Martina Krogmann,
Internetbeauftragte der CDU
politik-digital:
Wo sehen Sie die thematischen Schwerpunkte der CDU beim Thema Internet?
Frau Dr. Krogmann: Die beiden
großen Schwerpunktbereiche sind eGovernment und eCommerce. Hinzu kommt
das gerade wieder sehr aktuelle Thema der digitalen Spaltung.
politik-digital: „Internet
für alle“ war ja durchaus ein Versuch, die digitale Spaltung zu verringern.
Frau Dr. Krogmann: Das
Interesse der Bundesregierung an ihrem Ziel "Internet für alle"
scheint nicht mehr wirklich da zu sein: Bei der Zahl der Internetnutzer fällt
Deutschland im internationalen Vergleich weiter zurück. Die Schere zwischen
denjenigen, die selbstverständlich und kompetent mit PC und Internet umgehen
können und denjenigen, die außen vor bleiben, geht weiter auseinander.
Sozial Schwächere, Personen mit niedrigen Bildungsstand, Frauen, älter
Menschen und Bürger in ländlichen Gebieten sind nach den neuesten
Umfragen stark unterrepräsentiert. Die Fähigkeit, die neuen Medien
zu nutzen, entscheidet jedoch immer stärker über die persönlichen
Chancen auf dem Arbeitsmarkt und das Teilhaben am gesellschaftlichen Leben.
politik-digital: Was müsste
nach Ansicht der CDU/CSU-Fraktion über das Programm „Schulen ans
Netz“ hinaus getan werden?
Frau Dr. Krogmann: Ein
ganz wichtiger Bereich ist die Einbindung des Internets in den Unterricht. Das
Forschungsministerium hat jetzt erst ein Programm aufgelegt, um den PC in den
Unterricht zu integrieren. In den skandinavischen Ländern funktioniert
das seit einigen Jahren bereits hervorragend. Bei uns sieht es dagegen in den
Schulen häufig noch so aus, dass es einmal in der Woche eine Internet-AG
gibt, viele Lehrer sind nicht ausgebildet und kennen sich häufig schlechter
aus als ihre Schüler. Lernsoftware ist bisher noch kaum vorhanden. Zudem
ist das Problem der Folgekosten wie die Systempflege noch nicht angegangen worden.
politik-digital: In der
Großen Anfrage Ihrer Fraktion schreiben Sie, dass freier Netzzugang ein
wichtiger Aspekt ist. Was ist damit gemeint und welche konkreten Maßnahmen
folgern Sie daraus?
Frau Dr. Krogmann: Mit freiem
Netzzugang ist in der Anfrage in erster Linie die Konvergenz der Medien gemeint:
Wer darf auf der dritten bzw. auf der vierten Netzebene seine Inhalte anbieten?
Wer sorgt für Infrastruktur, wer bestimmt, welche Inhalte angeboten werden?
Hier sollte nach unserer Meinung größtmöglicher Wettbewerb sichergestellt
sein, sowohl bezogen auf den Zugang als auch auf die Übertragungswege.
Exemplarisch dafür steht der Vergleich wireless LAN zu UMTS. Bei wireless
LAN war die Vergabe nicht reglementiert und bereits jetzt ist erkennbar, dass
es sich sehr viel schneller als UMTS durchsetzt.
politik-digital: Die Deutsche
Bank versucht Standards im Bereich digitale Signatur durchzusetzen und fordert
dabei die Hilfe des Bundes. Können Sie solche Forderungen aus der Wirtschaft
unterstützen?
Frau Dr. Krogmann: Ja, denn
aus meiner Sicht sind gerade im Bereich Internet public-private partnerships
sehr hilfreich. Der Staat muss bei der digitalen Signatur eine Vorreiterrolle
einnehmen und dem Bürger zeigen, dass er durch die Anwendung der digitalen
Signatur einen wirklichen Mehrwert hat.
politik-digital: Zum Thema
Sicherheit und Datenschutz: Sie hatten gesagt, dass die Politik sich nicht in
die Wirtschaft einmischen soll. Beim Jugendschutz möchte die Industrie
lieber auf Selbstregulierung setzen. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Frau Dr. Krogmann: Beim
Jugendmedienschutz zeigt sich, dass man die Bestimmungen der Offline-Welt nicht
einfach auf das Internet übertragen kann. Nationale Gesetze helfen hier
wenig: Wenn ich als Staat Kinderpornographie im Internet verbiete, dann habe
ich trotzdem keinen Zugriff auf einen Server, der einen Meter hinter der nächsten
Grenze steht. Daher sind aus meiner Sicht hier nicht nur Staat und Wirtschaft
gefragt, sondern auch der Nutzer. In einem Drei-Säulen-Modell müsste
der Staat den rechtlichen Rahmen stellen, der die Sanktionen angeht. Außerdem
muss er darauf achten, dass die Bestimmungen aus dem BGB eingehalten und internationale
Standards etabliert werden. Des weiteren muss der Nutzer medienkompetent erzogen
werden, um sich selbst beispielsweise mit Filtersoftware vor Kriminalität
im Internet zu schützen.
politik-digital: Eine Frage
zu Open Source: Wäre Open Source nicht ein Mittel, um Wettbewerb in der
Wirtschaft zu etablieren? Hat es da einen Sinneswandel innerhalb der Fraktion
gegeben, wie ist das Thema in der CDU verankert, wie sieht die Stimmung dabei
aus?
Frau Dr. Krogmann: In der
Fraktion gibt es unterschiedliche Meinungen. Ich habe mich sehr für Open
Source, gerade auch in der Bundestagsverwaltung, eingesetzt. Diese Frage ist
dabei für mich keine ideologische, sondern eine Frage der Wettbewerbspolitik,
der Sicherheit und der Transparenz. Der offene Quellcode ist meiner Meinung
nach immer vorzuziehen. Zudem sind die neuen Lizenzbestimmungen von Microsoft
nicht einfach so hinzunehmen. Auch in der Kommunalverwaltung gibt es große
Einsparpotenziale. Deshalb finde ich es richtig, dass sich einzelne Ministerien
dafür ausgesprochen haben und wir im Bundestag die sogenannte "kleine
Lösung" verabschiedet haben: In den Büros wird weiterhin Microsoft
genutzt, ansonsten stellen wir auf Open Source um. Das ist ein Einstieg und
ein Signal an die Republik.
politik-digital:
Wo sehen Sie die gravierendsten Fehler der Regierung? Wo würde die Union
bei einem eventuellen Regierungswechsel ganz klar umsteuern?
Frau Dr. Krogmann: Die gravierendste
Fehlentscheidung war sicherlich, dass für den gesamten Bereich Internet
keine zentrale Stelle in Form eines Beauftragten oder Koordinators geschaffen
wurde. Dieses Versäumnis am Anfang der Legislaturperiode hat dazu geführt,
dass sich inzwischen teilweise bis zu sechs Ministerien im Bereich Internetpolitik
tummeln. Die unterschiedlichen Projekte laufen wenig koordiniert, viele werden
nach dem Gießkannenprinzip vergeben. Das führt zu Kompetenzgerangel
und Zeitverzögerung im Entscheidungsprozess. Bei einer Unions-Regierung
wird das anders werden.
politik-digital: Eigentlich
hätte ja Frau Zypries in dieser Beziehung eine zentrale Rolle übernehmen
sollen, warum ist ihr das ihrer Meinung nach nicht gelungen?
Frau Dr. Krogmann: Frau
Zypries hat sich sicher Mühe gegeben, auch mit dem Programm „Bund
online 2005“. Sie hat aber unter dem Strich kaum etwas erreicht. Zunächst
wird bereits heute von den Fachleuten bezweifelt, dass die geplanten 383 onlinefähige
Dienstleistungen nach dem vorgelegten Zeitplan im Netz sind. Frau Zypries hat
versäumt, eine nationale Koordinierungsstelle für den föderalen
Flickenteppich aufzustellen. Nur mit einer klaren Strategie und einem einheitlichen
Konzept ist eine wirkliche Revolution in der Verwaltung möglich. eGovernment
bedeutet schließlich nicht nur, Texte und Formulare, die sonst offline
verfügbar sind, online zu stellen. Vielmehr birgt es die Riesenchance,
über Verwaltungsprozesse und Organisationsstrukturen zu entstauben und
zu einer bürger- und serviceorientierten Verwaltung zu kommen. Diese Chance
wurde auf der Bundesebene ganz klar verpasst. Einige Kommunen und Länder
– wie Baden-Württemberg – sind wesentlich weiter als die Bundesregierung.
Das Interview mit Martina
Krogmann führte Clemens Lerche.
Politik-Digital bedankt
sich für das Gespräch.