Die großen Parteien haben nach einigen Jahren Anlaufzeit nun auch das "neue Medium"
für sich entdeckt:
Neben den Wahlkampfterminen der Spitzenkandidaten ihrer Parteien rüsten SPD, CDU, Grüne und FDP zusätzlich im
Internet auf, in der Hoffnung, besonders die junge Wählerschaft zu informieren. Leider werden dabei aber längst
nicht alle technischen und interaktiven Möglichkeiten ausgeschöpft.
SPD steckt noch in digitalen Kinderschuhen
Die saarländische Regierungspartei scheint sich erst kurzfristig mit der digitalen Vorstellung ihres Spitzenkandidaten
beschäftigt zu haben. Zwar sind die Wahlkampfseiten von Reinhard Klimmt
in das Netz-Angebot der SPD-Saar miteingebunden,
doch ist das Layout alles andere als einheitlich gestaltet.
Zudem hat man bei einem Besuch auf den persönlichen Seiten des
amtierenden Ministerpräsident
den Eindruck, die Verantwortlichen wollten auch im Internet Plakatwände
aufstellen, denn oft zeigen sich nur riesige Photos aus dem
Privatarchiv des Saarbrückers ohne Hintergrundinformationen und
politische Aussagekraft. Dies
scheint wahlkampfstrategisch sehr nützlich zu sein, doch leider fehlt
eine sinnvolle Navigation in den einzelnen
Rubriken, so dass man auch erst auf der letzten Seiten eine persönliche
e-mail-Adresse Reinhard Klimmts finden
kann. Im Angebot der SPD Saar ist man auf der Wahlkampfseite des
amtierenden Ministerpräsidenten jedoch sehr bemüht um die Nähe zum
Bürger, stehen doch die e-mail-Adresse und der Link zu einem
Diskussionsforum gutsichtbar unter Klimmts Portrait. Doch sind diese
Kommunikationsmöglichkeiten auf den anderen Seiten der SPD Saar nicht
mehr aufgeführt, so dass es schwer ist, sich als interaktiv-engagierter
Bürger in den Wahlkampf einzubringen. Ohnehin wird es dem Surfer nicht
leicht gemacht, sich durch die Sites hindurchzuklicken. Denn es gibt
neben der Navigationsspalte mit vier Bereichen keinerlei spezifische
Navigationshilfen, die einem den Besuch erleichtern würden.
Findet sich der User gar nicht zurecht im Web der SPD, kann er sich die
Suchmaschine zunutze machen, und nach Eingabe eines Stichwortes bekommt
er die passende Pressemitteilung oder auch Website.
Im Großen und Ganzen steckt die SPD im Saarland aber leider noch in den
Kinderschuhen, was Wahlkampf im Internet angeht. Besonders die
personality site des Ministerpräsidenten entspricht doch mehr digitalem
Glanzpapier, das ohne Zweifel ordentlich gestaltet ist, aber nicht den
Möglichkeiten des Internet gerecht wird.
CDU gibt Gas auf dem Datenhighway
Passagier im Zug der Internetpräsenz ist unter anderem schon die CDU Saar. Anlässlich des Wahlkampfes haben die
Webmaster dem Spitzenkandidaten Peter Müller
einen Ehrenplatz auf ihrer Startseite gegeben. Alles über seine Sommertour,
seine Person und seine Ziele findet der Surfer hier. Diese Informationen sind im Gegensatz zu dem Lebenslauf vom SPD-Mann
Reinhard Klimmt kurz und bündig gehalten und präsentieren sich in einem Layout, das professionell einen Rahmen um die
Texte bildet. Die Navigationsleisten bleiben konsequent auf jeder Seite, so dass man einen guten Überblick bekommt, was
einem die CDU Saar alles bietet. Und das ist nicht wenig: Der interessierte Wähler kann einen Newsletter abonnieren und
wer einen Real-Player auf seinem PC installiert hat, hat die Möglichkeit sich den Kinospot mit Müller anzuschauen.
Wie auf den Websites der SPD findet man auch im Netz-Angebot der CDU über die Eingabe eines Stichwortes in der Suchmaschine
schnell, wonach man sucht. Jedoch wird der User vergeblich nach einer Art Diskussionsforum suchen, und nach langem
Hindurchklicken findet man leider nur die Telefon- und Fax-Nummer der Landesgeschäftstelle der CDU Saar und nicht die
e-mail Adresse des Spitzenkandidaten. Klickt der Web-Site Besucher auf "Kontakt", bekommt er nur die Möglichkeit denselben
mit der allgemeinen Informationsstelle der CDU aufzunehmen. Einen besonderen Service für die Bürger hält das Angebot
jedoch bereit: Über eine spezielle Suchmaschine kann man sich durch die Kreisverbände klicken und einen Ansprechpartner
für sein Anliegen finden.
Grüne fördern virtuelle Nähe
Im sonnigen Gelb präsentieren sich die Saar-Grünen auf ihrer Website, und der Besucher bemerkt sofort: Die Grünen haben
sich für ihren Wahlkampf in diesem Sommer tatkräftige Unterstützung besorgt:
Bevor Joschka Fischer die Seinen am 25.08.99 in Saarbrücken unterstützt, sind am 21.08. Wahlkämpfer eines ganz anderen
Kalibers zugegen: Die Ö la palöma Boys" kommen, kündigt die Rubrik Veranstaltungen auf der Startseite dem Besucher als
ersten Punkt der Terminplanung an.
Angesichts dieser Übermacht an Unterstützung bleibt der Spitzenkandidat der Grünen im Saarland,
Dr. Christian Molitor,
gelassen und begnügt sich im Vertrauen auf die Zugkraft seiner Mitstreiter mit einem kleinen Foto oben links. Nach einem
kurzen Klick auf seinen Namen sieht die Welt aber schon wieder ganz anders aus: Mit einem großen Foto präsentiert sich
der Spitzenkandidat, und ein kurzer Lebenslauf verrät Wissenswertes über seine Person. Auch eine direkte e-mail an den
Politiker ist möglich, die sogar direkt an ihn persönlich geht, während die meisten
anderen Kandidaten auf den vorderen Listenplätzen nur unter der allgemeinen Adresse der Partei zu erreichen sind.
Sehr verwunderlich ist allerdings die Tatsache, dass sich auf Platz 9 der Landesliste eine
Studentin namens Daniel Dörr befindet. Ob es sich dabei um einen Versuch der Grünen handelt, die Frauenquote zu erhöhen,
oder ob sich hier ein Fehler des Webmasters eingeschlichen hat, bleibt offen.
Zurück auf der Startseite hat der Besucher die Möglichkeit, einen Arbeitsplatz zu suchen. Hinter dem Button
"Ich suche einen neuen Job" verbirgt sich der Stellenmarkt "jobs at gruene.de", in dem Angebote aus unterschiedlichen
Branchen verzeichnet sind. So leisten die Grünen ihren kleinen aber feinen Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit,
auch ohne Regierungsbeteiligung.
Das Design der Seiten orientiert sich an dem Angebot der Bundespartei, bleibt aber individuell.
Sichtlich bemüht sind die Grünen um die Nähe zu ihren potentiellen Wählern:
Unter der Rubrik Kontakt kann der Benutzer ein e-mail Formular ausfüllen und Fragen, Anregungen und Probleme loswerden
oder Infobroschüren anfordern.
Zusätzlich bietet diese Rubrik dem User die Möglichkeit, einen Newsletter zu bestellen, um regelmäßig zu erfahren, was
auf der Website der Landespartei und drumherum passiert.
F.D.P schafft den Sprung nicht
Knalliges Blau und Gelb hingegen empfängt den Besucher der Seiten der Saar-F.D.P.,
und eine animierte Zitrone hüpft über
die Fünf-Prozent Hürde. Das ist jedoch der einzige Luxus, den sich die Seiten der Saar-F.D.P. leisten. Das Internet
scheint für die F.D.P. kein bedeutendes Wahlkampfmedium zu sein, jedenfalls läßt der unprofessionelle und laienhafte
Webauftritt der Liberalen diese Vermutung zu.
Unter der Rubrik "Kandidaten" findet der Besucher einen sehr ausführlichen Lebenslauf des Spitzenkandidaten
Werner Klumpp,
der keine Ehrung aus- und keine Fragen offenläßt- diese sind anscheinend auch nicht erwünscht, der Kandidat ist jedenfalls
nicht per e-mail zu erreichen. Nur Christoph Hartmann, auf Platz zwei der Landesliste und der Jüngste der Kandidaten, hat
eine e-mail-Adresse. Unter der Rubrik Kontakt kann der User außerdem immerhin die Landesgeschäftsstelle erreichen, und es
gibt auch eine Rubrik "Forum" im Index- die ist allerdings nicht verlinkt und zeugt nur von gutem Willen, der nicht in die
Tat umgesetzt werden konnte. Stattdessen hat der Besucher die Möglichkeit, sich die Wahlplakate anzuschauen, oder das
Wahlprogramm zu lesen. Dabei bleibt es dann auch schon, denn mehr als gelber Text auf blauem Grund ist nur dort zu finden,
wo es zusätzlich noch ein Foto gibt.
Im Gegensatz zur Zitrone auf ihrer Website schafft die F.D.P. im Saarland die Hürde des Internetauftritts ganz und gar
nicht, und zum Sprung über die 5%-Hürde trägt dieser Teil der Wahlkampagne mit Sicherheit nicht bei.
Auch wenn das digitale Desaster weitgehend ausblieb, gibt es noch eine ganze Reihe von Schwächen.
Offensichtlich haben alle Parteien erkannt , dass sie im Wahlkampf im Internet vertreten sein müssen, doch leider
nutzen sie nicht das Potential dieses Mediums aus. Scheinbar geben sich die Landesverbände mit der bloßen Internetpräsenz
zufrieden. Besonders die F.D.P., die sich gerne als junge, moderne Partei präsentiert, wird diesem Image im Internet
bei weitem nicht gerecht. Insgesamt finden sich dennoch auch positive Ansätze in den einzelnen Angeboten der Parteien. Nur
auf die Kommunikation mit dem Wähler haben anscheinend gerade die großen Parteien keine besonders große Lust, obwohl sich
doch gerade in der Interaktivität der eigentliche Mehrwert des Mediums abbildet. Vielleicht reden die Damen und Herren
doch lieber weiter von einer Bühne aus und mit Mikrofon, denn da kann auch nicht so leicht widersprochen werden.