Bundeskanzlerin Angela Merkel will sich als erste Spitzenkandidatin auf ihrem Profil im sozialen Netzwerk meinVZ den Fragen der User stellen – ganz transparent, ganz direkt, ganz persönlich. Zumindest soweit es der Terminkalender zulässt. Der Wille ist schon da, die Technik soll folgen.
Im Superwahljahr 2009 reden alle vom Internetwahlkampf und seinen Möglichkeiten. Und tatsächlich: Der politisch interessierte User findet alle großen Bundestagsparteien in den gängigen Netzwerken wieder. Er kann sich von vielen Politikern in Echtzeit Lesetipps twittern lassen oder seiner Partei des Vertrauens per Mausklick finanziell unter die Arme greifen.
Doch oftmals müssen sich Politiker und Parteien die Kritik gefallen lassen, dass echter Dialog nicht stattfindet. Nicht zuletzt hat die Studie „Regierungskommunikation 2020“ von politik-digital.de gezeigt: Sowohl Regierungsbehörden wie auch Parteien praktizieren Kommunikation meist nur in eine Richtung, geben dem Bürger wenig Feedback-Möglichkeiten.
Mehr Fragen wagen
Als erste Spitzenkandidatin will nun Bundeskanzlerin Angela Merkel sich vorsichtig einem Dialog mit den Usern auf ihrem Edelprofil bei meinVZ öffnen. Und das „besser als Obama“, wie Stefan Hennewig, im Wahlkampf 2009 verantwortlich für das teAM Deutschland und die Web 2.0-Aktvitäten der CDU, gegenüber politik-digital.de versicherte.
User sollen direkt und transparent Interview-Fragen an Angela Merkel stellen können. Allerdings nicht in einer Live-Situation wie zum Beispiel bei einem Chat. Eingegangene Fragen werden erst einmal den Usern zur Abstimmung freigegeben. Die Gewinnerfragen des Votings sollen dann persönlich von Angela Merkel beantwortet und nicht nur als Mogelpackung unter ihrem Namen den Usern verkauft werden.
Relative Zahlen
Strategisch setzt die Online-Wahlkampfzentrale mit diesem Feature neue Akzente. Wurde bisher der Fokus mehr auf den Aufbau des eigenen Unterstützernetzwerks gelegt, folgt jetzt die verstärkte Personalisierung und Positionierung ihrer Spitzenkandidatin in externen Netzwerken. Vor diesem Hintergrund muss man allerdings die oft kommunizierten Erfolgszahlen bei meinVZ relativieren: Mit über 50.000 Anhängern führt Angela Merkel mit Abstand die VZ-Politiker-Charts an. Dazu hat sie in diesem Monat auch die Marke von einer Million Seitenaufrufen geknackt.
Im eigenen Netzwerk versammeln sich dagegen nur gut 15.000 Unterstützer. Und vielleicht muss man sogar sagen: bei teAM2009.de tummeln sich die ehrlicheren Unterstützer. Denn der Wert von VZ-Freunden wird im politischen Marketing gern überbewertet. 50.000 Unterstützer bei meinVZ bedeutet, dass 50.000 VZ-User direkt von der CDU-Vorsitzenden angesprochen werden können. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Interface hat noch kein Gesicht
Auch der politische Mehrwert eines Klicks auf das Profil ist nicht gesichert. Eine Millionen Zugriffe auf das Unterstützernetzwerk, am besten noch verbunden mit einer hohen Verweildauer, wären ein viel höher zu beziffernder Wert für die CDU und deren Spitzenkandidatin. Der direkte Dialog mit der Kanzlerin wird sicherlich dazu führen, dass ihre Traffic-Zahlen bei meinVZ weiter in die Höhe schnellen. Doch die eigentlich gute Nachricht ist und bleibt die Tatsache, dass den Usern auf der Plattform endlich ein transparenter Rückkanal geboten wird.
An der technische Realisierung des digitalen Dialogs wird momentan noch gefeilt. Aber innerhalb der nächsten Woche, verspricht Hennewig, wird das Projekt online gehen. Einen genauen Zeitpunkt konnte er noch nicht nennen, aber sicherlich noch vor September. Schließlich soll das Feature noch im Bundestagswahlkampf zum Einsatz kommen.
Das schreiben doch eh die Mitarbeiter, oder?
Hallo Gast,
da das Projekt noch nicht online ist, können wir diese Frage natürlich nicht abschließend beantworten. Die Ansage aus der CDU-Online-Zentrale ist ganz eindeutig: Angela Merkel beantwortet die Fragen persönlich. Über das Verfahren oder die Verifizierungsmöglichkeiten gibt es leider noch keine konkreteren Informationen. Es ist richtig beobachtet, dass auf anderen Plattformen, auf denen Politiker z.B. Anfragen öffentlich beantworten, oft wissenschaftliche Mitarbeiter dahinter stecken. Daraus lässt sich trotzdem kein Pauschalverdacht ableiten.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Roleff