Wer hätte das gedacht? Waren Soziale Netzwerke vor einigen Jahren noch primär der Dreh- und Angelpunkt für Jugendliche, Studierende, Fachexperten oder ein gepflegtes Nischenpublikum, tummeln sich mittlerweile immer mehr „Junggebliebene“ dort. Das gilt auch für Politiker – nur was bedeutet dies für ehemals private bzw. öffentliche Kommunikation?
Politiker wie Angela Merkel oder Frank-Walter Steinmeier wähnen sich in den social communities näher bei den Jungwählern. Während Xing schon immer die erste Anlaufstelle für das gediegene Business-Publikum darstellte, zieht es eben dieses Publikum mittlerweile verstärkt in die jugendaffinen communities, wo es weniger um das Netzwerken in beruflicher Hinsicht geht, sondern primär um das Vernetzen mit Freunden, Bekannten und Netzbekannten.
Partyfotos und Seelenzustand
Profan ausgedrückt, geht es hier primär um das Sehen und Gesehen werden. Das ist zwar auch in den beruflichen Netzwerken nicht anders, allerdings präsentieren hier (noch) die Wenigsten die anrüchigen Partyfotos vom letzten Wochenende oder verewigen ihren derzeitigen Seelenzustand auf anderer Menschen Pinnwand.
Ändern sich also auf Dauer unsere Gesellschaft und unser offline Umgang miteinander, wenn wir nicht nur von unseren Freunden und Netzbekannten, sondern auch von Politikern und Vorgesetzen alles wissen und an jeder ihrer Seelenregungen teilhaben können? Bin ich jetzt in Zukunft sofort mit jedem per DU und best friend, weil mein Chef oder der Frank (-Walter Steinmeier) mich ja letztens bei facebook hinzugefügt haben und ich dank Twitter beinahe sekundengenau über jeden der Politiker Schritte auf dem Laufenden gehalten werde?
“Du, Herr Steinmeier…”
Oder schreibe ich jetzt etwa, in den eigentlich unkonventionellen Netzwerken: „Sehr geehrter Herr Steinmeier von der SPD, ich freue mich, Sie jetzt zu meinen studivz-Freunden zählen zu dürfen.“ (bzw. unter Ihren „Ich-finde-Sie-gut-Anhängern“ zu sein)? Eher unwahrscheinlich. Hinzu kommt, dass im Netz schneller gegruschelt , verlinkt oder auch auf die Pinnwand des jeweils anderen geschrieben wird. Da gibt es nette Äußerungen oder weniger amüsante Kommentare.
Sicherlich, die Frage des Umganges Miteinander und das Ausplaudern von Privatem sind nicht erst mit dem Run der Politiker auf die Communities entstanden, sondern eigentlich so alt wie die Menschheit selbst. Jeder ist höchstpersönlich dafür verantwortlich, seine Grenze zum Privaten zu ziehen und niemand ist gezwungen, sein Leben auf facebook und Co. auszubreiten. Andererseits gab es auch immer schon Menschen, die sich zu benehmen wussten und andere welche die imaginären Grenzen des guten Anstands mit blinder Sicherheit überschritten.
Erbarumungsloses Online-Feedback
Fest steht jedoch, wenn Menschen des öffentlichen Lebens oder auch jedes anderes Individuum sich im Internet bewegen, sollten Sie sich im Klaren darüber sein, dass der Volksmund bzw. die Nutzermeinung, – wenn sie denn kommt – schneller, direkter, erbarmungsloser und viraler ist als in der Offline-Welt. Das ist allerdings kein Hinderungsgrund, sonder vielmehr nur ein Aspekt der Online-Kommunikation.
Überwiegen sollte jedoch primär der positive Eindruck, vor allem dass über das Internet eine schnelle Rückkopplung möglich ist. Der ein oder andere Nutzer sollte sich jedoch durchaus fragen, ob er alles, was er im Netz von sich gibt, dem Betreffenden auch im wahren Leben ins Gesicht sagen würde.
Jetzt stellt sich nur noch die triviale aber durchaus entscheidende Frage, ob die ursprüngliche Zielgruppe, die jungen, nur partiell an Politik interessierten, Menschen, innerhalb der sozialen Netzwerken überhaupt erreicht wird …
Ich denke die sogenannten social communities erfüllen primär den Zweck des Verbundenbleibens von privaten Individuen, die alte Bekanntschaften kontaktieren wollen oder sich mit Personen austauschen, wo die Kontaktmöglichkeiten aufgrund der Ferne nicht besonders gut gehalten werden können. Sicherlich stellen diese Art von Online-Communinities vorwiegend für Jugendliche eine Möglichkeit dar mit anderen in Kontakt zu bleiben ohne viel Geld dabei auszugeben, denn SMS senden und telefonieren kosten immer noch mehr als mit einer Flatrate im Internet zu surfen, welches von den Eltern finanziert wird. Der Grund für die ungleiche Altersvertretung im Internet ist sicherlich davon abhängig, dass Jugendliche in der heutigen Zeit internetaffiner sind aber auch, wie eben schon genannt, die dadurch ersparten Kosten. Daher werden Internet-Communities auch eher der jüngeren Generation zugeordnet und wer dann im Alter von 50 noch bei facebook chattet, gilt dann gleich als “Junggebliebener”? Ich halte es für unsinnig diese Art der Plattform Jugendlichen zuzuordnen oder Ähnliches, denn was früher der Marktplatz oder die Kafferunde war, ist heute das Internet mit ihren Möglichkeiten eines Forums für den sozialen Austausch. Die heutigen Voraussetzungen sind ganz andere als noch vor 40 oder 50 Jahren, allein wenn man daran denkt, dass die zunehmende Globalisierung Menschen dazu bringt auseinanderzugehen. Dies erfordert natürlich auch neue Kontakt- und Austauschmöglichkeiten wie zum Beispiel Online-Communities.
Meiner Meinung nach können sich auch Personen des öffentlichen Lebens in dem Sinne im Internet “darstellen”. Auch Politiker gehören dazu, wobei einige von ihnen ohnehin schon in den Medien präsent sind. Doch ob sich Politiker durch die Erstellung eines Accounts berühmter oder beliebter machen, ist für mich fraglich, zumal ich davon ausgehe, dass diese Art von PR von Experten initiiert und durchgeführt wird und daher der Aspekt der Personalisierung verloren geht. Auch durch das “in den Vordergrund stellen” der Partei oder der politischen Ansichten, für die geworben wird kann meines Erachtens keine bzw nur eine geringe Personalisierung stattfinden. Auch werden Jugendliche durch solche Werbekampagnen der Politiker nicht breitenwirksam erreicht, wenn sie ohnehin schon ein Desinteresse am politischen Geschehen aufweisen. Ich denke, dass nur bestimmte Gruppen von Jugendlichen angesprochen werden, die sich im vorhinein schon mit den parteipolitischen Themen oder den Politikern selbst auseinandergesetzt haben und somit das Ziel des Erreichens von Stimmen möglichst vieler Jungwähler nur teilweise erfolgreich sein kann.