Was ist der Unterschied zwischen Netzstreik und virtuellem Sit-In? Wie funktionieren Foto-Demonstrationen? Das Glossar erklärt die Begriffe ausführlich.
Virtuelle Sit-Ins
Virtuelle Sit-Ins sind die wohl bekannteste und am kontroversesten diskutierte Form der Online-Demonstrationen. Als virtuelles Sit-in wird das massenhafte Aufrufen einer bestimmten Website in kurzen Zeitintervallen bezeichnet. Reichen die Kapazitäten des Servers nicht aus, um die Flut der Anfragen zu bearbeiten, wird hierdurch entweder eine Verlangsamung der Antwortzeiten des Servers oder dessen Blockade erreicht. Wahrnehmbar ist dies in erster Linie für die Betreiber der Websites und für Internetnutzer, die im Zeitraum der Online-Demonstration Interesse an den entsprechenden Angeboten zeigen. Um den gewünschten Effekt zu erzielen, ist es theoretisch notwendig, dass die Teilnehmer der Demonstration zeitgleich handeln. Durch diese kollektive Handlung soll auf ein politisches oder gesellschaftliches Problem aufmerksam gemacht werden. Es handelt sich um eine in den 90er Jahren entstandene Form des elektronischen zivilen Ungehorsams. Wie bei realen Demonstrationen, Versammlungen oder Sitz-Blockaden ist der erzielte Effekt umso höher, je mehr Menschen sich beteiligen. Eine Möglichkeit, den Effekt eines virtuellen Sit-Ins zu erhöhen ist der Einsatz von Demonstrations-Tools. Um die Zahl der Zugriffe zu erhöhen werden Dienstprogramme eingesetzt, das manuelle Aufrufen der Seiten automatisieren.
Daher ist der Erfolg virtueller Sit-ins ist nicht allein von der Teilnehmerzahl abhängig. Es spielt eine entscheidende Rolle, ob Demonstrations-Tools eingesetzt werden und wie effektiv diese sind. Auch die Kapazitäten der Zielserver haben Einfluss darauf, ob und in welchem Maße eine Beeinträchtigung der Leistung zu erreichen ist. Im Rahmen einzelner Aktionen steigt der erzielte Effekt durch eine höhere Teilnehmerzahl, insgesamt lassen sich die Auswirkungen virtueller Sit-ins jedoch nicht allein anhand der Menge der beteiligten Personen vorhersagen.
Netzstreiks
Eine weitere Form des kollektiven und öffentlichen Protests im Internet sind Netzstreiks. Aufmerksamkeit für ein Thema wird nicht durch die Blockade einer fremden Website erlangt, sondern durch das freiwillige Versperren oder Verlangsamen der Protestierer. Diese ersetzen im Demonstrationszeitraum kollektiv die Startseiten ihrer Websites durch eine Vorschaltseite oder stellen für einen gewissen Zeitraum ihre Online-Aktivitäten ein und veröffentlichen stattdessen eine Protestbotschaft .
Je mehr aktive User sich an einem Netzstreik beteiligen, umso höher ist der Streueffekt und desto wahrscheinlicher ist es, dass unbeteiligte User bei der Internetnutzung auf die Online-Demo aufmerksam werden. Charakteristisch für diesen Aktions-Typ ist die unerwartete Konfrontation mit einem Thema.
Die radikalste Form eines Netzstreiks ist eine selbst gewählte Blockade. In diesen Fällen verhindert die Vorschaltseite ein Aufrufen der beteiligten Websites bzw. der Inhalte auf den Seiten während der Demonstration. Daneben wurden weniger extreme Protestseiten programmiert, die entweder durch einen Link mit den ursprünglichen Homepages verknüpft sind oder durch eine automatische Weiterleitung nach einer gewissen Zeit den Zugriff auf diese ermöglichen.
Die Reichweite von Netzstreiks hängt stark von der Besucherzahl der beteiligten Seiten ab. Internetauftritte, die nur von wenigen Nutzern besucht werden, können entsprechend auch nur wenige Personen erreichen, benutzerstarke Seiten können hingegen eine weit höhere Resonanz hervorrufen. Hinzu kommt, dass das Austauschen einer Startseite nicht gleichbedeutend mit der Teilnahme einer Person sein muss. Eine private Homepage steht stellvertretend für die Meinung des Betreibers, die Internetauftritte von Organisationen oder Firmen stellvertretend für die Überzeugungen einer Gruppe von Personen.
Foto-Demonstrationen
Reale Demonstrationen und auch die bisher beschriebenen Typen von Online-Demonstrationen können nur erfolgreich sein, wenn die Teilnehmer synchron oder zumindest zeitnah handeln. Foto-Demonstrationen nutzen dagegen neben der Ortsungebundenheit auch die zeitliche Flexibilität des Internets. Sie finden auf eigens dafür eingerichteten Webseiten statt. Auf diesen werden Fotos der Teilnehmer gesammelt, die gemeinsam dargestellt Ausdruck der kollektiven politischen Meinung sind. Gelegentlich werden die Fotos auch durch Kommentare der Nutzer ergänzt. Im Gegensatz zu virtuellen Sit-Ins und Netzstreiks zielen Foto-Demonstrationen nicht auf eine Störung der regulären Nutzung des WWWs ab. Außerdem sind Foto-Demonstrationen nicht auf ein gleichzeitiges Handeln der Teilnehmer angewiesen. Mitmachen ist ab dem Zeitpunkt möglich, an dem die Demonstrationswebsite ins WWW gestellt wird. Sie stellt sich als eine einmalige Handlung − das Übermitteln des eigenen Bildes − dar. Foto-Demonstrationen zielen auf eine hohe Beteiligung im Zeitverlauf ab, nicht auf eine massenhafte Teilnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Avatar-Demonstrationen:
Eine im deutschprachigen Internetraum erstmals im Jahr 2007 in Erscheinung getretene Form der Online-Demonstrationen sind Avatar-Demonstrationen. Diese sind ein Sonderfall, da sie nicht ohne weiteres von der breiten Online-Öffentlichkeit wahrgenommen werden können. Um bei einer Avatar-Demonstration mitzumachen oder sie in Realzeit zu beobachten, sind eine spezielle Software und eine Registrierung notwendig.
Avatare sind virtuelle Abbilder realer Personen, deren Aussehen in der Regel von den Usern selbst bestimmt werden kann. Beispiele sind die Figuren in der virtuellen Online-Welt „Second Life“, in der im Jahr 2007 einige Avatar-Demonstrationen abgehalten wurden. Vom Erscheinungsbild kommen Avatar-Demonstrationen denen realer Demonstrationen am nächsten. Die Avatare versammeln sich von ihren Schöpfern gesteuert auf einer bestimmten Website oder an einem bestimmten Ort in einer virtuellen Welt, um dort gemeinsam zu protestieren.