Wie erfahre ich meinen aktuellen Kontostand? Wo kaufe ich mein neues Handy? Wie sieht die Verwaltung der
Zukunft aus? Auf diese drei Fragen gibt es drei einfache Antworten: e(lectronic)Banking, eCommerce und
eGovernment. Doch während eBanking und eCommerce schon länger zu den verbreiteten Technologien gehören,
steckt das eGovernment vor allem in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Zwei neue Studien belegen den
Aufholbedarf der deutschen Amtsstuben.
Erst in den letzten Monaten ist eGovernment so richtig in Mode gekommen. Dass eine Trendwende im Verwaltungsapparat
bevorsteht, belegt das wachsende Interesse der Unternehmensberater am Thema. Große Firmen wie KPMG und Anderson Consulting
haben sich des eGovernments angenommen, um sofort beratend zur Stelle zu sein, wenn die deutsche Bürokratie demnächst aus
ihrem Dornröschenschlaf erwacht. Denn auch den Chefbeamten der deutschen Verwaltungen dämmert allmählich, welchen Stellenwert
das Internet hat und welche Vorteile es darüber hinaus bietet.
Die Studien der Consultants kommen grundsätzlich zu ähnlichen Ergebnissen. Bislang bieten die Behörden ihren Bürgern viel zu
selten Online-Dienste an. Insgesamt sind die Verwaltungen beim Thema Internet noch wenig fortschrittlich, lediglich 21% der
Behörden-Mitarbeiter haben einen persönlichen Internetzugang und 31% verfügen noch nicht über eine eigene E-Mail-Adresse.
Folgerichtig sehen sich knapp 60% der deutschen Behörden im internationalen Vergleich als Nachzügler (Ergebnisse der
KPMG-Studie "Verwaltung der Zukunft – Status quo und
Perspektiven für eGovernment 2000").
Europas Primus ist Großbritannien. eGovernment ist ein zentrales Thema in der Politik von Premierminister Tony Blair. Bis
2005 sollen sämtliche Verwaltungsleistungen im Internet abzurufen sein und bereits bis zum Ende dieses Jahres erwartet die
britische Regierung, dass 20% aller Steuererklärungen digital eingereicht werden. Die Schlüsselrolle bei der technischen
Modernisierung der Verwaltungen spielt dabei die digitale Signatur. Durch eine neue Gesetzgebung wird die elektronische
Unterschrift rechtlich mit der handschriftlichen gleichgesetzt. In den USA wurde dies Gesetz sogar schon verabschiedet und
tritt am 1. Oktober in Kraft.
Die EU hatte diese Gleichstellung in ihren Richtlinien im Januar festgelegt. Bis Mitte 2001 haben die Mitgliedsstaaten Zeit,
ihre nationalen Gesetzgebungen dahingehend zu verändern.
Deutschland wird die rechtliche Gleichstellung wohl erst Anfang 2001 beschließen. Schneller reagierte die Landesverwaltung
von Niedersachsen. Dort soll die digitale Signatur Anfang des Jahres in den Verwaltungsapparat einführt werden. Mittlerweile
nutzen 7000 niedersächsische Beamte ihre Chipkarten, um digitale Dokumente zu signieren.
Bereits 1997 hatte Deutschland als weltweit erstes Land das Signaturgesetz eingeführt. Damit wurde die Grundlage für
Online-Transaktionen in Wirtschaft und Verwaltung geschaffen. Seitdem sind digital unterzeichnete Dokumente beweisfähig und
rechtsverbindlich.
Das Potenzial, das in eGovernment steckt, wird deutlich, wenn man es mit den Entwicklungen von eCommerce und eBanking
vergleicht. Viele Bankkunden tätigen ihre Überweisungen inzwischen per Internet oder rufen ihren Kontostand mit einem
einfachen Mausklick ab. Und der elektronische Geschäftsverkehr, sprich eCommerce, boomt. Bereits 60% der User nutzen die
Bestellmöglichkeiten per Internet und das renommierte Marktforschungsinstitut Forrester Research schätzt, dass der Umsatz im
Jahr 2001 allein in Deutschland auf 27 Milliarden Mark steigen wird.
Die technischen Möglichkeiten im Bereich eGovernment sind vielfältig, das Internet steht zweifellos im Mittelpunkt. Darüber
kann der Bürger Verwaltungsdienstleistungen abrufen und Transaktionen durchführen. Die organisationsinterne Vernetzung per
Intranet und dessen organisationsübergreifendes Pendant Extranet helfen, innerhalb oder zwischen zwei Behörden
schnellstmöglich Informationen auszutauschen. Beim Extranet erhält eine Partnerorganisation auf bestimmten Datenbereichen
eine Zugangsberechtigung, die nicht jedes Mal neu erteilt werden muss. Eine Passwortabfrage gestattet den schnellen Zugriff.
Schließlich gibt es noch Electronic Data Interchange (EDI), durch das ein international standardisierter
Geschäftsdatenaustausch von Dokumenten und Protokollen möglich wird. Gängig ist zur Zeit
EDIFACT.
Entgegen aller technischen Vorteile gibt es jedoch einige Probleme, die eine schnellere Umsetzung des eGovernments behindern.
Besonders die Angst vor Sicherheitslücken bremst den Modernisierungsdrang. So befürchten Regierungen und Behörden, dass
eventuell die Chipkarten, auf denen die digitale Signatur transportiert wird, geknackt werden könnten.Ebenso unsicher werden
die Rechtslage und die Frage des Datenschutzes beurteilt. Des weiteren fehlt es in den Behörden an IT-Fachkräften. Die
zunächst abschreckend hohen Investitionskosten – in dreistelliger Millionenhöhe allein für die Kommunen – tun ihr Übriges.
Trotz alledem kommen die Behörden an der virtuellen Verwaltung nicht mehr vorbei. Die Bürger fordern mehr und mehr die
Technologien, die sie selbst privat nutzen. Außerdem stehen die Verwaltungen unter einem ungeheuren Finanzdruck, so dass die
möglichen Personaleinsparungen nach Abschluss des Modernisierungsprozesses gerade noch rechtzeitig kommen.
Es gibt auch schon ambitionierte Projekte in Deutschland. Ein Beispiel ist die Initiative der Hamburger CDU. Fraktionschef
Ole von Beust plant einen digitalen Marktplatz. Über ein e-Commerce-Portal sollen die städtischen Aufträge im alljährlichen
Wert von 2,1 Milliarden DM abgewickelt werden. Umsetzen will von Beust das "Business-to-Government-Projekt" zusammen mit dem
Internetauktionshaus Ricardo.de, das schon Erfahrung mit eCommerce gesammelt hat. Einen entsprechenden Antrag stellte die
CDU Anfang Juli in der Hamburger Bürgerschaft.
Der Antrag kann aufgrund der Sommerpause erst frühestens im September diskutiert werden, so dass sich die Regierungskoalition
aus SPD und GAL noch nicht zu dieser Idee geäußert hat. Doch der wissenschaftliche Referent der CDU für Wirtschaft und
Umwelt, Ralf-Peter Christ, geht davon aus, dass die Regierungsparteien den Antrag nicht ablehnen werden. Zu überzeugend
seien die vorgebrachten Argumente und die bereits erzielten Erfolge in der freien Wirtschaft. Die CDU plant, im Jahr 2003 die
meisten Beschaffungstransaktionen der Hansestadt elektronisch durchzuführen. Ob dies tatsächlich eine realistische
Einschätzung ist, konnte auch Christ nicht eindeutig sagen.
Hauptziele des Projektes sind Transparenz, Effizienz und vor allem Kosteneinsparungen. Bei sämtlichen Einkäufen der
Hansestadt, selbst für Bleistifte, soll der Bedarf auf einem digitalen Marktplatz im Internet ausgeschrieben werden. Auf
diese Weise soll eine umgekehrte Auktion erfolgen, an deren Ende die Stadt sich den günstigsten Anbieter für das benötigte
Produkt aussuchen kann. Bevor dieses Projekt umgesetzt werden kann, müssten allerdings noch einige rechtliche Voraussetzungen
geschaffen werden. Beispielsweise muss sichergestellt sein, dass das Rechtssystem den Abschluss von Verträgen im Internet
ermöglicht.
Die Hamburger CDU kann sich gut vorstellen, das Projekt zunächst modellhaft in einer einzelnen Behörde zu testen und es
danach langsam auf die gesamte Verwaltung auszudehnen.
Wie erfolgreich auch immer diese Idee oder andere Projekte in der nahen Zukunft umgesetzt werden, die Gesamtentwicklung des
eGovernenment verläuft auf einer vorgezeichneten Bahn. Auf dem Weg zur Informations- und Wissensgesellschaft ist es ohnehin
die einzig logische Konsequenz.