Am Vormittag hat der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy das e-G8-Forum in Paris eröffnet: Es gelte, globale Regeln für ein globales Phänomen zu finden, versicherte Sarkozy im Vorfeld des G8-Gipfels, der am Donnerstag und Freitag im nordfranzösischen Deauville stattfindet. Nicht nur in Frankreich regt sich Widerstand gegen die exklusive Veranstaltung.
In seiner Funktion als aktueller Präsident der acht größten Wirtschaftsmächte hatte Nicolas Sarkozy die Entwicklungen des Internet und die daraus entstehenden Konsequenzen im Vorfeld auf die Tagesordnung der G8-Versammlung gesetzt. Zum ersten G8-Forum, das dem Internet gewidmet ist, lud er ausgewählte Entscheider der Internetindustrie für heute und morgen nach Paris ein. Sie sollen den G8-Regierungschefs ihre eigene Botschaft mit auf den Weg geben.
Die Ergebnisse des zweitägigen Forums sollen Eingang in die Tagesordnung des G8-Gipfels nehmen. Man wolle die außergewöhnliche Gelegenheit bieten, einen Austausch auf hohem Niveau zwischen den Akteuren der Internet-Wirtschaft und den Staatschefs zu ermöglichen, heißt es offiziell.
Organisiert wurde das e-G8-Forum von der französischen PR-Agentur Publicis. Ihrem Vorstandsvorsitzenden Maurice Lévy hat Sarkozy nicht nur die Durchführung, sondern auch die Auswahl der Gäste anvertraut. Im April waren im Namen des französischen Staatspräsidenten etwa 1.000 Einladungen an die weltweit wichtigsten Vertreter von Internet-Firmen gegangen – laut französischer Regierung an CEOs, junge Unternehmer und Technologie-Experten, Wissenschaftler, Innovatoren und Blogger, die sich mit Regierungsvertretern austauschen sollen. Man wolle erfahren, was der Markt denke, kündigte Sarkozys Internetbeauftragter Jean-Michel Hubert an. Schwerpunkte auf dem Gipfel sind die Bedeutung des Netzes für das Wirtschaftswachstum und die Menschenrechte, aber auch die Bekämpfung von Urheberrechtsverstößen.
Erst kurz vor dem Beginn der Konferenz wurde die Liste der Redner bekannt, darunter Internet-Größen wie Eric Schmidt von Google, Marc Zuckerberg von Facebook, Rupert Murdoch und Bertelsmann-Chef Hartmut Ostrowski. Eine vollständige Teilnehmerliste ist nicht veröffentlicht worden.
Überhaupt war die Informationspolitik im Vorfeld sehr dürftig, was Skeptiker und Kritiker auf den Plan rief, die die fehlende Transparenz beklagen. Die Formulierungen der offiziellen Ankündigung blieben vage. Etwa, was die Finanzierung des Internet-Forums angeht: Der „private Sektor“ finanziere die Veranstaltung, hieß es in einer offiziellen Ankündigung. Die französische Tageszeitung "La Tribune" berichtete, dass ein Teil der geladenen Teilnehmer für die Kosten aufkommen: Mögliche Sponsoren konnten laut Publicis zwischen drei Tarifen wählen: 100.000, 250.000 et 500.000 Euro – davon hängt der Status der Teilnehmer ab, beispielsweise die Frage, wer an den Diskussionen am Runden Tischen teilnehmen darf. Doch welche der Teilnehmer diesen Mindestbeitrag bezahlten und welche ehrenhalber eingeladen wurden, war im Vorfeld nicht zu erfahren. La Tribune sprach von einem „sehr privaten Gipfel“. Lediglich die offiziellen Partner sind heute auf der Website des Forums genannt: Neben der Publicis-Gruppe sind dies unter anderem die Medienkonzerne Vivendi, Orange, Google und Microsoft. Man wolle den Teilnehmern somit ermöglichen, die Tagesordnung so frei wie möglich zu gestalten und von Staatsseite so wenige Vorgaben wie möglich machen, so die Begründung von Organisator Maurice Lévy für das spezielle Einladungsverfahren.
Jean-Michel Hubert erklärte in der vergangenen Woche in Berlin, die Forderung nach der Entwicklung eines "zivilisierten Internets" solle in die G8-Abschlusserklärung übernommen werden. Sarkozy möchte das Internet regulieren und „zivilisieren“, nicht aber einschränken. Vor dem Hintergrund von Sarkozys bisheriger Politik lässt sich vermuten, dass es ihm in erster Linie um Zensur und Sperren geht.
Im Anschluss an die heutige Begrüßung der Teilnehmer durch Nicolas Sarkozy hatten diese Gelegenheit, dem französischen Präsidenten Fragen zu stellen. Die Frage eines Zuhörers, ob er sich darauf verlassen könne, dass das Internet frei und offen bleibe und man sich auf eine Art "hippokratischen Eid" verständigen könne, dem Internet keinen Schaden zuzufügen, erntete Applaus. Präsident Sarkozy antwortete, dass weder Maßnahmen ergriffen würden, die Entwicklungen des Internet zu verkomplizieren, noch gehe es darum, definitive Regelungen in Deauville zu beschließen Es könne aber nicht schaden, Vorsicht walten zu lassen und für Sicherheit – beispielsweise gegen Terrorismus – zu sorgen. Er sei sich sicher, dass globale Regeln für ein globales Phänomen gefunden werden müssten.
Das alles ist vielen Internetaktivisten zu eindimensional, man befürchtet, dass es nur darum geht, das wirtschaftliche Potenzial des Internet zu stärken. Ihrer Ansicht nach strebt Sarkozy an, das Internet zentral zu kontrollieren. NGOs wie die französische La Quadrature du Net und der Chaos Computer Club aus Deutschland haben deshalb dazu aufgerufen, eigene "kreative" Vorschläge zu machen. Auf der Plattform "G8 vs. Internet" ruft die Initiative zu kreativen Aktionen auf, um das freie Internet zu schützen. In einem offenen Brief haben sich Bürgerrechtsorganisationen weltweit im Namen der Zivilgesellschaft darüber hinaus direkt an die G8 gewandt.
Ob die Nachricht in Paris angekommen ist, darf bezweifelt werden. Doch für den Herbst hat die französische Regierung eine Fortsetzung der Debatte angekündigt: Auf dem G20-Forum in Avignon soll es insbesondere um Fragen nach dem Urheberrecht gehen.
Die Veranstaltung wird hier heute und morgen live gestreamt.