Scheinpartizipation im Netz, Totschlagargument Medienkompetenz, Hacker bekämpfen Hacker – dies und mehr in unserer Digitalen Presseschau.
Unsere Redaktion setzte sich wie jeden Freitag zusammen, um über interessante netzpolitische Beiträge der Woche aus anderen Online-Medien abzustimmen. Als Sieger ging ein Kommentar vom Demokratieforscher Samuel Salzborn über den Schein politischer Mitbestimmung im Netz hervor – gerade mit Blick auf soziale Medien wie Facebook und Twitter sowie in punkto Online-Petitionen. Wir denken, dass der Beitrag ein richtiger Ansatz ist, den Social-Media-Hype, der auch rund um die Arabische Revolution aufgekommen ist, kritisch zu hinterfragen. Natürlich hat Salzborn Recht, wenn er behauptet, dass es Scheinpartizipation und damit einhergehende Politikverdrossenheit in der von ihm beschriebenen Weise geben kann, wenn der Bürger merkt, dass Verfahren der Online-Beteiligung nicht die erwünschte Wirkung erzielen. Trotz dieser richtigen Erkenntnis ist aber zu bemerken, dass Salzborn den Facebook- und Twitter-Aktivisten eine Naivität unterstellt, deren Beleg er schuldig bleibt. Zumal sein Beitrag nicht das gesamte Spektrum der politischen Partizipationsmöglichkeiten im Netz thematisiert (z. B. Beteiligungsplattformen wie das von uns vorgestellte politnetz.ch).
Im ZDF-Blog setzt sich Daniel Bröckerhoff mit dem „Totschlagargument“ der Medienkompetenz auseinander. Er hinterfragt, was dieser Begriff überhaupt aussagen soll und kann. In seinem Beitrag kommt auch der Medienpädagoge Jöran Muuß-Merholz zu Wort: Dieser stellt fest, dass mit dem „Buzzwort“ Medienkompetenz viele Debatten abgekürzt würden, die oft größere Fragen beinhalten, auf die Politik und Gesellschaft noch keine Antwort hätten. Und die Medienwissenschaftlerin Lisa Rosa kritisiert die Unterscheidung in politischen Debatten zwischen „echter Welt“ und „Internet“. Für sie ist das Medium Internet Teil eines Lebensraums. Einig sind sich alle Stimmen darin, dass für diesen Lebensraum gesellschaftliche Spielregeln des Zusammenlebens entwickelt werden müssen.
Auf den dritten Platz unserer Presseschau schaffte es ein Beitrag von Somini Sengupta und Nick Bilton aus der Online-Ausgabe der New York Times. Darin zeigen sie auf, wie die Hackergruppe LulzSec vom Jäger zum Gejagten wurde – undzwar aus der keinesfalls homogenen Hacker-Gemeinde selbst. Unter dem prominenten Namen A-Team fand sich eine Hackergruppe zusammen, die Namen, Profil-Adressen, Chatlogs und die Beziehungen mutmaßlicher LulzSec-Mitglieder aus sozialen Netzwerken veröffentlicht haben soll – was die Auflösung von LulzSec beschleunigt haben könnte. Die Wissenschaftlerin Gabriella Coleman, die ein Buch über das Hackerkollektiv Anonymous verfasst, kommt mit der Schlussfolgerung zu Wort, dass das „gegeneinander kämpfen“ von Hackergruppen eine Kunst für sich selbst werde und dank Plattformen wie Twitter immer öffentlichkeitswirskamer sei.
Der Journalist Marius Sixtus philosophiert in der neuesten Ausgabe des Video-Podcast „Elektrischer Reporter“ über kompetente Nutzer, inkompetente Medien und das komplett persönliche Netz. Auch hier wird der Begriff der Medienkompetenz kritisch hinterfragt. Zudem eine düstere Prognose: „Im Jahr 2025 bewegt sich jeder Internet-Nutzer in einer abgeschlossenen Medien- und Meinungsblase. Das eigene Weltbild erfährt ausschließlich Bestätigung und niemals Widerspruch.“ Wer mehr wissen will, sollte sich jetzt zum elektrischen Reporter beamen.
Social Media aus soziologischer Perspektive
Stefan Schulz befasst sich in seinem Beitrag beim Blog-Projekt „Sozialtheoristen“ mit dem Sinn und Zweck von sozialen Medien wie Twitter, Facebook, Skype & Co. bei der Interaktion im Alltag. Seiner Meinung nach blockiere die technologiegestützte Kommunikation die reflexive Wahrnehmung von Menschen beinahe vollständig. Texte und Telefonate ließen keinen Spielraum für Peripheres, Implizites oder Indirektes. Schulz versucht zu definieren, was die Voraussetzung für echte Interaktion ist und inwieweit soziale Medien diese ermöglichen können.
Bei golem.de kommt Jens Ihlenfeld auf ein von der Gema veröffentlichtes Dokument zu sprechen, das Vorschläge an das Bundeswirtschaftsministerium in punkto „Kooperation bei der Bekämpfung der Internetpiraterie” enthält. In dem Papier werden u.a. eine Einführung von Internetsperren, die Filterung unliebsamer Protokolle und technische Sanktionen wie Anschlusssperren gefordert. Demnach sei nun der Gesetzgeber am Zug, da eine Kooperation mit den Providern bislang gescheitert ist. Auf das brisante Dokument soll die erst kürzlich gegründete Bürgerrechtsorganisation „Digitale Gesellschaft“ hingewiesen haben.