Am 22. Juli 2008 waren drei Bundeswehrsoldaten der Quick Reaction Force im tagesschau-Chat in Zusammenarbeit mit politik-digital.de. Direkt aus Masar-i-Scharif in Afghanistan sprachen sie über die Sorgen der Angehörigen, unangenehme Temperaturen und die Anerkennung der deutschen Öffentlichkeit.

Moderatorin: Herzlich willkommen zum tagesschau-Chat im ARD-Hauptstadtstudio. Aus Afghanistan zugeschaltet sind uns heute drei deutsche Soldaten aus Masar-i-Scharif. Seit dem 1. Juli stellt die Bundeswehr die Schnelle Eingreiftruppe – Quick Reaction Force – im Norden Afghanistans. Wie gehen die Soldaten mit der täglichen Gefahr um? Was für eine Rolle spielen Routine und Erfahrung? Wie lebt man in den befestigten Lagern? Liebe User, fragen Sie Oberstleutnant K., Stabsfeldwebel M. und Hauptfeldwebel R., deren Namen wir aus Sicherheitsgründen abkürzen.

Guten Tag und herzlich willkommen im Chat auch nach Afghanistan, können wir beginnen?

Quick Reaction Force: Hallo und guten Tag aus Masar-i-Scharif! Wir freuen uns auf Ihre Fragen!


Anonymous:
Sind die Antwortenden Offiziere der Kampftruppe oder Presseoffiziere?


Oberstleutnant K.:
Sowohl als auch. Ich bin Presse-Offizier der QRF. Die beiden anderen Soldaten gehören der QRF an sich an.


SanFWfa:
Wie wird ausgewählt, welcher Soldat in die QRF kommt?


Stabsfeldwebel M:
Es gibt keine Auswahlkriterien in dem Sinne. Unser Verband hatte diesen Auftrag erhalten und daher kommt die Masse der Soldaten auch daher.


Anonymous:
Wie gut fühlen Sie sich auf diese Aufgabe vorbereitet?


Hauptfeldwebel R.:
Ich fühle mich gut vorbereitet. Es war eine sehr gute Vorausbildung.


Melle:
Inwieweit sind Sie mit der dienstlich zur Verfügung gestellten persönlichen Kampfausrüstung zufrieden?


Hauptfeldwebel R.:
Die dienstlich gelieferte Ausrüstung ist grundsätzlich ausreichend. Teilweise versuchen wir, sie mit eigenen Gegenständen sinnvoll zu ergänzen.


kiefer:
Wie haben Sie reagiert, als Sie hörten, dass Ihr Verband für die QRF eingeteilt wurde?


Stabsfeldwebel M..:
Zunächst stellte ich mir die Frage, was da genau auf uns zukommt. Wie groß wird das Aufgabenspektrum sein?


Hauptfeldwebel R.:
Auf alle Fälle erwartete ich eine neue Aufgabe mit einer besonderen Herausforderung.


chatter2:
Mit welchen Gegenständen ergänzen Sie denn Ihre Ausrüstung?


Hauptfeldwebel R.:
Z.B. mit Pistolenholstern oder Brillen mit ballistischem Schutz oder ganz einfach geeigneter Funktionsunterwäsche.


NERO:
Reicht Ihre Ausbildung, die Sie von der Bundeswehr erhalten haben, im Allgemeinen aus in Afghanistan und werden Sie in Sprache, Kultur und allgemeinen Verhaltensweisen mit und gegenüber den Einheimischen geschult?


Hauptfeldwebel R.:
Die Ausbildung ist, wie bereits dargestellt, sehr gut. Bezüglich Kultur und landestypischen Dingen haben wir Unterricht erhalten, der uns einen ersten Eindruck gab, was uns hier erwartet.


Stabsfeldwebel M.:
Für die Sprache haben wir Sprachmittler.


motte:
Ist vor Ort weibliches Personal eingesetzt und wenn ja, wie reagiert die Bevölkerung auf weibliche Soldaten?


Stabsfeldwebel M.:
Wir haben bei der QRF drei Soldatinnen. Bisher gab es noch keine unmittelbaren Berührungspunkte mit der hiesigen Bevölkerung, so dass wir da noch keine Erfahrungen sammeln konnten.


102:
Stimmt es, dass von den in Afghanistan eingesetzten Soldaten max. fünf bis zehn Prozent die Lager überhaupt verlassen?


Stabsfeldwebel M.:
In Bezug auf das gesamte Afghanistankontingent kann ich keine Angaben machen. Die QRF ist eine Einheit, die außerhalb eingesetzt wird. Daher verlassen auch alle unsere Soldaten das Lager.


Rienits:
Wie gehen Sie mit der Debatte über Kampfeinsätze deutscher Truppen um? Ich persönlich finde das, was Sie leisten, sehr gut und bin stolz auf Sie. Deutschland muss auch endlich lernen, die nötige Verantwortung im NATO-Bündnis zu tragen und nicht immer nur andere kämpfen zu lassen.


Oberstleutnant K.:
Zunächst einmal vielen Dank für Ihre moralische Unterstützung. Die Frage nach einem Kampfeinsatz ist nicht so einfach zu beantworten. Unser Einsatz deckt ein breites Spektrum ab. Dieses reicht von humanitären Aspekten bis hin natürlich auch zum Kämpfen. Der Kampf ist aber immer das letzte Mittel. Wir versuchen stets auf die jeweilige Situation angemessen und verhältnismäßig zu reagieren.


Nimrod:
Wie ist die Stimmung unter den Soldaten? Fühlen Sie sich vom deutschen Volk genügend "unterstützt"?


Stabsfeldwebel M.:
Die Stimmung der Soldaten ist auf alle Fälle gut.


Hauptfeldwebel R.:
Mir reicht es im Endeffekt aus, wenn ich von meiner Familie und meinen Freunden unterstützt werde.


Oberstleutnant K.:
Grundsätzlich bin ich für jede Unterstützung dankbar, wenn aber auch das, wie der Bundespräsident es nannte, "freundliche Desinteresse" in Deutschland stark ausgeprägt ist. Vielleicht wäre hier durch bessere Information auch ein höheres Interesse zu wecken.


Mole:
Sind Sie überzeugt von der Wichtigkeit Ihres Einsatzes oder sind Sie nur dort, "weil der Job gemacht werden muss"?


Hauptfeldwebel R.:
Ich bin überzeugt von meinem Einsatz.


Omar:
Was genau ist die Aufgabe der deutschen Soldaten in Masar-i-Scharif?


Oberstleutnant K.:
In Masar-i-Scharif gibt es unterschiedliche Aufgaben. Masar-i-Scharif ist im Schwerpunkt eine logistische Basis für die deutschen Truppen in Afghanistan.


burak:
Wie sieht Euer Alltag in Afghanistan aus?


Hauptfeldwebel R.:
Für uns bei der QRF gibt es keinen klassisch geregelten Alltag. Die Inhalte wechseln täglich von Operationen über Ausbildung bis hin zu Sport. Dementsprechend sind auch die Zeiten täglich anders.


Mole:
Was wünschen Sie sich im Moment oft? Also was für Gedanken beherrschen Sie in diesen Tagen?


Stabsfeldwebel M.:
Angenehmere Temperaturen, da wir hier täglich deutlich über 40 Grad im Schatten haben. Einige Soldaten wünschen sich auch eine abwechslungsreichere Verpflegung.


Hauptfeldwebel R.: 
Meine Gedanken drehen sich eher um die nächste Operation und was mich da erwartet.


Lifke:
Wie sieht es mit Freizeitmöglichkeiten aus und wie gestalten Sie diese?


Stabsfeldwebel M.:
Wir haben hier verschiedene Möglichkeiten. Eigentlich ist für jeden etwas dabei. Es reicht von Sportzelten bis hin zum Internet-Café. Oftmals fehlt aber die Zeit, dies regelmäßig zu nutzen.


Reachable:
Wie lassen sich Einsätze in Afghanistan und Familie vereinbaren? Wie gut gelingt es, den Kontakt zur Familie während des Einsatzes aufrecht zu erhalten und inwiefern ist dort überhaupt Platz und Zeit für Privatsphäre?


Oberstleutnant K.:
Natürlich ist die Trennung eine Belastung für die Familie. Allerdings kann der Kontakt per Telefon, E-Mail oder per Brief problemlos gehalten werden. Hier muss jeder seinen eigenen Weg finden.

Stabsfeldwebel M.: Privatsphäre gibt es hier so gut wie gar nicht. Man ist hier halt auf engstem Raum untergebracht. Drei Soldaten in einem Unterkunftscontainer (13 qm).


sebastian:
Ganz praktisch: Wie oft können Sie denn telefonieren (und zahlt das die Bundeswehr)?


Hauptfeldwebel R.:
Im Grunde immer dann wenn Zeit ist. Dazu stehen zwei Netze zur Verfügung, allerdings auf eigene Rechnung.


Solace19:
Wieviel Zeit verbringen Sie durchschnittlich außerhalb des Lagers und wie groß schätzen Sie die Gefahr durch Angriffe auf Ihren Konvoi ein?


Hauptfeldwebel R.:
Im Schnitt sind wir hier drei Tage pro Woche draußen. Mit Angriffen auf Konvois ist dabei natürlich immer zu rechnen.


Oberstleutnant K.:
Zur Zeit geht allerdings von selbstgebauten Sprengsätzen die meiste Gefahr aus. Und auch damit ist natürlich jederzeit und überall zu rechnen.


Anonymous:
Kampfeinsatz – Wie kämpft man gegen Selbstmordattentäter und wie geht man mit dieser Bedrohung persönlich um?


Hauptfeldwebel R.:
Der beste Schutz ist hier die rechtzeitige Informationsgewinnung, um bereits die Bedrohung im Voraus zu erkennen und entsprechende Maßnahmen treffen zu können. Diese Bedrohung ist natürlich genauso da wie die Sprengsätze.


kiefer:
Was für einen Eindruck haben Sie davon, was die einheimische Bevölkerung von ihrer Anwesenheit hält?


Hauptfeldwebel R.:
Dies ist sehr unterschiedlich. In einigen Dörfern wurden wir sehr gut aufgenommen, in anderem wiederum wurde unsere Anwesenheit eher ignoriert.


nakon:
Setzen sich die Dolmetscher denselben Gefahren aus wie die Soldaten? Bekommen diese eine gesonderte Ausbildung? Wie wichtig ist das Kommunizieren mit den Einheimischen?


Oberstleutnant K.:
Hier muss man trennen. Zum einen haben wir uniformierte Sprachmittler, also Soldaten aus Deutschland. Diese unterliegen natürlich den gleichen Gesetzmäßigkeiten wie alle anderen Soldaten auch. Zum anderen haben wir hier einheimische Sprachmittler, die in ihrer Funktion unserem Schutz unterliegen. Aber grundsätzlich gilt für diese die gleiche Gefährdung wie für Soldaten.


Markus Evers:
Ich persönlich habe vor einigen Tagen auf tagesschau.de mit positivem Interesse den Videobeitrag von einem Hauptfeldwebel der QRF gesehen. In diesem merkte er die teilweise fehlende Unterstützung durch die Politik an. Wie ist das Empfinden im Einsatz in Hinsicht auf die politische Unterstützung für dieses schwere Mandat?


Stabsfeldwebel M.:
Ich teile die Ansicht des Hauptfeldwebels. Man würde sich schon öfter wünschen, dass man das ein oder andere Mal auf die Schulter geklopft bekommt und nicht nur das Haar in der Suppe gesucht wird.


Marcel:
Wie haben Sie Ihre Familie und Ihre Verwandten auf die möglichen Gefahren vorbereitet, die Sie im Einsatz erwarten könnten und hatten Sie dabei Unterstützung durch die Bundeswehr?


Hauptfeldwebel R.:
Ich habe meiner Familie offen gesagt, dass das Schlimmste passieren kann, obwohl ich davon nicht unbedingt ausgehe. Es gibt aber auch Kameraden, die ihrer Familie nicht gesagt haben, dass sie zur QRF gehören, sondern eher Schreibtischaufgaben erledigen. Unterstützung für die Familien zu Hause gibt es durch unsere Familienbetreuungsorganisation und auch durch den Sozialdienst der Bundeswehr.


Moderatorin:
Eine Stunde tagesschau-Chat ist leider vorbei. Möchten Sie noch ein Schlusswort aus Afghanistan an unsere User richten?


Quick Reaction Force:
Ja. Vielen Dank für Ihre Fragen. Diese haben gezeigt, dass man sich doch für uns hier im Einsatz interessiert. Nochmals beste Grüße aus dem heißen Masar-i-Scharif ins verregnete Deutschland!


Moderatorin:
Grüße und Dank nach Afghanistan und auch Dankeschön an unsere User für die vielen Fragen, die wir leider nicht alle stellen konnten. Das tagesschau.de-Team wünscht noch einen schönen Tag.