles interessieren – erstaunlich und auch irgendwie sehr schmeichelhaft.
Schließlich ist mein Blog sehr persönlich. Ich schreibe über alles, was mich beschäftigt. Anders als bei traditionellen Medien, bei denen immer eine Kontrollstelle namens Chef- oder Schlussredakteur zwischengeschaltet ist oder Zeitmangel und Aktualität entscheidende Faktoren sind, gibt es bei meinen wöchentlichen Einträgen keine Vorgaben von Seiten der Redaktion – weder was die Länge, das Thema, die Bilder oder die Aufbereitung meiner Einträge betrifft. Wenn ich der Meinung bin, ein Text sei fertig für die Allgemeinheit, poste ich ihn eigenhändig auf die brigitte.de Website. Diesen Prozess finde ich immer noch sehr aufregend.
Spielplatz für Egomanen
Einen weiteren Pluspunkt meines Geschreibsels sehe ich gleichzeitig als eine Gefahr an: Im Gegensatz zu einem sachlich orientierten Blog, etwa einem Verbraucherschutz-Blog oder einer Seite zu den neusten Kindesmisshandlungen in Thailand, muss ich noch nicht mal die kleinsten Kleinigkeiten recherchieren, da ich ausschließlich über meine persönlichen Erfahrungen berichte. Ich bin Subjekt und Objekt meines Blogs zugleich. Und weil nicht jeder Alltag ein erlebnisreicher Feiertag ist, spiegelt sich das auch in meinen Einträgen wider. Manchmal sind sie fast ein bisschen langweilig, zumindest beschaulich, denn im Leben eines Durchschnittsmenschen passiert eben nicht jeden Tag ein Wunder oder eine Katastrophe – auch wenn er in Los Angeles lebt. Vielleicht wäre es da manchmal wirklich ehrlicher, einfach gar nichts zu schreiben.
Das Schöne an der Weblog-Technologie ist außerdem, dass ich genau nachvollziehen kann, wie meine Texte aufgenommen werden. Kein anderes Medium erlaubt meiner Meinung nach mehr Kontakt zum Rezipienten: Als Autorin kann ich genau sehen, wie viele Klicks meine einzelnen Einträge bekommen haben, wie viele Kommentare gemacht wurden und welchen Platz mein Blog im internen Ranking einnimmt. Das erste Jahr lang war ich fast immer unter den Top 5 aber seitdem ich mir immer seltener Zeit für einen vernünftigen Eintrag nehme, lässt auch meine Platzierung zu wünschen übrig. Lediglich meine treuen Unterstützer (Mama, Familie und alte Freunde) haben es sich lange nicht nehmen lassen, so gut wie jeden meiner Einträge zu kommentieren. Doch selbst diese Anhänger verlieren ob meiner Schreibfaulheit wohl langsam die Lust. Bei einem Weblog ist das meiner Ansicht nämlich so: Je mehr Zeit und Energie man investiert, umso mehr wird man auch respektiert und geschätzt. Weblog-Leser sind schließlich nicht bescheuert.
Nur manche lassen Kritik hageln, werden verletzend und gemein – denen kann ich es es wohl einfach nicht Recht machen. Doch auch gegen allzu fiese Attacken hat mich brigitte.de mit einer unschlagbaren Waffe ausgestattet. Unwillkommene Störenfriede kann ich jederzeit per Knopfdruck ins digitale Aus befördern. Dennoch mache ich das selten, da die meisten sich darüber anscheinend so ärgern, dass ihre nächsten Attacken nur noch abscheulicher werden.