Porträt des Piraten-Phänomens, Gläserner Staat mit Open Government, Internet-Zensur in Ukraine und Türkei – dies und mehr in der Digitalen Presseschau.
Die digitale Medienlandschaft wurde in dieser Woche sehr stark von den Piraten dominiert, die am vergangenen Sonntag mit dem Berliner Abgeordnetenhaus erstmals in ihrer fünfjährigen Historie ein Landesparlament enterten. Auch in unserer Digitalen Presseschau erreichte das Top-Thema der Woche mit einem Artikel die Spitzenposition, der dem Piraten-Phänomen auf der Spur ist.
In einem kenntnisreichen Beitrag für den „Freitag“ beschreibt Steffen Kraft das Piraten-Phänomen. Dabei kristallisiert sich heraus, dass die Piraten weitaus mehr sind als eine Chaostruppe, Protestpartei oder ein Haufen Nerds. Zu Wort kommen auch neue Berliner Abgeordnete der Piraten wie Pavel Mayer, der kritisiert, wie hierzulande politische Entscheidungen getroffen werden: „Fernab von den Bürgern, ausgehandelt zwischen Abgeordneten, Lobbyisten und so genannten Sachverständigen, unter faktischem Ausschluss der Öffentlichkeit.“ Hier wollen die Piraten für mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung sorgen.
Auf Platz zwei unserer Presseschau schaffte es ein Gespräch von Dieter Kassel mit der Open-Government-Aktivistin Anke Domscheit-Berg auf dradio.de, in dem es u.a. um die Grenzen und Chancen der öffentlichen Politikbeteiligung geht. Im Zentrum stehen auch hier die Piraten, von denen sich Domscheit-Berg erhofft, dass sie in punkto Open Government eine neue Dynamik ins Berliner Abgeordnetenhaus bringen. Zudem bezeichnet sie es zwar als visionär, dass die Piraten nicht zwischen den Geschlechtern unterscheiden wollen, kritisiert aber zugleich, dass es nicht funktioniere, zu ignorieren, „dass die ganze Gesellschaft nicht postgender ist.“
Vom Elend der Nutzerkommentare
Der ehemalige Chefredakteur des schwedischen Internet-Magazins „Newsmill“ Leo Lagercrantz plädiert in einem Gastbeitrag bei sueddeutsche.de für eine moderierte Meinungsfreiheit bei Nutzerkommentaren zu Online-Artikeln. Ihn hätten der geballte Hass und die Dummheit vieler Kommentare sogenannter Trolle zunächst zur Verzweiflung und schließlich sogar zur Aufgabe seines Jobs gebracht.
Im Hyperland-Blog von heute.de berichtet Roman Horbyk vom vermeintlichen Unverständnis vieler ukrainischer Politiker angesichts der gesellschaftlichen Online-Emanzipation im eigenen Land und der damit verbundenen Zensur kritischer Meinungsäußerung. Seit der Rückkehr Janukowytschs ins Präsidentenamt würden auch wieder ungeliebte und regierungskritische Journalisten verschwinden.
Das ZAPP-Medienmagazin des NDR berichtete diesen Mittwoch über Maßnahmen der Internet-Zensur in der Türkei. Demnach sind bereits geschätzte 20.000 Seiten für Internetnutzer nicht frei zugänglich, darunter auch die Seite des „Playboy“. Die türkischen Behörden hätten beschlossen, dass sich jeder Türke für ein Internetpaket entscheiden müsse, beispielsweise für ein Familien- oder Kinderpaket. Das hätte zur Folge, dass Hunderttausende Internetseiten für die Nutzer gesperrt und gleichzeitig Tür und Tor für staatliche Zensur geöffnet würden.