Beim fünften und letzten Chat während der IFA 2008 war Ulrich Deppendorf zu Gast bei tagesschau.de und politik-digital.de. Der Leiter des ARD-Hauptstadtstudios in Berlin berichtete von seinem besonderen Verhältnis zu Politikern, einem „Kaffeeklatsch“ mit Putin, Merkel und Bush sowie dem journalistischen Alltag in Berlin.

Moderatorin: Willkommen beim fünften und letzten IFA 2008-Chat von tagesschau.de. Ulrich Deppendorf ist eingetroffen, telefoniert noch (Was ist wieder los mit der SPD?). Eben haben wir die neueste Version von "Deppendorfs Woche" gedreht – die ist demnächst online.

Ulrich Deppendorf: Herzlich willkommen beim tagesschau.de-Chat! Ich freue mich auf Ihre Fragen. Also los!

Moderatorin: Wir freuen uns, dass Sie da sind und Zeit für uns haben! Ich lege gleich mal los mit der im Vorab-Chat am häufigsten gestellten Frage an Sie:

evil_erwin: Sind Politiker und Reporter privat befreundet?

Ulrich Deppendorf: Also, im Allgemeinen eher nein. Es gibt aber Ausnahmen, denn die Politiker sind ja auch ganz normale Menschen. Ich selber bin mit zweien aus dem politischen Leben etwas enger befreundet. Dennoch können wir die Grenzen ziehen, wenn wir uns gegenüberstehen bei politischen Anlässen. Das muss man dann sauber trennen.

Moderatorin: Da stecken vermutlich auch folgende Fragen dahinter: Ist das erlaubt? Ist es opportun, eher hilfreich, oder eher schädlich?

Ulrich Deppendorf: Also, erlaubt ist es sicherlich. Schädlich, denke ich, nicht. Hilfreich kann es ab und zu auch mal sein.

Moderatorin: Haben Sie den Eindruck, dass Merkel im Vergleich zu Kohl und Schröder mehr Distanz zu Journalisten wahrt? Bei Kohl gab es doch die "Sauna-Runde" und bei Schröder die "Rotwein-Runden"?<

Ulrich Deppendorf: Also, Angela Merkel ist sicherlich distanzierter zur journalistischen "Meute". Dennoch hat auch sie immer mal wieder Journalisten zu Gesprächen eingeladen. Oder wenn man mit ihr auf Reisen in ihrem Airbus sitzt, diskutiert man natürlich auch über die anstehenden politischen Fragen. Hier teilt sie dann auch etwas mehr mit als üblicherweise auf den Pressekonferenzen. Es muss allerdings vertraulich bleiben – meistens wird sich auch daran von den Journalisten gehalten. Aber richtig ist, dass es Rotwein-Runden oder Sauna-Runden bei Angela Merkel nicht gibt.

Moderatorin: Hier kommt die nächste User-Frage aus dem Live-Chatroom:

Ihr Benutzername: Berichten Sie auch über politische Freunde?

Ulrich Deppendorf: Das ist die Frage: Was sind "politische Freunde"? Wenn wir an die Frage von vorhin anschließen, ob man auch Freunde im politischen Bereich hat, dann berichtet man in der Tat auch über sie oder interviewt sie gegebenenfalls. Das ist dann eben das journalistische Geschäft.

Tagesschauer: Ist man bei "politischen Freunden" besonders um Objektivität bemüht?

Moderatorin: Oder sogar besonders kritisch???

Tagesschauer: Sagen Sie das mal den Bild-Kollegen.

Ulrich Deppendorf: Auf den Gedanken könnte man kommen, aber das ist dann eine Frage der Professionalität. Man behandelt dann Freunde nicht anders als andere Politiker auch. Das erwarten sie aber auch nicht von einem.

Ihr Benutzername: Sagen Sie der Öffentlichkeit dann vorher, dass jetzt zwei Freunde miteinander plaudern? Das wäre doch fair, oder?

Ulrich Deppendorf: Ich glaube nicht, dass es die Öffentlichkeit interessiert, mit wem man befreundet ist. Daher muss man das auch nicht sagen. Man muss nur an seinem journalistischen Geschäft oder an seiner journalistischen Grundhaltung festhalten.

Ihr Benutzername: Werden die Reisen nur an "freundliche" Journalisten vergeben?

Ulrich Deppendorf: Nein, sie werden nicht nur an freundliche Journalisten gegeben. Es wird aufgeteilt zwischen elektronischen Medien, Printmedien und Agenturen. Es sind auch wechselnde Runden. Es ist sehr häufig abhängig davon, wie viel Platz eigentlich in der Kanzlermaschine neben den verschiedenen Delegationen noch für Journalisten bleibt.

Poola: Wie ist der Konkurrenzdruck in Berlin? Wenn Medium A mit einer Exklusiv-Meldung (zum Beispiel dem Rücktritt eines Bundespolitikers) herauskommt und die Agenturen sich anschließen – wie viel Zeit bleibt zur Nachrecherche, bevor man die Meldung auch bringt?

Ulrich Deppendorf: Es bleibt genug Zeit zur Nachrecherche, selbst wenn es manchmal nur zehn Minuten sind. Eine Meldung ohne Recherche herauszugeben wäre der größte anzunehmende Unfall. Wir haben das Prinzip, dass, wenn wir nicht absolut sicher sind, wir die Meldung nicht herausgeben. Ich gebe mal ein Beispiel: Auf dem Höhepunkt der CDU-Parteispendenaffäre gab es ein Fax, in dem stand, dass Kohl die Spender nennt. Dieses Fax war an alle Agenturen geschickt worden, alle Agenturen haben das Fax verbreitet. Mit Ausnahme einer: Natürlich hat die Tagesschau-Redaktion in Hamburg bei uns sofort nachgefragt, ob das stimmt. Der Kollege Werner Sonne und ich haben dann innerhalb von zehn Minuten durch unsere Kontakte herausbekommen, dass diese Meldung eine Ente war. Wir haben sie in der Tagesschau sofort wieder richtig gestellt. Kohl hatte die Spender nicht genannt, das Fax war eine Fälschung. Sie sehen an diesem Beispiel, wie genau bei uns immer wieder gegenrecherchiert wird – und das jeden Tag.

fliegenderanwalt: Sie waren schon zu Bonner Zeiten ein gefragter Journalist. Hat sich mit dem Umzug nach Berlin das Verhältnis zwischen Journalisten und Politikern geändert?

Ulrich Deppendorf: Den fliegenden Anwalt würde ich ja gerne mal kennenlernen.

Moderatorin: Vielleicht steht er hinter Ihnen, hinter uns chatten ein paar IFA-Besucher am Stand.

Ulrich Deppendorf: Also, ja, das Verhältnis hat sich geändert. Erstens gibt es hier in Berlin viel mehr Journalisten, die über die Bundespolitik berichten. Es gibt viel mehr Medien und die Zeiten der Nachrichtensendungen sind immer enger geworden. Das heißt: immer mehr Nachrichtensendungen. Berlin ist offener als Bonn, gerade was die Beschaffung von Informationen angeht. Es gibt hier alle möglichen Hintergrundkreise und Hintergrundgespräche von allen Parteien und Organisationen. Die hat es in Bonn auch gegeben, aber hier sind es mehr. Die Geschwindigkeit von Meldungen hat sich hier in Berlin erhöht. Das ist nicht immer zum Vorteil der Meldungen. Das Verhältnis von Journalisten zu Politikern ist in den letzten Jahren hier in Berlin eher distanzierter geworden, als es in Bonn war.

Moderatorin: Und was ist die Ursache?

Ulrich Deppendorf: Erstens eine andere Journalisten-Generation und zweitens war zu Beginn der Bonner Republik der Austausch zwischen Journalisten und Bonner Politikern in ihren jeweiligen Berufsfeldern größer, als er es in dieser Zeit jetzt ist. Vielleicht hatten auch Journalisten und Politiker gerade in den 50er- und 60er-Jahren noch ein größeres gemeinsames Interesse, in diesem Staat etwas zu bewegen, die Bundesrepublik gemeinsam mit Ideen und Visionen nach vorne zu bringen.

TammoB: Wie wichtig ist es neben den eigenen Recherchen, Interviews, etc. auch die anderen im Blick zu behalten, also Tageszeitungen wie SZ, FAZ, NYT, aber auch Fernsehen wie N24, CNN, … ?

Ulrich Deppendorf: Natürlich ist es wichtig, dass wir jeden Tag alle führenden Zeitungen lesen. In meinem Büro laufen sieben Fernseher gleichzeitig. Bei einem einzigen kann ich sogar den Bildschirm in bis zu dreißig Kleinbildschirme unterteilen. Man hat den ganzen Tag immer den Überblick, wie die Nachrichtenlage ist. Gleichzeitig, und das wird immer wichtiger, schaut man auf alle wichtigen Internetseiten und natürlich in die Nachrichtenagenturen, was gerade gemeldet wird. Man guckt, wo Schwerpunkte der Berichterstattung liegen und außerdem diskutiert man mit den Kollegen und recherchiert die Faktenlage noch altmodisch am Telefon.

Moderatorin: Eine Anmerkung von unserem anonymen "Anwalt":

fliegenderanwalt: Sicher anzuführen ist auch, dass es in Bonn familiärer zuging. Man musste aufpassen, was man macht – sonst hat es gleich die ganze Stadt gewusst.

Ulrich Deppendorf: Der fliegende Anwalt scheint in Bonn zu wohnen?

Tagesschauer: Was würden Sie einem jungen Journalisten heutzutage als Rat mit auf den Weg geben?

Ulrich Deppendorf: Eine gute Ausbildung, ein Hochschulstudium in einem klassischen Fach, ein Volontariat, Neugierde. Aber auch Misstrauen gegenüber vorschnellen Behauptungen und immer wieder die Fähigkeit, auch nachzurecherchieren. Neugierde auf Themen, die man neu entdeckt und über die man dann berichten sollte. Eine kritische Distanz zu der Politik, egal ob Regierung oder Opposition, ist wichtig. Wie Hajo Friedrichs einmal gesagt hat: "Sich nicht gemein machen mit einer Sache". Letzteres ist manchmal schwer und verletzt auch vielleicht den einen oder anderen Vertreter einer guten Sache. Aber am Ende ist es für den Beruf hilfreich.

Moderatorin: Ich habe ein paar persönliche Fragen aus dem Chatroom gesammelt. Da geht es wohl unvermeidbar zur Zeit um die SPD. Aber auch um unser seit Juni laufendes Online-Format "Deppendorfs Woche", was uns freut! Das war ein kurzer Werbeblock – jetzt geht es weiter!

Sf94: Wie sieht Ihr normaler Arbeitstag aus?

Ulrich Deppendorf: Gegen 7 Uhr beginne ich mit dem Lesen aller Zeitungen noch zu Hause, schaue das Morgenmagazin der ARD und gehe auch schon mal ins Internet. Gegen 9 bin ich dann im Büro und dann verläuft kein Tag wie der andere. Man telefoniert, man recherchiert, man geht auf Pressekonferenzen oder zu Gesprächen mit Informanten. Man redet mit den Kollegen, welche Themen wir heute in der Zentralredaktion anbieten, also für die Tagesschau und die Tagesthemen. Um 12 Uhr haben wir unsere große Redaktionssitzung und um 14 Uhr die Schaltkonferenz aller ARD-Chefredakteure. Am Nachmittag hat man entweder für die Tagesschau Schaltungen (Live-Gespräche, Anm.d.Red.) zu machen oder aber man bereitet sich auf den "Bericht aus Berlin" vor. Mittwochs um 11 Uhr kommen dann immer die Kollegen von "Deppendorfs Woche" zusammen. Auch samstags ist man zwei bis drei Stunden im Büro, um den "Bericht aus Berlin" weiter vorzubereiten, Beiträge abzunehmen, Moderationen zu schreiben. Sonntags ab 11, halb 12, bis ca. 20 Uhr ist man dann im Studio, um die Sendung zu produzieren. Ab und zu geht es dann abends zu Abendessen oder Diskussionsveranstaltungen von politischen Parteien oder Institutionen. Ich gehe auch schon mal privat in ein Symphoniekonzert oder treffe mich mit Freunden.

Ihr Benutzername: Würden Sie lieber mit Bush oder mit Putin einmal Essen gehen?

Laser: Wie oft treffen Sie Angela Merkel persönlich – und wenn ja, wie gibt die Kanzlerin sich da?

Ulrich Deppendorf: Mit Bush habe ich zumindest schon mal in Heiligendamm einen Kaffee getrunken, zusammen mit dem Kollegen Peter Frey vom ZDF, Angela Merkel und auch Wladimir Putin. Natürlich würde ich zum jetzigen Zeitpunkt gerne mit Herrn Putin Essen gehen. Angela Merkel persönlich trifft man auf Pressekonferenzen, auf ihren Reisen oder auch hier und da bei Abendveranstaltungen. Alleinige Gespräche mit ihr sind eher selten.

Herr Hameln: Wann haben Sie mal frei?

Ulrich Deppendorf: Immer ein Wochenende im Monat. Aber auch schon mal etwas früher als 20 Uhr, wenn am Tag vielleicht nicht so viel los ist und die meiste Arbeit schon getan ist. Und dann gibt es auch noch den Urlaub.

fliegenderanwalt: Was ist Ihre größte negative Eigenschaft? Ich könnte mir Ungeduld vorstellen…

Moderatorin: Bei Journalisten nicht selten 😉

Ulrich Deppendorf: Lieber Herr Stadelmaier, da haben Sie vollkommen Recht. Manche Institutionen fördern auch die Ungeduld.

fliegenderanwalt: Sorry, aber ich bin nicht Herr Stadelmaier…

(Anm.der Red.: Gemeint war Staatssekrtetär Martin Stadelmaier, der Chef der rheinlandpfälzischen Staatskanzlei, der – wie sich im Verlauf des Chats herausstellte – am IFA-Stand von tagesschau.de unter Pseudonym mitgechattet hatte)

Moderatorin: "Manche Institutionen fördern auch die Ungeduld.", sagen Sie. Welche zum Beispiel?

Ulrich Deppendorf: Die eine oder andere politische Partei.

Steini: Wer wird Kanzlerkandidat der SPD?

walt: Wo sehen Sie die SPD in der Zukunft?

Ulrich Deppendorf: Es sieht im Augenblick alles danach aus, dass es auf Herrn Steinmeier zulaufen wird. Aber im Augenblick muss man bei der SPD mit allem rechnen. Am Wochenende gibt es eine große Konferenz der SPD in der Nähe von Berlin, vielleicht ist man danach etwas schlauer. Vieles hängt auch von der Bayern-Wahl ab und von der Entscheidung von Kurt Beck.

emn-Herri: Wie sehen Sie die Zukunft in einem Fünf-Parteien-System?

Ulrich Deppendorf: Durchaus positiv. Andere Länder haben damit auch gute Erfahrungen. Fünf Parteien sind eine überschaubare Größe.

Harmsen: Was werden die bestimmenden Wahlkampfthemen?

Ulrich Deppendorf: Mindestlohn, möglicherweise Atomenergie. Möglicherweise auch die außenpolitische Frage: "Wie geht es weiter in Afghanistan?". Und die steuerlichen Entlastungen für die Bürger.

Moderatorin: Themenwechsel: Zu unseren Formaten im Fernsehen und Online. Start frei!

Tom27: Ich finde es gut, dass der "Bericht aus Berlin " seit drei Jahren sonntags läuft. Ist es nicht langsam Zeit, dass auch eine Frau die Sendung moderiert? Ich habe nichts gegen Sie und Herrn Wagner bzw. seinen Nachfolger Rainald Becker, aber diese sicherlich guten Journalisten sind doch weitgehend unbekannt. Eine prominente weibliche Persönlichkeit könnte ein bisschen mehr Schwung in die Sendung (und nicht zuletzt auch in die Sommerinterviews) geben.

Ulrich Deppendorf: Warten Sie es doch mal ab.

ifabesucher1: Mit "Deppendorfs Woche" gehen Sie ja neue Wege in der Politikberichterstattung. Wird es weitere, ähnliche Formate aus dem ARD-Hauptstadtstudio geben?

Ulrich Deppendorf: Wir werden jetzt erst mal "Deppendorfs Woche" weiter entwickeln. Der "Bericht aus Berlin" ist ja auch im Internet zu sehen. Möglicherweise werden wir auch hier die neuen Medien im nächsten Jahr noch etwas mehr in die Berichterstattung miteinbeziehen, warten sie es einfach mal ab.

TammoB: Gerade Jugendliche beschäftigen sich immer weniger mit Politik und Nachrichten. Inwiefern muss sich die Berichterstattung auch daran anpassen, dass man auf immer weniger Background-Wissen der Zuschauer, Leser, setzten kann?

Ulrich Deppendorf: Indem wir noch mehr Hintergründe in unseren Berichten erklären und Vorgänge transparent machen. Aber auch indem wir Zusatzinformationen zu unseren Berichten und zu unserer Sendung ins Internet stellen und dann auch für entsprechende Verlinkungen sorgen. Außerdem versuchen wir, wenn es irgendwie geht, die reine Politiksprache verlassen und dem Zuschauer auch zu "übersetzen", was Politiker mit bestimmten Äußerungen eigentlich sagen.

Herr Hameln: Sollten die ARD und das ZDF besonders als öffentlich-rechtliche Sender nicht wieder mehr Information und Berichterstattung anbieten, anstatt Soaps usw. ins Programm aufzunehmen, die eher RTL-Niveau haben?

Ulrich Deppendorf: Als Informationsmensch kann ich das unterstützen. Ich glaube auch, dass die Zukunft unseres Systems noch mehr in der Information und in interessanten Informationsangeboten liegt. Dennoch: Als Massensender müssen wir auch für die Unterhaltung sorgen. Wir sollten nur gewisse Niveaugrenzen einhalten.

Silent Bob: Deutsche Medienskandale, wie beispielsweise die "einseitige" oder gar "manipulierende" Berichterstattung über China oder das gekürzte Putin-Interview, lässt die Frage aufkommen, inwieweit das Vertrauen auch in deutsche Medien tatsächlich gerechtfertigt ist. Was ist dabei Ihre Definition von Wirklichkeit?

Ulrich Deppendorf: Erstens: Am Donnerstag können Sie mit Thomas Roth hier über das Putin-Interview selber chatten. Dass Interviews gekürzt werden, ist ein in der internationalen Medien- und Fernsehlandschaft ganz normaler Vorgang. Die Kernaussagen müssen und bleiben dabei allerdings auch immer im Interview drin. Das war auch bei Thomas Roth so. Ich bin eher ein Verfechter von Live-Interviews, bei allen Risiken, die das manchmal mit sich bringt. Wir haben weder eine einseitige Berichterstattung aus China gemacht und erst recht keine manipulierende. Die Kollegen haben in vielen Magazinen, in Weltspiegeln, in Tagesschauen und Tagesthemen und auch in den Sportübertragungen, immer wieder auf die Menschenrechtsproblematik in China hingewiesen. Außerdem haben wir – wenn irgendwie möglich – Bilder von Protestaktionen in Peking und anderswo gesendet. Auch bei der Eröffnungsfeier wurden die besonderen Umstände dieser Olympiade immer wieder thematisiert. Das gilt auch für die Abschlussfeier.

SomeBdyElse: In "Deppendorfs Woche" (Thema: USA und Kaukasus, 27.08.08) bejahren Sie die Frage, ob "kriegerische Vorfälle wie die Kaukasuskrise den Republikanern (in den USA) in die Hand spielen". Können Sie sich vorstellen, dass diese krise bewusst herbeigeführt wurde, wie MP Putin es im ungekürzten Interview mit Thomas Roth als These vorgeschlagen hat?

Ulrich Deppendorf: Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Zumal wir mittlerweile wissen, dass die Amerikaner sogar noch Herrn Saakaschwili vor einem Militärschlag gewarnt haben.

Moderatorin: Hinweis der Redaktion von tagesschau.de: Bitte beachten Sie dazu auch unseren Chat mit Thomas Roth am Donnerstag, den 04.09.08 und Roths Ausführungen im tagesschau.de-Blog.

Ihr Benutzername: Wer bestimmt die Inhalte Ihrer Sendung?

Ulrich Deppendorf: Im "Bericht aus Berlin" haben wir jeden Tag eine Redaktionskonferenz, auf der wir über die Themen der Woche oder aber über die Themen der kommenden Woche diskutieren. Dann entscheiden wir, zu welchem Thema wir welchen Beitrag machen oder welchen Studiogast wir einladen. Letztlich ist die Entstehung der Sendung ein permanenter Diskussionsprozess. Selbst am Sonntag, auch noch kurz vor der Sendung, stellen wir, wenn es sein muss, die Sendung um.

phelps: Haben Sie Sorgen vor einem aufkommenden Rechtsextremismus in Deutschland?

Ulrich Deppendorf: Ich glaube, die Sorge muss man immer haben und deswegen beobachten wir die Szene des Rechtsextremismus auch sehr eindringlich. Dies gilt aber auch für den internationalen Terrorismus, den wir mit gleicher Intensität beobachten und auch darüber berichten müssen.

Moderatorin: Von rechts nach links:

Ihr Benutzername: Sind auch Vertreter der Linken an der Programmgestaltung beteiligt, oder nur SPD/CDU-Vertreter?

Ulrich Deppendorf: An der Programmgestaltung sind überhaupt keine Politiker beteiligt – das wäre ja noch schöner. Die Programmgestaltung liegt ausschließlich bei uns Journalisten. Die ARD, aber auch das ZDF, sind in ihrer Programmausgestaltung und in dem, was und wie sie berichten, unabhängig und frei. Es gibt keine Politiker in Redaktionskonferenzen, die über das Programm bestimmen.

Jörg: Sind öfters Gäste bei Ihnen im Hauptstadtstudio? Oder Sie vor Ort?

Ulrich Deppendorf: In normalen Zeiten sind die Gäste eher bei uns im Studio. Nur bei den Sommerinterviews fahren wir zu den Politikern.

Ihr Benutzername: Nachfrage: Aber die Intendanz und die Aufsichtsgremien sind doch politisch besetzt, das ist doch legal?

Ulrich Deppendorf: Dass in unseren Aufsichtsgremien Vertreter aller politisch relevanten Gruppen und auch gesellschaftlich relevanter Gruppen sitzen, ist durchaus legal. Dies hat aber auf die Ausgestaltung einer eigenen Sendung keinen Einfluss. Allerdings haben die Gremien das Recht, auch kritisch nachzufragen. Außerdem muss man sich auch vor den Gremien verantworten, wenn man einmal nicht korrekt berichtet hat. Das kommt allerdings äußerst selten vor. Auch die englische BBC hat ein Aufsichtsgremium. In den letzten Jahren ist der Einfluss der politischen Parteien in den Gremien bei einigen Sendern zurückgegangen – kein schlechter Trend.

abc: Wie schwierig ist es, Informationen, die man von Politikern vertraulich erhalten hat, auch so zu behandeln. Beziehungsweise gibt es Situationen, wo Sie dann doch die erhaltenen News "durchsickern" lassen?

Ulrich Deppendorf: Einfach ist das nicht. Durchsickern lasse ich sie nur, wenn man sich vorher das Okay geholt hat.

Franz: Die Kernfrage ist doch, wer kontrolliert eigentlich die Medien? Entscheiden Journalisten über die öffentliche Meinung?

Ulrich Deppendorf: Wie vorhin schon gesagt, haben wir Aufsichtsgremien, die unsere Programme kritisch beobachten. Nicht abzustreiten ist, dass wir auch die politische Meinung führender deutscher Zeitungen und Nachrichtenmagazine natürlich mitbestimmen. Hier und da auch das politische Handeln, wenn eine Partei oder ein Vorsitzender nicht souverän in ihren Entscheidungen handelt. Dass wir die Mächtigen kontrollieren, ist eine wichtige Aufgabe der Medien.

Moderatorin: Die Bitte um eine Prognose zum Schluss: Werden wir eine zweite Legislatur mit Großer Koalition haben? Und wird Merkel, in welcher Koalition auch immer, das Kanzleramt behalten?

(er lacht bei der Frage und überlegt)

Ulrich Deppendorf: Also, ich wage mal die Prognose: Die alte Kanzlerin wird auch die neue sein. Damit meine ich nicht das Alter. Ich halte eine Große Koalition auch nach September 2009 nicht für ausgeschlossen. Das liegt sehr stark auch an der CDU selber. Sie muss schon 48 bis 50 Prozent erreichen, um ganz sicher zu gehen und die FDP muss auch deutlich über zehn Prozent kommen. In dem Zustand, in dem die SPD jetzt ist, sehe ich im Augenblick nur eine Jamaika-Koalition, Schwarz-Gelb oder am Ende doch wieder die Große Koalition. Schönen Dank für Ihr Interesse. Es hat Spaß gemacht!

Moderatorin: Das war unser Abschluss-Chat von der IFA 2008. Ulrich Deppendorf, der Leiter des ARD- Hauptstadtstudios, war heute unser Gast. Vielen Dank, dass Sie hier waren – Dank auch an die IFA-Besucher/innen die mitgechattet haben und natürlich an unsere treuen Chat-Fans im World Wide Web! Herr Deppendorf, wie geht Ihr Tag jetzt weiter?

Ulrich Deppendorf: Jetzt fahre ich wieder ins Studio und rede mit meinen Kollegen über das Sommerinterview mit Kurt Beck am kommenden Sonntag im "Bericht aus Berlin". Anschließend haben wir eine Planungskonferenz für die kommende Woche. Dann gibt es noch ein Interview und irgendwann gegen 21 Uhr bin ich vielleicht mal Privatmensch.

Moderatorin: Also, nochmals Danke und einen guten Rückweg ins Hauptstadtstudio!

Der Chat wurde moderiert von Corinna Emundts, tagesschau.de.