Die 68er-Generation ging bei Wind und Wetter auf die Straße. Der moderne Mensch bleibt zum Demonstrieren einfach in den eigenen vier Wänden. Zwischen E-Bay-Shopping und E-Mail reicht ein Mausklick, um seiner politischen Meinung Ausdruck zu verleihen – soweit das gängige Vorurteil. Doch was steckt eigentlich hinter dieser neuen Form des Protests, was sind Online-Demonstrationen überhaupt?
Der Begriff „Online-Demonstration“ wird für eine Vielzahl von Online-Aktionen verwendet, die darauf abzielen, dass viele Personen gemeinsam zu einem politischen oder gesellschaftlichem Thema öffentlich im Internet Stellung beziehen. Online-Demonstrationen sind keine direkte Übersetzung realer Demonstrationen in die virtuelle Welt, sondern Formen des kollektiven öffentlichen Protests im Internet, deren Vorbilder reale Protestformen sind. Sie kombinieren verschiedene Elemente aus Demonstrationen, Versammlungen, Streiks oder Sitzblockaden. Hieraus resultiert auch der unterschiedliche Charakter der verschiedenen Typen von Online-Demonstrationen, die seit den 90er Jahren entwickelt wurden.
Virtuelles Sit-in
Bei virtuellen Sit-ins steht der Aktionscharakter des gemeinsamen Handelns im Vordergrund. Durch das zeitgleiche Versammeln auf einer bestimmten Website wird eine Blockade oder eine Störung des gewohnten Ablaufs erreicht. Auch wenn die Teilnehmer in der Regel anonym bleiben, wird hierdurch der gemeinsamen politischen Meinung Ausdruck verliehen.
Foto-Demonstration
Charakteristisch für Foto-Demonstrationen ist das gemeinsame, öffentliche Bekenntnis zu einer Überzeugung. Hier ist weniger der Aktionscharakter des kollektiven Handelns prägend, als das äußere Erscheinungsbild einer Versammlung oder Demonstration. Die Teilnehmer „versammeln“ sich im Zeitverlauf an einem „virtuellen Ort“ und geben dort mit einem Abbild ihrer Person die gemeinsame Meinung kund.
Netzstreik
Nicht die Versammlung an einem bestimmten Ort, sondern das Kundtun einer kollektiven Meinung steht auch bei Netzstreiks im Vordergrund. Im Rahmen einer gemeinsamen Aktion wird Internetnutzern durch Vorschaltseiten für eine gewisse Zeit der Zugang zu den beteiligten Websites verweigert oder erschwert. Eine Abwandlung hiervon ist die Verweigerung der Produktion von Inhalten während des Demonstrationszeitraums. Im Rahmen eines Protesttages aus Solidarität mit Mönch-Protesten in Birma im Oktober des Jahres 2007 stellten Blogger, Foren- und Website-Betreiber für 24 Stunden ihre Online-Aktivitäten ein und platzierten stattdessen eine Protestbotschaft.
Unbeteiligte Internetnutzer werden beim Aufrufen der beteiligten Seiten unerwartet mit einem Thema konfrontiert. Netzstreiks zielen primär darauf ab, über das Internet Aufmerksamkeit für ein Thema zu erlangen und Meinungen zu beeinflussen.
Avatar-Demonstrationen
Die größte Ähnlichkeit mit realen Demonstrationen und Versammlungen haben Avatar-Demonstrationen. Die realen Aktionsformen werden mit Hilfe digitaler Abbilder wirklicher Personen, sogenannter Avatare, in virtuelle Welten wie das Second Life übertragen.
Mehr Online-Demos
Einmal entwickelte Formen von Online-Demonstrationen wurden weitgehend durchgängig genutzt. Die Zahl der Proteste, der Protestformen und der handelnden Akteure hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich erhöht. Ein Blick auf die Anlässe der Proteste zeigt, dass in Deutschland viele internet- und technikaffine Themen behandelt wurden, doch schwächt sich dieses Tendenz in den vergangenen drei Jahren deutlich ab.
Titel: Online-Demonstrationen in Deutschland. (Darstellung nach Startdatum)
Quelle: Eigene Darstellung
Eine Darstellung der einzelnen Aktionen befindet sich in der Linkliste |
Ergänzung zu Aktionen auf der Straße
Online-Demonstrationen sind kein Ersatz für herkömmliche Protestformen. Betrachtet man die bisher in Deutschland stattgefundenen Online-Demos, so wird deutlich, dass sie in der Regel nicht als Alternative, sondern vielmehr als Ergänzung zu realen Aktionsformen konzipiert wurden.
Darüber hinaus war kaum eine der in Deutschland durchgeführten Online-Demonstrationen ein Internet-internes Phänomen. Oft waren sie Teil breiter angelegter Kampagnen, wurden durch Aktionen in der realen Welt unterstützt, bekannt gemacht oder parallel zu ihnen durchgeführt. Auch der Einsatz anderer virtueller Protestformen wie E-Mail-Aktionen, Online-Petitionen – oder Unterschriftenlisten, Banneraktionen o.ä. waren gängige Mittel, um auf das jeweilige politische Anliegen sowie die Online-Demonstrationen selbst aufmerksam zu machen.
Wie andere Formen des Online-Protests sind Online-Demonstrationen nicht im Grundgesetz verankert, allerdings sind sie in vielen Punkten durch das Recht auf freie Meinungsäußerung abgesichert.