Medienzensur und eine fehlende Internetstruktur erschweren die digitale Kommunikation in Nepal. Die Autorin Bhumika Ghimire beschreibt, wie die nepalesische Blogosphäre trotzdem den Kampf gegen die Bedeutungslosigkeit annimmt.
2006 war ein ereignisreiches Jahr für Nepal. Nach zehn Jahren blutigen Aufruhrs durch die Maoisten konnte endlich eine politische Lösung gefunden werden. Die Maoisten und der Staat unterschrieben einen Friedensvertrag, in dem beide Seiten sich darauf einigten, Nepal gemeinsam und friedlich wieder aufzubauen. Auf den Friedensvertrag folgten 2008 Wahlen für eine verfassungsgebende Versammlung in Nepal. Die Maoisten gewannen dabei die Mehrheit der Sitze, was viele Menschen in Nepal sowie die Internationale Staatengemeinschaft gleichermaßen überraschte.
Der Vorsitzende der Maoisten, Pushpa Kamal Dahal, wurde als Premierminister vereidigt und bildete eine Regierungskoalition mit Parteien aus dem zentristischen und linksliberalen Lager. Unter Dahal wurde Nepal zu einer säkularen Republik erklärt, wodurch gleichzeitig die seit fast 300 Jahren existierende Monarchie endete.
Revolution im Netz
In dieser turbulenten Zeit entwickelte sich in nepalesischen Blogs, Webseiten und Foren eine bis dahin nie dagewesene Aktivität. Dabei muss man wissen, dass die schlechte Infrastruktur, eine geringe Alphabetisierungsquote und eingeschränkte Technik- und Englischkenntnisse die Benutzung des Internets für einen Großteil der nepalesischen Bevölkerung unmöglich macht. Während aber ländliche Gemeinden immer noch von der digitalen Kommunikationstechnologie unberührt sind, können Städte wie Kathmandu, Pokhara und Dharan einen explosionsartigen Anstieg an Internetnutzern verzeichnen.
Unruhen stärken Blogosphäre
Die politischen und sozialen Unruhen zwischen 2006 und 2008 brachten einige Nepalesen dazu, ihre Meinungen und Botschaften im Internet zu veröffentlichen. Dies waren vor allem Blogger, Aktivisten, Organisatoren und Studenten, die das informierende und mobilisierende Potential des Internets erkannt hatten. Die nepalesische Diaspora spielte dabei eine ausschlaggebende Rolle. Als König Gyanendra die Medienzensur einführte, half die Diaspora den Bloggern im Lande, die Internetsperren zu umgehen. Außerdem gaben die Blogs den Exil-Nepalesen die Möglichkeit, die Ereignisse im Land kritisch zu kommentieren.
Mysansar.com, ein nepali-sprachiger Blog, war einer der Ersten, der die politischen und sozialen Diskussionen ins Netz brachte. Während der nationalen Debatte über den Friedensprozess, die Rolle der Maoisten und der Monarchie, wandten sich immer mehr Leute der Plattform zu, um ihre Gedanken zu verbreiten und Gleichgesinnte zu finden. Angespornt von Myansars Erfolg folgten bald Blogs wie United we blog! for a democratic Nepal, Blogdai und Maila Baje.
Frieden bringt Themenvielfalt
Als die politische Situation im Land sich stabilisierte, kühlten sich die hitzigen „Revolutions-Blogs“ merklich ab und die politischen Kommentare wurden mehr und mehr durch gesellschaftliche und soziale Themen ersetzt. Auf Myansar gab es nach den Wahlen von 2008 einen klaren Wechsel zu einem thematisch breiter gestreuten Publikationsrahmen. Vermehrt schrieben Bloggger über ihre gescheiterten Träume von einem extravaganten Leben im Westen, über Ansätze zur wirtschaftlichen Wiederbelebung Nepals oder einfach nur über Geschichten aus dem Volke.
Blogs, die sich auf Tourismus, Wirtschaft, Frauenrechte und das private Leben konzentrierten, fingen an, in der nepalesischen Blogosphäre zu florieren. Chandan Sapkota zum Beispiel, Junior Fellow an der Carnegie Stiftung für Internationalen Frieden, betreibt einen informativen Blog, der sich auf die nepalesische Wirtschaft konzentriert. Eine Gruppe von Anwälten will Mitstreiter gegen die Folter von Frauen, die der Hexerei beschuldigt werden, mobilisieren. Und auch viele Politiker haben das Bloggen begonnen, um mit ihren Wählern in Verbindung zu bleiben.
Infrastrukturelle Defizite
Obwohl etablierte Blogs an Glaubwürdigkeit in der Mainstream-Kultur in Nepal gewonnen haben, spielen sie in den Mainstream-Medien immer noch die zweite Geige. Anders als in den USA oder den westlichen Nationen, in denen über den Rückgang der Zeitungen und die steigende Bedeutung von Blogs gesprochen wird, sind in Nepal immer noch die gedruckten Zeitungen König. Blogger werden als Amateure angesehen. Ein Umstand, der es ihnen erschwert, mit ihrer Arbeit Geld zu verdienen. In der Vergangenheit konnten einige Blogger zwar mit exklusiven Nachrichten und Bildmaterial aufwarten, doch diese Leistungen wurden in der Öffentlichkeit weder wahrgenommen noch richtig anerkannt.
Arroganz der Mainstream-Medien
Die Arroganz der Mainstream-Medien ist aber ein vergleichsweise kleines Problem verglichen mit den infrastrukturellen Hürden in Nepal. Das beeindruckende Wachstum der Blogosphäre ist bedeutungslos, wenn mehr als die Hälfte des Landes so arm ist, dass Computer und sogar Elektrizität Luxusgüter sind. Erst vor kurzem beschloss Nepals Energieministerium, täglich für neun Stunden den Strom in der Hauptstadt Kathmandu abzustellen, ein klares Zeichen für die zusammenbrechende Infrastruktur des Landes.
Übersetzt aus dem Englischen von politik-digital.de.