Paradoxe Situation in Rheinland-Pfalz: Während die SPD schon um den Sieg bangt, kämpft der
CDU-Spitzenkandidat Böhr noch gegen schlechte persönliche Umfragewerte.

Anfang Februar prognostizierten Emnid und die Allgemeine Zeitung Mainz
den Sozialdemokraten 41 Prozent der Wählerstimmen – und somit nur noch drei Prozent Vorsprung vor der CDU mit
38 Prozent. Doch die einzelnen Spitzenkandidaten der großen Volksparteien erreichen ganz andere Werte.
Im direkten Vergleich liegt Ministerpräsident Kurt Beck weit vor seinem Herausforderer Christoph Böhr.
61 Prozent der Wahlberechtigten würden Amtsinhaber Beck bei einer Direktwahl bevorzugen, Christdemokrat
Böhr bekäme gerade mal 16 Prozent der Stimmen.

Trotzdem glaubt der Herausforderer weiterhin an einen Sieg. Seine Parteifreunde Peter Müller im Saarland und
Roland Koch in Hessen erzielten vor den Wahlen 1999 ähnlich mäßige Umfrageergebnisse, wie er betont. Und am
Ende gewannen sowohl Müller wie auch Koch ihre Wahlen – trotz anfangs ungünstiger Umfragewerte. Ob der
Trierer diese Erfolgsgeschichte wiederholen kann, bleibt vorerst offen. Doch eines steht fest:
Böhr sammelt für seine Netzaktivitäten Pluspunkte und kann so seine Sympathiewerte verbessern.
Denn während sein Gegenspieler Kurt Beck noch analog für sich wirbt, kann Böhr inzwischen auch mit einer
eigenen Homepage glänzen.

Seine politischen Standpunkte stellt er dort klar heraus, namentlich Bildung, Verkehr und innere Sicherheit
stehen auf seiner Agenda. Dabei fokussiert er sich vor allem auf den schlechten Zustand der Straßen
und den Unterrichtsausfall an rheinland-pfälzischen Schulen. Ferner greift er bundespolitische Themen
wie die Ökosteuer oder die Rentenreform auf und attackiert die Mainzer Landesregierung als "Steigbügelhalter"
einer unsozialen Bundespolitik. Zu jedem Thema gibt es Kurzzusammenfassungen und bei Bedarf "auf Klick" auch
ausführlichere Texte. Ferner präsentiert Böhr sein "Kompetenzteam", also all jene Experten, die ihn bei
seiner angestrebten Regierungstätigkeit unterstützen werden. Außerdem stellen sich kurz alle CDU-Kandidaten
für ein Direktmandat vor. Links führen zu deren persönlichen Webangeboten.

Auffällig ist die Häufung spezieller Serviceangebote und teils interaktiver Features, um christdemokratische
Sympathisanten zu mobilisieren. Als einziger Kandidat im Südwesten bietet Böhr orientierungslosen Surfern
eine Liste mit Antworten zu häufig gestellten Fragen zu den Landtagswahlen und dem Webangebot der CDU.
Lobenswert ist als Frage der Woche titulierte Online-Abstimmung, bei der die Nutzer der Website ein
Stimmungsbild abgeben. Weiteren Service bieten die aktuellen Pressemitteilungen, die auch als Newsletter
erhältlich sind und die Terminrubrik: ab Ende Februar werden auf der Site die Ausstrahlungstermine sämtlicher
Radio- und Fernsehspots publik gemacht. Schließlich liefern die Christdemokraten ihren Anhängern Wahlkampfmunition:
Flugblätter und Argumente zum Weiterversenden via E-Mail oder zum Ausdrucken und Verteilen in der
Fußgängerzone liegen online bereit.

Allerdings hat boehr2001.de auch Schwachstellen, vor allem in Punkto Aktualität: Ankündigungen für
Fernsehauftritte und Live-Chats sind veraltet. Am 22. Februar zeigt die Site noch immer die Termine für
die Zeit zwischen dem 8. und dem 16. Februar an. Außerdem ist die Navigation unübersichtlich, die Sitemap
wirkt dabei wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Nicht zuletzt kommt der Privatmann Böhr zu kurz.
Nur ein stichwortartiger Lebenslauf und ein paar altbekannte Fotos illustrieren den Mann, der am 25. März
Ministerpräsident werden will.

Gemessen an den
begrenzten finanziellen Ressourcen der Christdemokraten kann sich die Website
durchaus sehen lassen. Größtenteils wurde die Site nämlich in Eigenarbeit erstellt, wie der Pressesprecher Thomas
Bippes erklärt: "Wir haben zwei Jungs im Landesverband, die haben die Seiten in ihrer Freizeit gebaut.
Da ist kein großes Geld geflossen." Zudem unterstützt die Landeszentrale übers Internet den Wahlkampf vor Ort.
Über den Online-Shop bestellen CDU-Wahlkämpfer Streichhölzer, Küchemesser, Gummibären und Luftballons mit
Partei-Enblem – die CDU scheint den Sinn des eCommerce verinnerlicht zu haben und betreibt so eine
Übungsplattform in Sachen "Business2Business" und "eProcurement".

"Fun und Action ist der Kern."

Ideele Unterstützung bekommen Böhr und Co. von der Jungen Union (JU), die unter der gleichnamigen
Internetadresse das Computerspiel Rallye2001 vertreibt.
Dieses Spiel spiegelt die Situation in Rheinland-Pfalz aus Sicht der Christdemokraten wider. Auf maroden
Straßen flüchten mittelständische Unternehmer vor hohen Steuern sowie schlechten Schulen, in die ihre Kinder
gehen müssen. Der Spieler am Lenkrad eines Autos muss sich das Geld für überteuerten Sprit – Stichwort:
Ökosteuer – verdienen, indem er rote Geisterfahrer mit dem Nummernschild SO-ZI 00 in den Straßengraben
befördert. Über fairplay läßt sich streiten.

JU-Landesvorsitzender Andreas Kerz nennt das Spiel "unseren Beitrag gegen dumme Steuern". Außerdem hält
er solche Spiele für eine gute Möglichkeit, das Interesse der Öffentlichkeit für Politik zu fördern:
"Früher konnten wir Leute anlocken, wenn wir ein Gespräch mit dem örtlichen Landtagsabgeordneten angesetzt
haben. Das interessiert heute niemanden mehr! Durch solche Spiele erreichen wir die junge Generation,
die mit PC-Spielen groß geworden ist. Fun und Action, das ist der Kern unserer Arbeit – neben anderen Sachen."

Bei ihrer digitalen Überzeugungsarbeit hat die JU mit denselben Problemen
zu
kämpfen wie ihre Mutterpartei. Angesichts knapper Kassen fällt es nicht
leicht, ein professionelles Webangebot auf die Beine zu stellen.
Ein Großteil der Arbeit wird ehrenamtlich geleistet, ein Sponsor
unterstützt die technische Abwicklung,
wie Kerz erklärt. Bei der momentan ungünstigen bundespolitischen Lage
und den Querelen um die Führung der
Bundes-CDU ist der unentgeltliche Wahleinsatz der Nachwuchsorganisation
Ehrensache für Kerz und Co.
Zumal gute Beziehungen zu Christoph Böhr bestehen, weil der
CDU-Spitzenkandidat von 1983 bis 1989
Vorsitzender der JU auf Bundesebene war.

Rheinland-Pfalz bleibt zweiter Sieger

In puncto Webwahlkampf steht Rheinland-Pfalz übrigens weiterhin leicht im Schatten seines Nachbarn Baden-Württemberg.
Im Ländle sind inzwischen alle Spitzenkandidaten der vier etablierten Parteien online. Zuletzt komplettierten
Minsterpräsident Erwin Teufel und Walter Döring,
F.D.P., das Quartett der Webwahlkämpfer mit
persönlichen Seiten.
Im Land der "Reben und Rüben" hingegen gehen bisher nur die beiden
Oppostionskandidaten mit persönlichen Seiten im Netz auf Stimmenfang –
eben Christoph Böhr und die grüne
Ise Thomas. Die FDP und SPD setzen auf Bündelung und sind mit jeweils einer zusammenfassenden Site zur Wahl im Netz vertreten.
(Lesen Sie hierzu unseren Kampagnen-Überblick:"Gutenbergs Erben")