Ist das endgütige Ende der Freiheit im Internet gekommen? Wird die Orwellsche Vision des totalen
Überwachungsstaates Realität? Diese Fragen können einem in den Sinn kommen, wenn man die neusten
Pläne der amerikanischen Regierung zur Überwachung der eMail-Kommunikation betrachtet. Doch auch
wenn die Regierungen vieler Staaten gerne eine weitergehende Kontrolle über das Internet hätten, als bisher
möglich, so ist abzuwägen wie groß die Gefahr wirklich ist.

Das FBI hat nach Informationen der Online-Ausgabe des Wall Street
Journal
vor, ein neues Computersystem zur Filterung von eMails zu installieren(Der Artikel befindet sich
auch auf cryptome.org) . Dieser Plan hat einen wahren Orkan
der Empörung ausgelöst. Vor allem in den USA ist das beachtlich, da dort der Datenschutz nicht sonderlich
groß geschrieben wird. So ist es möglich von persönlichen Daten bis zu Vorstrafenregistern fast alles im
Internet zu recherchieren.

Das System benötigt einen Computer, der an den Server des Providers angeschlossen wird. Alternativ kann
der Computer auch direkt an einen großen Netzknoten (Internet Exchange) angehängt werden. Von dort aus
ist er in der Lage "Millionen von eMails pro Sekunde" zu kontrolllieren. Der Name des Systems soll "Carnivore"
sein, "Fleischfresser", da es aus der unüberschaubaren Masse von eMails das "Fleisch", die für das FBI
relevanten Artikel, herausfiltert.

Doch einmal abgesehen von der prinzipiellen Problematik derartiger Abhöraktionen ist das grosse Problem bei
einer solchen Installation, dass die mögliche Überwachung nicht nur bei eMails möglich ist, sondern sich ohne
nennenswerten technischen Aufwand auf jegliche Datenkommunikation ausgeweitet werden kann.

Daher ist heftig umstritten, ob diese Überwachung angemessen und durch legale Besstimmungen gedeckt ist.
So ist die Aufgabe von "Carnivore" die Überwachung der elektronischen Kommunikation bekannter Straftäter
bzw. bekannter Straftäter. Die American Civil Liberty Union schrieb daraufhin
einen Protestbrief an den für Verfassungsfragen zuständigen Ausschuss des US-Repräsentantenhauses
(Constitution Subcommittee). Darin wird der Fleischfresser mit der Erlaubnis für das FBI alle Postsäcke
und Briefe zu öffnen und zu lesen, um die Kommunikation eines Kriminellen, dessen Adresse bekannt ist,
zu überwachen, verglichen.

Um einer solchen staatlichen Kontrolle zu entgehen, hat sich zum Beispiel die "Inselrepublik" Sealand, eine
besetzte ehemalige Bohrinsel in der Nordsee, als Standpunkt zur Gewährleistung unkontrollierter
Datenkommunikation angeboten. Auf Sealand sollen Server aufgestellt werden, auf die keine Regierung
zugreifen kann. Diese "Insel"-Idee gewinnt immer mehr Anhänger. Doch es bleibt abzuwarten, ob derartige
Freiheitsräume überhaupt nötig sind.

Denn das FBI schränkte nach Angaben von Spiegel-online ein, dass
das System durch Verschlüsselungen von eMails behindert werde. Allerdings sehen Datenschutzvertreter
darin keinen ausreichenden Grund, dem System Harmlosigkeit zu bescheinigen. Im Gegenteil berge diese
Einschränkung vor allem Gefahr für Privatpersonen, da diese im Gegensatz zu Kriminellen in der Regel Ihre
eMails nicht verschlüsseln. Auch die Beschränkung auf die Überwachung von eMails lässt sich nach Ansicht
der American Civil Liberties Union nicht kontrollieren, da ausschliesslich Mitarbeiter des FBI Zugriff auf die
gewonnen Daten haben. Denn es bedarf keiner weiteren technischen Installationen, um den Bereich der
Überwachung auszudehnen.

Von Seiten der Provider werden auch Bedenken gemeldet. Abgesehen von den datenschutzrechtlichen
Bedenken melden sie Kritik an der geplanten Installation an. So bekommen viele Bauchschmerzen, wenn sie
daran denken, dass fremde Software in ihre Systeme eingespielt werden sollen. Bisher besitzt das FBI
zwanzig Carnivore Systeme, die in einem verschlossenen Käfig im Gebäude des Internetproviders untergebracht
würden. Ein dauerhafter Betrieb ist noch nicht Realität, doch hat das System schon etwa hundert Einsätze hinter
sich. Diese umfassten nach Informationen des Online-Magazins heise-online
neben der Jagd auf Hacker und Maßnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus und Drogenhandel vor allem
den "Schutz der Infrastruktur".

Doch mit dem Wunsch nach Überwachung der elektronischen Kommunikation stehen die amerikanischen
Behörden nicht allein. Auch die Europäer denken schon seit Jahren über eine derartige Kontrolle nach. Die
Briten stehen ganz vorne bei diesen Bemühungen. So wurde in diesem Monat ein Gesetzentwurf in das
Oberhaus eingebracht, demgemäß bei jedem Internet Provider eine "black box" installiert werden sollte, die die
elektronische Kommunikation kontrolliert. Ebenso würde das Verschlüsseln von elektronischer Kommunikation
verboten beziehungsweise der Zwang zur Freigabe von Passwörtern bei "hinreichendem Verdacht" seitens der
Polizei festgeschrieben. Dieser Gesetztesentwurf hatte grosse Widerstände auf Seiten der Lords und den
verschiedenen Interessenverbänden hervorgerufen. Sie artikulierten Befürchtungen, dass dieses Gesetz zu einer
flächendeckenden Überwachung des Internetverkehrs führen würde. Deshalb wurden Forderungen laut, das Gesetz
nicht nur aufzuschieben, sondern ganz aus dem Prozess der Gesetzgebung herauszunehmen.