BerlinBeta Version 2001, die 4. Ausgabe des Festivals for Digital Media, Business and Culture, besteht aus einer Konferenz, einem Filmfest und einer Reihe von Party-Events.
Die Konferenz, die am 31. August bis zum 01. September im Kino in der Kulturbrauerei, Prenzlauer Berg, stattfand, bot einen idealen Rahmen: Breite, gemütliche Sessel in mehr als ausreichender Stückzahl, neueste Konferenztechnik, Cola und Popcorn.
Die Voraussetzungen waren gegeben, doch einige der Panels konnten da inhaltlich nicht mithalten. Wohlklingende Schlagwörter wie design upgrade: Alltagsprache abschöpfen oder digital business finance: changing the dilemma sollten anzeigen, dass nach der Euphorie der letzten Jahre jetzt ein reality shift – ausgelöst durch den New Economy-Crash – stattgefunden hat.
Aber gerade das Panel design upgrade: Alltagsprache abschöpfen enttäuschte mit überholten Diskussionen zu Themen wie: Gibt es noch Jugendkulturen, Wer macht Trends? oder Underground oder Mainstream – der Killer-Vorwurf: sell-out, die vor Jahren schon im theorieverliebten Popdiskurs ausgiebig durchexerziert wurden. Hier wurden keine neuen Räume eröffnet, die man als innovativen Umgang mit der corporate culture bezeichnen könnte.
Auch die charmante Keynote von Phillip Dodd, Direktor des Institute of Contemporary Art in London, überzeugte nur auf theoretischer Ebene. Culture is central to economy war eines der Hauptargumente Dodds, der die Trennung von Kultur und Kommerz amahnte, da diese eine intellektuelle Sackgasse darstellen würde. Doch er verschwieg uns, wie es in der neuen digitalen Welt jenseits von Kultur und Kommerz aussieht. Welche Machtverhältnisse herrschen dort? Oder lösen sie sich von selber auf?
Schon die Struktur der Konferenz zeigt die Schwierigkeiten, beide Lager zusammen zudenken und auch zusammen zu bringen. Denn das ausgerechnet gleichzeitig laufende Panel digital business finance symbolisiert die Trennung, die zwischen den Bereichen Kultur und Business anscheinend liegt, der Berliner Mauer vergleichbar.
Keiner der folgenden Redner konnte die aufgestellte Forderung umsetzen, Verbindungen zu suchen oder Brücken zu bauen, so dass es sich bei dem Vortrag von Phillip Dodd eher um einen Wunsch für die Zukunft handelt. Das Ziel vor Augen, fehlt den Suchenden der rechte Weg.
Das dies verstärkt auf Deutschland zutrifft, zeigte der smarte Vortrag von Ekow Eshun, London. Er glaubt, daß er und seine Partner von Bug Consultancy die bisher existierenden Ausbeutungsverhältnisse der Kulturindustrie umkehren könnten. Ihr Ziel ist es, die großen Unternehmen abzuschöpfen und nicht mehr andersherum. Der übliche sell-out Vorwurf sei sowieso old-fashioned. In der Interpretation von Michael Michalsky (adidas) heißt das dann: express yourself – klar, kann doch heute jeder sein eigenes Ding machen – schwerelos im Kapitalismus – soziale Differenzen werden funky weggebeamt, damit der Marketing-Traumwelt die Ideen nicht ausgehen. Es ist alles frei, wie Chris Häberlein scharfsinnig bemerkte und damit dem missverstandenen Slogan der Postmoderne anything goes ein weiteres Mal huldigte. Nein – so stelle ich mir die Neue (kulturelle) Linke nicht vor. Ok – wenn von den Kreativen und Intellektuellen nicht viel Neues zu hören ist, vielleicht von der anderen Seite der Mauer, aus dem Zentrum der Macht selber: der Ökonomie. Highlight der Standortbestimmung, der sich die New Economy und ihre Verlierer, hier insbesondere die Medien- und Internetunternehmen, auf der BerlinBeta unterzogen, war das als Streitgespräch gedachte Zusammentreffen zwischen Heinz Top-Sanierer der Nation Dürr und Paulus der Hype ist vorbei Neef, Vorstandsvorsitzender der Pixelpark AG, Berlin. Deren Story des Aufstiegs und Falls steht symptomatisch für eine ganze Branche: Vom Helden der New Economy zum Träumer oder Versager. Klar, dass man da Rat sucht bei der Old Economy – oder gibt es eh nur einen Markt und seine unerbittlichen Gesetze – die Real Economy, wo Überschreitungen gnadenlos geahndet werden? Wer sind die Schuldigen?, war eine der spannenden Hauptfragen am späten Freitag nachmittag. Der väterliche Heinz Dürr ließ Milde walten und verbreitete die Mär von den bösen Geldgebern und Börsenanalysten, die die Sitten verdorben hätten. Die Finanzmärkte und ihr grenzenloses Venture Capital (VC) – Haffateure eben – seien die wirklich Schuldigen an der Misere. Er drückte den Sohn einer neuen frischen Unternehmenskultur an seine erfahrene Brust, der mit überzeugend gespielter Selbstkritik Vater Dürr für den Freispruch dankte. Da hat mir die soziale Kompetenz gefehlt verblüfte Dürr die zahlreichen Zuschauer ebenso wie den smarten Moderator. Der fromme Hinweis Dürrs, bei Entlassungen müsse man vielmehr mit den Leuten reden, war eine Anspielung darauf, dass es bei Entlassungen in der Internetbranche zu sozialen Härten gekommen sei. Wer kann das nicht besser einschätzen als Dürr, ehemaliger Bahnchef und Vorstandsvorsitzender der AEG, der in seiner Karriere nicht weniger als 250.000 Arbeitsplätze bei der Deutschen Bahn abwickelte. Nennt man das nicht einen Wolf im Schafspelz? Fazit der heiteren Runde: Bessere Manieren, weniger exzessiv durchgetanzte Disconächte – und schon bringen wir das schlingernde Schiff wieder auf Kurs. Aye, aye, Herr Kapitän! Kultur meint hier also Unternehmenskultur. Ach so – jetzt wird mir einiges klarer – danke BerlinBeta 2001. Neben der Bereitstellung eines Forums für die Medienbranche ist die BerlinBeta auch Teil einer Imagekampagne, die der Standortpflege Berlins als Topadresse für Medienunternehmen dienen soll. Daher präsentiert sich die BerlinBeta 2001 erstmalig unter dem neugeschaffenen Dach der Internationalen Medienwoche Berlin-Brandenburg. Einen interessanten regionalen Bezug stellte das Panel Freie Software Metropole Berlin? her. Hier ging es zum einen um den interessanten Aspekt von freier Software, eine politisch innovative und auch ökonomisch erfolgreiche Herausforderung des herkömmlichen Softwaremodells. Zum anderen gelang hier in eleganter Weise, sympathisch nüchtern im Auftreten, hochkarätig im Inhalt, was vorher Phillip Dodd gefordert hatte. Kultur und Kommerz berühren sich hier in vielfältiger Art. Auch das Motto der Konferenz: Konvergenz und Content wurde aufgegriffen. Zugleich war das Panel eine Vorankündigung für die internationale Konferenz www.wizards of OS 2, die vom 11.-13. Oktober 2001 in Berlin stattfinden wird. Fazit: Besuch sehr empfehlenswert! Rauschender Abschluß der Konferenz bildete das digitale Kaminfeuer, an dem sich niemand geringeres als Wired Gründer Louis Rosetto aufwärmen durfte. Vorher wurde noch eine Gedenkminute für den kürzlich verstorbenen Internet Pionier Wau Holland (Chaos Computer Club) eingelegt. Eine sehr sympathische Geste. Danach sprach die Stimme der digitalen Revolution über die Anfänge der Bewegung, in der seine Internet-Zeitschrift eine prominente Stellung inne hatte. Als Legende angekündigt, fühlt sich Mr. Rosetto und seine ebenfalls in Berlin weilende Lebensgefährtin Jane als Teil einer digital-communication revolution. Deren bescheidenes Ziel ist bis heute the … building of a new civilization. Gerne erinnerte er sich an die bescheidenen Anfänge als typische garage start-up-company story. Man tauschte cookies gegen technische Geräte, später Turnschuhe gegen Anzug. Doch die großen Visionen einen besseren Welt, hat er nach dem bitteren Rauswurf aus seiner eigenen Firma nicht vergessen. Wer hätte uns nicht besser daran erinnern können, worum es bei clicks & bytes eigentlich geht: high ideals – social change. Danke Louis und seiner Lebensgefährtin Jane.