Der Staatstrojaner als Angriff aufs Ich, Mängel der netzpolitischen Forschung in Deutschland und zwölf Thesen zur Netzpolitik – dies und mehr in der Digitalen Presseschau.

In dieser Woche war das Angebot an interessanten Links enorm – auch wenn der Staatstrojaner alle anderen Themen in den Schatten stellte. Dennoch konnte sich die Redaktion nach kurzer Diskussion darauf einigen, Anna Sauerbreys auf tagesspiegel.de publizierten Kommentar zur abgestumpften Republik auf den ersten Platz zu wählen.


Staatstrojaner als Angriff aufs Ich

Der Skandal um den Staatstrojaner sei ein Weckruf, so Anja Sauerbrey: Staat und Bürger sollten sich fragen, in welchem Staat sie leben wollten – in einem Rechtsstaat oder in einem Präventivstaat. Die Bürger seien seit dem 11. September 2001 durch die zahllosen Eingriffe in die Privatsphäre abgestumpft, weshalb der Protest nun entsprechend gering ausfalle. Der Staat brauche aber klare Grenzen und mehr Expertenwissen bei der Beurteilung von Überwachungsmaßnahmen.


Defizite in der wissenschaftlichen Grundlagenarbeit

In Deutschland tätige Forscher seien in internationalen netzpolitischen Debatten häufig abwesend, bedauert Cornelius Puschmann in der Berliner Gazette, während gleichzeitig der Bedarf an fundierten Analysen der aktuellen Entwicklungen wachse. Die Forschung nehme sich den wichtigen Themen nur zögerlich an und überlasse damit Anderen das Feld. Der Meinungsaustausch laufe daher mehrheitlich ohne wissenschaftliches Fundament ab, weshalb substanzielle Ergebnisse in Deutschland Mangelware blieben. Seine Forderung: Internetforscher sollten sichtbarer werden und sich stärker an öffentlichen Debatten beteiligen.


Das “Datenauge im Himmel”

Auf dem dritten Platz unserer Presseschau landete John Markoff mit seinem in der New York Times veröffentlichten Beitrag zu den Gefahren und Potenzialen von “Big Data”. Sozialwissenschaftler versuchen derzeit aus den gesammelten Datensätzen des Netzes Zukunftsprognosen zu entwickeln. Ihr Ziel ist es, menschliches Verhalten vorherzusagen und dabei Revolutionen oder politische Krisen zu antizipieren – und das durch ein automatisches System ohne menschliches Zutun. Forscher am renommierten US-amerikanischen MIT sind optimistisch, dies in Zukunft realisieren zu können. Regierung und Geheimdienste zeigen erwartungsgemäß bereits Interesse.


Zwölf Thesen zur Medienpolitik in der Online-Welt

Mit seinen zwölf Thesen möchte der Düsseldorfer Kommunikationswissenschaftler Gerhard Vowe eine Grundlagendiskussion anstoßen. Online-Medien beförderten einen Strukturwandel des Öffentlichen. Die Entwicklung der Kommunikation werde durch die Menschen selbst gesteuert und könne nicht politisch vorgegeben werden. Die sogenannten traditionellen Medien seien die großen Verlierer dieser Umbrüche und müssten in ihren Anpassungsprozessen einiges riskieren, so Vowe. Leider fanden seine Thesen auf netzwertig.com bislang wenig Resonanz.


Warum Obama gute Chancen auf eine Wiederwahl hat

Nach Meinung von Micah Sifry für cnn.com könnte Obamas Onlinewahlkampf seine Wiederwahl sichern. Das Wahlkampfteam des US-Präsidenten sei im Vorteil, wenn es um die modernen Techniken der Verknüpfung und Mobilisierung von Wählern sowie die Nutzung von Wählerinformationen für die internen Abläufe der eigenen Kampagne gehe. Bereits vorhandene Ressourcen könnten so effizient eingesetzt werden. Sein Beitrag schließt mit der Einschätzung, dass der Einsatz neuester Technologien beim Rennen um die Präsidentschaft den entscheidenden Unterschied machen könnte.