Nachholbedarf bei Internetkompetenz, personalisierte Wahlprogramme und Twitter als Luxusproblem: Wir blicken zu jedem Wochenende im Schnelldurchlauf zurück auf die letzten sieben Tage Webwahlkampf.
Es wird wieder kühler und herbstlicher in diesen Tagen, doch die Bundespolitik erwärmt das Wählerherz mit ihren gefühlsbetonten Parteiwerbefilmchen. Parallel zu den Fernsehspots erblicken digitale Parodien das Licht der Netzwelt. Dem Plakat-Remix folgt der Spot-Mash-Up.
Einen ausgeprägten Sinn für Humor wird derzeit von den Unions-Strategen abverlangt. Einbrüche bei den jüngsten Landtagswahlen im Saarland und in Thüringen, ein nicht genehmigtes Riesenplakat in der Hauptstadt, und nun auch noch das: Die Webadresse mit dem CDU-Slogan www.wir-haben-die-kraft.de ist nicht etwa durch nordrhein-westfälische SPD-Genossen in Huldigung ihrer Vorsitzenden Hannelore Kraft reserviert, sondern dreist von Piraten gekapert worden. Die Anderen machen es nicht besser: Nach Eingabe des SPD-Spruchs www.unser-land-kann-mehr.de gelangt der Bürger jedenfalls nicht zur Wahlplattform der Sozialdemokraten.
Gar nicht so witzig sieht es bei den Parteien in Sachen Medienkompetenz aus. Vertraut man einem aktuellen Testbericht eines Verbraucherportals, bekleckert sich keine Partei online mit Ruhm (Bestnote: ausreichend). Und in Sachen Datenschutz schlampen einer Untersuchung zufolge alle etablierten Parteien.
Wie Politikvermittlung im Netz funktionieren kann, zeigen gute Beispiele dieser Woche: Während die Liberalen als einzige Bundestagspartei auf die Idee kommen, ihre Wahlkampfauftaktveranstaltung live im Netz zu streamen, liefert die SPD interessierten Wählern ein für Jeden maßgeschneidertes Kurzprogramm frei Haus.
Zuviel Kommunikation trifft dagegen bei so manchem Politiker auf harten Widerstand – zum Beispiel wenn es um das „Austwittern“ geheimer Nachwahlbefragungen geht. Die medialen Reaktionen auf die zweite „Twitter-Affäre“ nach der Bundespräsidentenwahl schwankt zwischen Zuversicht, Angst und Internetskepsis.
Die Frage, ob taktisches Wählen bei Vorabkenntnis ausgeplauderter Exit-Polls demokratischen Grundsätzen entspricht oder nicht, erscheint mit Blick auf eine nie dagewesene Anzahl von Wahlinitiativen ein Luxusproblem. Denn mehr als 13 große und kleine Aktionen aus Medien und Zivilgesellschaft versuchen, politikmüde Jugendliche überhaupt erst an die Urne zu bringen.