Die SPD will die Verfassungsbeschwerde gegen die Online-Durchsuchung abwarten – und ist laut ihrem Innenexperten Sebastian Edathy ansonsten dafür. Das könnte für einen Schnellstart des Gesetzes Anfang 2008 sorgen.

Edathy zufolge habe die SPD nie gegen ein Gesetz zur Legitimation heimlicher Online-Durchsuchungen Stellung bezogen. Es gehe um rechtliches Neuland, sagte er der „B.Z. am Sonntag“. Daher solle lediglich das Ergebnis der derzeit laufenden Verfassungsbeschwerde abgewartet werden, um aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Leitlinien für einen Gesetzesentwurf auf Bundesebene zu erhalten. Dieser könnte bereits im Frühjahr 2008 fertiggestellt sein.

Die Debatte über das geplante Gesetz zur Legitimation heimlicher Online-Durchsuchungen dauert schon länger an. Die CDU/CSU versuchte in den vergangenen Monaten das die Änderung des BKA-Gesetzes noch in diesem Jahr auf den Weg zu bringen. Der Koalitionspartner SPD hielt sich bisher mit konkreten Aussagen zurück. Innerhalb der Fraktion herrschte Einigkeit darüber, dass zunächst das noch ausstehende Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu einem entsprechenden Paragraphen im Verfassungsschutzgesetz NRW abgewartet werden sollte.


Hintergrund: Verfassungsschutzgesetz NRW

Seit Dezember 2006 ist es Ermittlungsbehörden in Nordrhein-Westfalen erlaubt, heimlich Computer auszuspähen und die Internetkommunikation Verdächtiger zu überwachen. Die rechtliche Grundlage für die Online-Durchsuchungen liefert der §5 Abs.2, Nr.11 des Verfassungsschutzgesetzes NRW. Dieser besagt, dass den Verfassungsschutzbehörden zur Informationsbeschaffung sowohl die verdeckte Teilnahme an Kommunikationseinrichtungen im Internet als auch der „heimliche Zugriff auf informationstechnische Systeme auch mit Einsatz technischer Mittel“ erlaubt ist. Gegen den Paragraphen läuft eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Entscheidung wird für Januar 2008 erwartet.

 

Die in dieser Frage scheinbar neuerdings einheitliche Linie der Großen Koalition bestätigte am Samstag auch Stefan Kaller, Sprecher des Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble (CDU), gegenüber der Nachrichtenagentur AP. Seiner Aussage zufolge sind sich die Koalitionspartner dahingehend einig, dass das Gesetzgebungsverfahren eingeleitet werde, sobald die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorliegt.

Am heutigen Dienstag meldete sich nun auch die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) im RBB-Inforadio zu Wort und durchkreuzte die neue Einigkeit. Sie unterstrich erneut ihre Ablehnung der heimlichen Online-Durchsuchungen und bezeichnete sie als „verfassungsrechtlich problematisch“. Da inzwischen viele persönliche Daten auf Computern gespeichert würden, entspricht diese Form der Ermittlung „quasi der heimlichen Durchsuchung einer Wohnung“.

 


Hintergrund: Online-Durchsuchung.

Mit dem Gesetz soll es zukünftig möglich werden, heimlich auf die Festplatten von Verdächtigen zuzugreifen. Dabei soll sowohl der einmalige Zugriff auf auf die persönlichen Daten der Überwachten, als auch eine langfristige Beobachtung des Datenverkehrs durch das Gesetz abgedeckt werden. Derzeit wird an der Entwicklung einer speziellen Spionage-Software, dem so genannte „Bundestrojaner“, gearbeitet. Diese soll auf den Computern der Verdächtigen installiert werden und unbemerkt Informationen an die Ermittlungsbehörden senden. Wie die Software funktionieren soll, erläutert Stefan Krempl auf heise.de.

 

Ähnlich argumentieren die Kritiker der Online-Durchsuchungen. Befürchtet wird eine Verletzung des auch bei Telefonüberwachung und Hausdurchsuchungen relevanten Rechts auf private Lebensführung. Grundlegend wird bezweifelt, dass es in der Realität möglich ist, zwischen strafrechtlich relevanten und und privaten Daten auf den Festplatten der Überwachten zu unterscheiden. Das Online-Bürgernetzwerk Campact bemängelt, dass es den Verdächtigen bei länger andauernden Ermittlungen nicht möglich sein wird, sich juristisch gegen die heimliche Überwachung zur Wehr zu setzen. Wenn überhaupt, dann werden diese erst im Nachhinein davon in Kenntnis gesetzt.

Von verschiedenen Seiten wird darauf hingewiesen, dass zudem Grundrechte wie die Unverletzlichkeit der eigenen Wohnung (Art. 13 GG) und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung von dem neuen Gesetz berührt werden.

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