In Schleswig-Holstein rufen Bündnis90/Die Grünen zur Mitgestaltung der zukünftigen finanziellen Planung auf. Die grüne Landtagsfraktion in Kiel startete in dieser Woche die Internetseite “mitmachhaushalt.de”. politik-digital.de befragte die parlamentarische Geschäftsführerin Monika Heinold.
Ausgangspunkt für die Aktion, die bis zum 10. Juni 2011 dauern soll, war die Verabschiedung des Doppelhaushalts im Dezember 2010 durch die schwarz-gelbe Einstimmen-Mehrheit im Landesparlament. Die Regierung von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) hatte ein rigides Sparprogramm mit finanziellen Einschnitten im sozial- und kulturpolitischen Bereich auf den Weg gebracht. Auf der Internet-Seite mitmachhaushalt.de kann der User nach erfolgreicher Registrierung zwischen vier Kategorien (Sparmaßnahmen, Einnahmesteigerungen, Investitionen und Benutzervorschläge) wählen und die einzelnen dort unterbreiteten Vorschläge mit den Wertungen Dafür, Neutral und Dagegen bewerten. Die bündnisgrüne Finanzexpertin Monika Heinold, seit 1996 Mitglied des nördlichsten Landesparlaments, nimmt im Interview Stellung zu den Zielen von “mitmachhaushalt.de” und dem Beginn des Vorwahlkampfs in einem der finanzschwächsten deutschen Flächenländer.
Frau Heinold, die schwarz-gelbe Landesregierung hat im Dezember vergangenen Jahres mit ihrer Einstimmen-Mehrheit den Haushalt verabschiedet. Was kritisieren Sie konkret?
Wir kritisieren, dass die Landesregierung weder auf die anderen Fraktionen noch Verbände oder Vereine oder die Öffentlichkeit zugegangen ist, um nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Die Schuldenbremse umzusetzen ist eine Aufgabe für die nächsten zehn Jahre. Da wäre es notwendig gewesen, eine breite und offene Debatte über die Finanzpolitik des Landes zu führen, statt mit dem Unwort der Alternativlosigkeit zu argumentieren und Haushaltspolitik als „closed-shop“ zu betreiben.
Initiativen zur Gestaltung eines “Mitmachhaushalts” hat es in der Vergangenheit bereits auf kommunaler Ebene in Städten wie Köln gegeben. Für wie praktikabel hält die Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen ein solches Instrument in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein? Ist es aufgrund des Gefälles zwischen Städten und ländlichem Raum möglicherweise schwieriger, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger zu bündeln?
Bei kommunalen Bürgerhaushalten stehen meist nur ein Teil des Budgets und kleinere konkrete Maßnahmen zur Abstimmung. Mit unseren Fragen zum Landeshaushalt stellen wir hingegen die großen strategischen Entscheidungen zur Abstimmung: Zusammenschlüsse von Kreisen und Gemeinden, Nordstaat (Die Fusion der beiden norddeutschen Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein, Anm. d. Red.) oder auch den Abbau von Stellen in der Verwaltung. Richtig ist, dass ein Landesparlament immer den Blick für das ganze Land haben muss und dass die bevölkerungsstarken Regionen nicht zu Lasten der strukturschwachen Regionen entscheiden dürfen. Unsere Online-Befragung zum Landeshaushalt ist ein Experiment. Ich gehe davon aus, dass auch die, die mitmachen, das ganze Land im Blick haben.
Welche Bedeutung kommt dem Internet bei Ihrer Initiative zu?
Bei unserem Mitmachhaushalt ist das Internet das zentrale Medium. Und die ersten Reaktionen zeigen, dass das Angebot der schnellen und direkten Kommunikation sehr gut angenommen wird. Es gibt viele Kommentare, die NutzerInnen diskutieren miteinander. Dafür ist das Netz ein optimales Forum.
Weiterhin besteht in unserer Gesellschaft eine digitale Spaltung (“digital divide”). Ein Teil der BürgerInnen bleibt bei Projekten wie “mitmachhaushalt.de” also grundsätzlich außen vor. Wie könnte man diese Gruppe nach Ihrer Ansicht einbinden?
Unsere Initiative spricht tatsächlich erst einmal diejenigen an, die sich im Netz bewegen und die einen Internetzugang haben. Eine Möglichkeit, um auch die ältere Bevölkerung mit einzubeziehen, wäre es, aus dem Mitmachhaushalt ein generationenübergreifendes Gemeinschaftsprojekt zu machen: Enkel ermuntern ihre Großeltern, die Fragen im Netz gemeinsam zu beantworten.
Die Amtszeit der amtierenden Landesregierung, getragen von den Fraktionen der CDU und der FDP, endet aufgrund eines Urteils des Schleswiger Landesverfassungsgerichts sowieso im kommenden Frühjahr. Müssen Sie sich mit Ihrer Initiative daher nicht “Wahlkampfvorgeplänkel” vorwerfen lassen?
Wer politisch initiativ wird, setzt sich immer dem Vorwurf aus, sich nur aus wahltaktischen Gründen zu positionieren. Die Grüne Landtagsfraktion hat seit Beginn der Legislaturperiode von CDU und FDP immer wieder Transparenz und Beteiligung in der Haushaltspolitik eingefordert. Die schwarz-gelbe Koalition hat sich dem verweigert, eine Mitarbeit der Opposition an der schwarz-gelben Haushaltsstrukturkommission war genauso wenig erwünscht wie der Dialog mit den betroffenen Vereinen und Verbänden. Mit unserer Online-Befragung wollen wir diesem Politikstil etwas entgegensetzen: Transparenz und Mitsprache. Unabhängig von bevorstehenden Wahlkämpfen.
Am 10. Juni endet die Aktion.
Wie werden Sie mit den Ergebnissen umgehen?
Wir werden die Abstimmungsergebnisse sowie die Kommentare und Anregungen auswerten und im Netz veröffentlichen.
Anschließend diskutieren wir das Ergebnis in der Fraktion. In den Bereichen, in denen das Abstimmungsergebnis erheblich von unserer bisherigen Meinungsbildung abweicht, werden wir darüber beraten, ob wir unsere bisherige Position ändern müssen bzw. warum es nicht gelungen ist, die BürgerInnen für unsere Ideen zu gewinnen.