Die zentralen Thesen der Kandidaten und ihre Präsentation im Netz

Bildung ist naturgemäß ein
wichtiges Thema für Präsidentschaftskandidaten. Nirgendwo kann man
soziales Verantwortungsbewusstsein besser plausibel machen als bei der
Ausbildung der jungen Generation, mit deren Entwicklungsperspektiven
die Zukunft der gesamten Gesellschaft verbunden wird.

Aber ebenso kann man nirgendwo so
kläglich scheitern, als wenn der Eindruck entsteht, dass Bildung nur
eine untergeordnete Rolle im Konzert der zentralen Konzepte spielt und
nicht zu den Kernkompetenzen eines Kandidaten zählt. Auch wenn im
Zweikampf der zwillingsgleichen Kandidaten Bush und Gore bisher Themen
wie Steuern, Sozial- und Außenpolitik im Mittelpunkt standen, gilt es
besonders in der Bildungspolitik sich keine Blöße zu geben und
größtmögliche Differenz bei weitest gehendem Einvernehmen deutlich zu
machen.

In den USA ist Bildung ebenso wie
in Deutschland Ländersache, aber im Unterschied zu Berlin kann
Washington Mittel an die Bundesstaaten fließen lassen und diese an
politische Vorgaben knüpfen. Damit ist ein fiskalischer Hebel
vorhanden, mit dem sich bildungspolitische Konzepte auf Bundesebene
durchsetzen und koordinieren lassen. Womit diese nicht wie in
Deutschland auf Forschung und Hochschulbau beschränkt werden oder im
Zuge der föderalen Fallenstellerei im Dickicht der
Kultusministerkonferenz auf der Strecke bleiben.

Damit kommt den
bildungspolitischen Konzepten und Wahlkampfversprechen aber auch ein
höheres Gewicht zu, das sich bei Regierungsantritt nicht mit dem
pauschalen Hinweis auf Landes- bzw. bundesstaatliche Kompetenzen abtun
lässt.

Bereits der oberflächliche Blick
auf die Wahlplattformen im Netz lässt Unterschiede zwischen Bush und
Gore erkennen, die einen tieferen Zusammenhang zwischen der Form der
Präsentation und den Inhalten der Bildungspolitik vermuten lassen.

www.georgewbush.com/issues/education.html

George Bush
verweist als Gouverneur von Texas erwartungsgemäß auf die
herausragenden Leistungen seines Staates, der im Vergleich zu den
anderen selbstverständlich die größten Fortschritte im Bildungswesen
gemacht hat. Auch wenn ein derartiges Kokettieren mit der Rolle des
provinziellen Herausforderers gegenüber dem weltläufigen und
regierungserfahrenen Vizepräsidenten im Rahmen der
Wahlkampfinszenierung eine durchaus ambivalente Wirkung haben kann,
verfängt es bei der Bildungsproblematik eher als in Außen- und
Sicherheitspolitischen Kontexten. So steht es auch dem Herausforderer
zu, die Reformbedürftigkeit des Bildungswesens anzumahnen und das
bisherige Bemühen des Bundes im Kern zu kritisieren.

Dementsprechend will Bush Schulen
vermehrt in Formen freier Trägerschaft überführen, lokale und familiäre
Selbstverantwortung stärken sowie die Bundesstaaten aus der
regulierenden Umklammerung des Bundes befreien, sie aber keineswegs aus
der Verantwortung entlassen. Dabei sollen zugleich die Standards hoch
gehalten, der Charakter der Bildung verbessert und mehr Sicherheit an
den Schulen gewährleistet werden. Gemeinsamkeiten mit Gore finden sich
hingegen in übergreifenden Tests und Evaluationsverfahren, denen sich
Schüler, Lehrer und Schulen unterwerfen müssen, um ihre
Leistungsfähigkeit nachzuweisen und Qualitätssicherung zu
gewährleisten.

Während Bush die Leitlinien
seiner Bildungspolitik auf seiner Homepage in einer digitalen Bleiwüste
aus Reform Proposals, Position Proposals, Fact Sheeds und Reden
präsentiert, kommt Gore etwas bunter und durchaus interaktiver daher.

www.AlGore2000.com/education/

Dies korrespondiert durchaus mit
der Leistungsbilanz, die Al Gore als Vizepräsident und Mitglied des
Kongresses für sich verbucht und den Schwerpunkten, die er in der
Vergangenheit vorangetrieben hat. Dazu zählen vor allem Themen wie
Lebenslanges Lernen und die Vernetzung aller Klassenräume.

Der offenkundigen
Misere an den öffentlichen Schulen

– zu der sich die deutschen Verhältnisse im Vergleich durchaus noch als
solide beschreiben lassen – will Gore vor allem durch die
Bereitstellung von Bundesmitteln (8 Milliarden $ in 10 Jahren)
beikommen, mit denen die nötigsten Reparaturen an Gebäuden
durchgeführt, fehlendes Mobiliar beschafft und mehr Lehrer eingestellt
werden sollen.

Kontroverse Positionen, wie etwa
die von Bush favorisierten Bildungsgutscheine, mit denen Eltern ihre
Kinder in Privatschulen einkaufen können, werden auf der Homepage in so
genannten Town Hall Questions abgehandelt, in denen der Kandidat
freizügig auf die (fiktive?!) Fragen von besorgten Eltern oder
engagierten Lehrern antwortet. Ebenso vertrauensvoll gibt sich der
Kandidat Gore in seinem Education Blue Book www.AlGore2000.com/agenda/bluebook/p1.html,
in dem sich Klein-Al (in Schreibschrift) den Fragenkatalog zur
Bildungspolitik für das Schuljahr 2000 eingetragen hat und dessen
Antworten in diesem Arbeitsheft hoffentlich zum Bestehen der Klasse
reichen – falls nicht, hat er sich schon eine Bonusfrage vorgemerkt –
why is education reform important?

Grundsätzlich lassen sich die
Position in der Formel: ‘mehr Geld’ (Gore) vs. ‘mehr
Selbstverantwortung’ (Bush) zusammenfassen. Wobei die Verschärfung der
Rechenschaftspflicht und die Kontrolle der lokalen und
bundesstaatlichen Bildungsakteure beide Kandidaten verbindet.

Abwandlungen dieser Positionen finden sich einerseits bei dem grünen Kandidaten Ralph Nader www.votenader.com/issues/edu_main.html, der seine bildungspolitischen Thesen unter das Motto "Education for Everyone" stellt und andererseits bei www.buchananreform.com/library/Patrick
J. Buchanan von der Reformpartei, der unter Bildung vor allem die
Stärkung des Charakters und keine multikulturellen Curricula versteht.

Durch die im Vergleich zu Gore
und Bush sehr dünnen Darstellungen der bildungspolitischen Konzepte
werden hoffentlich nur die eingeschränkten Ambitionen der beiden
Außenseiter dokumentiert und nicht der Stellenwert von Bildung, die
trotz aller frommen Lippenbekenntnisse letztendlich ein Issue unter
vielen ist, das traditionell nach Wahlen schnell wieder aus dem
Blickfeld der Politiker gerät.