Moderator: Herzlich willkommen im tagesschau-Chat!
Unser Thema heute ist der Aufstand in Birma, wo das Militärregime
weiterhin massiv gegen Oppositionelle vorgeht. Unser Gast ist Ashin
Sopaka, buddhistischer Mönch aus Birma. Herr Sopaka lebt in
Köln. Einen herzlichen Gruß dorthin. Vielen Dank Herr
Sopaka, dass Sie mit uns chatten! Frage nach Köln, können
wir beginnen?
Ashin Sopaka: Ja.
Ashin Sopaka beim tagesschau.de-Chat
Christine: Herr Sopaka, leben Sie in Deutschland
im Exil? Sind Sie aus Birma geflüchtet?
Ashin Sopaka: Ja, ich lebe hier im Exil. Ich habe
eine Einladung von hier, deswegen bin ich hier her gekommen.
Moderator: Wann hatten Sie zuletzt Kontakt mit
Ihren Freunden in Birma?
Ashin Sopaka: Heute habe ich dreimal telefoniert.
Moderator: Und mit wem haben Sie gesprochen? Oder
ist es besser, keine Namen zu nennen?
Ashin Sopaka: Mit den Organisatoren. Die Mönche
haben viel Angst und halten sich versteckt.
saja: Wie ist die Lage momentan vor Ort?
Ashin Sopaka: Im Moment attackiert die Regierung
die Klöster. Viele Mönche sind immer noch verhaftet, auch
gestern Nacht gab es neue Verhaftungen durch Soldaten.
ManuelvD: Herr Sopaka, müssen sie Angst haben,
dass Ihre Freunde wegen des Kontakts zu Ihnen verfolgt werden könnten?
Ashin Sopaka: Ich habe Angst, aber trotzdem: Wir
müssen reden! Aber die Mönche wechseln jeden Tag ihren
Aufenthaltsort.
Moderator: Also geht der Aufstand weiter?
Ashin Sopaka: Es geht weiter, ja. Aber die Mönche
wären sonst nicht in Sicherheit, wenn sie nicht ständig
umziehen würden. Bitte helft uns. Sprecht lauter für unsere
Sicherheit!
nataku: Wie verläuft denn die Organisation
der Protestbewegung? Ist das zentral organisiert, gibt es sozusagen
einen "Kopf" der Bewegung? Und welche Rolle spielen dabei
Burmesen im Ausland, so wie Sie?
Ashin Sopaka: In Burma haben sich neun Gruppen
zusammengeschlossen und organisieren ihre Aktionen gemeinsam. Darunter
sind Mönche, aber auch Studenten. Wir machen auch globale Aktionen,
wir Mönche im Ausland.
adi: Was passiert mit den festgenommenen Mönchen?
Ashin Sopaka: Viele wurden in Arbeitslager deportiert,
mussten ihre Roben ablegen und viele werden geschlagen. Einige sind
in Gefangenschaft auch schon gestorben. Umgebracht worden durch
Folter.
Moderator: Was bedeutet es, wenn ein buddhistischer
Mönch seine Robe ablegen muss?
Ashin Sopaka: Wenn die Mönche die Robe nicht
mehr tragen, gelten sie in den Augen des Militärs als Zivilbürger
und werden eher gefoltert. Die Mönche wollen ihre Roben natürlich
nicht ablegen, weil es für sie nicht nur Ausdruck ihrer Religion
ist, sondern auch ein Stück Aufgabe.
Moderator: Sie haben gesagt, es wurde Mönche
durch Folter umgebracht. Wie kommen diese Informationen zu Ihnen?
Wie vertrauenswürdig sind die Personen, die Sie informieren?
Ashin Sopaka: Ich habe direkten Kontakt zu den
Mönchen. Wir telefonieren. Also sind die Informationen absolut
vertrauenswürdig und glaubhaft. BBC und CNN berichten aber
auch regelmäßig und sind natürlich auch eine vertrauenswürdige
Quelle.
ManuelvD: Werden die Mönche auch in der Konfrontation
in jedem Fall der Gewalt abschwören?
Ashin Sopaka: Die Mönche sind einfach weggelaufen,
sie haben sich nicht gewehrt. Aber in der Nacht versuchen sie natürlich,
ihr Kloster zu schützen. Dazu klingeln sie laut mit Glocken
um die Bevölkerung herbei zu rufen. Wir werden unter keinen
Umständen gewaltsam reagieren.
octavia: Warum weigern sich nicht mehr Soldaten
dem Gehorsam? Sie kommen doch auch aus dem Volk. Gibt es für
Armeeangehörige Privilegien?
Ashin Sopaka: Die Soldaten, die jetzt agieren,
sind keine normalen Soldaten. Die meisten sind ehemalige Gefangene
(wir sehen das an ihren Schuhen). Und es wurden den Soldaten wohl
auch Drogen gegeben.
gyal: Sind die Soldaten auch Buddhisten? Und wenn
ja, wie können sie das mit Ihrem Glauben vereinbaren?
Ashin Sopaka: Sie sagen selbst, sie wären
Buddhisten. Aber sie befolgen die Grundsätze dieses Glaubens
nicht.
saja: Wie ist der Rückhalt in der Bevölkerungen?
Können die Mönche die Menschen noch erreichen und für
den Widerstand mobilisieren?
Ashin Sopaka: Ja, jederzeit. Was ich heute gehört
habe ist, dass die Mönche trotzdem weitermachen. Sie haben
Medien, erreichen das Ausland, aber auch die burmesische Bevölkerung,
die uns immer noch sehr unterstützt.
Moderator: Nachfragen:
Jojo: Was bedeutet „Die Soldaten sind ehemalige
Gefangene“? Gefangene von wem, und warum?
goethe: Wieso sieht man das an den Schuhen der
Soldaten?
Ashin Sopaka: Sie waren einfache Kriminelle. Mein
Freund, den ich heute gesprochen habe, hat auch gesagt, dass tausende
ehemalige Gefangene vor dem Kloster warten. Und ich sehe an den
Schuhen (auf Fotos und Videos), dass es keine regulären Soldaten
sind, weil in Burma die Soldaten eigentlich Uniformschuhe tragen.
Auf http://www.mizzima.com
gibt es z.B. solche Bilder. 😉
Moderator: Birmas Regime-Chef Than Shwe hat gerade
im staatlichen Fernsehen angekündigt, dass er einen Dialog
mit der unter Hausarrest stehenden Friedensnobelpreisträgerin
Aung San Suu Kyi beginnen will. Es gebe aber Bedingungen: Aung San
Suu Kyi müsse dafür ihren Konfrontationskurs aufgeben.
Das meldet die Agentur dpa vor zwei Minuten. Wie bewerten Sie das?
Ashin Sopaka: Das ist gut! Dialog ist ein sehr
gutes Zeichen, in jedem Fall. Aung San Suu Kyi ist stark, sie vertritt
unsere Position auch weiterhin glaube ich.
Moderator: Auch die Agentur AP bestätigt,
dass es zu einem Treffen kommen soll. Staatliche Medien in Birma
haben das bestätigt. Befürchten Sie nicht, dass das nur
ein vorgeschobenes Angebot sein könnte?
Ashin Sopaka: Dann sage ich „Herzlich willkommen
zum Dialog“. Aber er muss von Herzen und echt sein, nicht
nur vorgeschoben. Nicht nur wir Burmesen, sondern die ganze Welt
muss aufpassen, nicht betrogen zu werden.
goethe: Was bedeutet „glaube ich“ in
Bezug auf die Position von Aung San Suu Kyi? Sie steht unter sehr
starkem Druck. Kann es sein, dass sie der Oppositionspolitik den
Rücken kehrt? Befindet sie sich in direkter Lebensgefahr?
Ashin Sopaka: „Glaube ich“ heißt, ich
bin mir sicher. Sie ist ein Symbol und als solches nahezu unantastbar.
Und sie macht das Beste für die Bevölkerung.
sdfsdf: Darf sich Aung San Suu Kyi denn Bedingungen
aufzwingen lassen?
Ashin Sopaka: Das kann ich nicht sagen. Ein Dialog
ist zunächst einmal gut, wir müssen diese Chance nutzen.
Und man muss sicherlich auch kompromissbereit sein. Aber ich bin
mir sicher, dass sie hart für uns kämpfen wird. Die Regierung
weiß auch um die Rolle von Suu Kyi und dass sie damit eine
starke Position hat. Mein Vorschlag ist: Beide Seiten sollen das
Miteinander suchen, das Wohl der Bevölkerung.
Kero: Welche direkten Ziele verfolgt der Aufstand?
Was sind für Sie realisierbare Visionen für Birma im Zuge
des Aufstandes?
Ashin Sopaka: Wir wollen ein friedliches Land schaffen, die Bevölkerung
soll genügend Essen haben. Und es soll nicht mehr gekämpft
werden.
Moderator: Nachfrage von:
saja: Glauben Sie an die Dialogfähigkeit eines
Militärregimes? Das widerspricht sich doch?
Ashin Sopaka: Ja, ich glaube das Regime versteht,
was sie gemacht haben. Dass ihnen kein anderer Ausweg mehr bleibt,
als einen Dialog anzufangen.
nette: Wie weit wird China Dialoge zulassen?
Ashin Sopaka: China ist im Moment wegen den Olympischen
Spielen ein wenig anders. Sie lehnen die Gewalt in Burma auch ab.
Die Stimmung in China hat sich geändert, ist nicht mehr wie
früher.
Moderator: Zwei ähnliche Fragen:
dr. robert: In wie weit beurteilen Sie die Chancen
für Burma, im Falle eines erfolgreichen Umsturzes in eine Demokratie
zu gehen? Wenn ich mir die Geschichte des Landes anschaue, sehe
ich vor dem Regime einen Bürgerkrieg. Wie sehr wird das Volk
an solch einem Prozess beteiligt sein?
simpson1984: Welche neuen Konfliktlinien könnten
aufbrechen, wenn die Junta erst einmal weg ist? Kann der Buddhismus
die Ethnien friedlich zusammenhalten? Danke.
Ashin Sopaka: Wenn das Land frei wäre, könnten
wir friedlich miteinander diskutieren und ein friedliches Land schaffen.
Ich denke nicht, dass es Bürgerkrieg geben würde. Der
gegenwärtige Bürgerkrieg entsteht aus einem Missverständnis:
Die Bevölkerung will das Regime nicht akzeptieren, weil es
nicht offiziell gewählt ist. Es gibt überall im Land gewählte
Parteien. Mit diesen könnte die Bevölkerung einen guten
Weg einschlagen. Ich glaube, eine Demokratie wäre möglich.
SimonG: Würde die Bevölkerung denn nach
jahrelanger Unterdrückung damit leben können, dass die
Herrscher von heute auch morgen noch die Regierung mitgestalten?
Ashin Sopaka: Niemand würde die heutigen Herrscher
wählen! Schon 1990 haben diese Herren eine derbe Niederlage
gegen Suu Kyi’s Partei eingesteckt. Wir betrachten die Mitglieder
des Regimes als Verbrecher. Ich bin überzeugt, diese Herren
hätten keine Chance.
Beatdesigner: Aber wie will man es schaffen, das Militärregime
zu stürzen? Das ist doch fast unmöglich.
Ashin Sopaka: Meine Vision ist, dass das Regime
für kurze Zeit mit uns zusammen arbeitet und dann zurück
tritt. Der Regierungschef ist schon 74, also sehr alt.
Moderator: Wir haben vor dem Chat schon viele Fragen
gesammelt. Am meisten interessiert hat die User das:
anonym: Was können Menschen hier tun, um die Proteste zu unterstützen?
Ashin Sopaka: Es gibt Möglichkeiten hier,
die Solidarität zu zeigen: Am 6. Oktober sollt ihr rote Farben
tragen. Und aufmerksam die Medien verfolgen, um weltweite Aktionen
zu ermöglichen. Schaut auf http://www.frieden-lauf.de.
Auf http://www.dvb.no
gibt es aktuelle Informationen (auch auf Englisch). http://www.mizzima.com
hatte ich bereits erwähnt.
Otmar: Ist mizzima news eine vertrauenswürdige
Quelle? Sollte man sie unterstützen?
Ashin Sopaka: Oh ja, auf jeden Fall ist dies eine
vertrauenswürdige Quelle. Die Redaktion telefoniert jede Stunde
mit Burma. Weitere Möglichkeiten der Unterstützung schreibe
ich regelmäßig auf frieden-lauf.de.
Moderator: Die am zweithöchsten bewertete
Frage aus unserem „Warteraum“ vor dem Chat war diese:
satumata: Wie würde sich die Lage in ihrem
Land gestalten, wenn die Junta jetzt tatsächlich von einem
Tag auf den anderen abdanken würde? Welche politischen und
sozialen Kräfte wären in der Lage die Zukunft des Landes
zu gestalten?
Ashin Sopaka: Ganz klar die institutionellen Parteien.
Sie wurden schon vor Jahren mit 82 Prozent von der Bevölkerung
gewählt. Sie wären in der Lage, eine Regierung zu bilden.
Wir haben 1990 gewählt, aber die jetzige Regierung hat das
Resultat einfach ignoriert.
Moderator: Auch das hat unsere User bereits vor
dem Chat interessiert. Und Zusatzfrage von mir: Kann man im Moment
überhaupt so einfach einreisen?
torso: Wäre es sinnvoll, momentan nach Birma
zu Reisen um als Europäer an den Protesten teilzunehmen?! Am
besten in großen Gruppen, so das die Vereinten Nationen noch
aufmerksamer werden. Mit der Hoffnung, dass die Regierung vor Gewalt
gerade gegen Ausländer und so ja auch gegen das eigene Volk
ablässt!
Ashin Sopaka: Ich selbst kann nicht einreisen.
Aber Europäer können als Touristen einreisen, aber Urlaub
machen sollte man da jetzt natürlich nicht. Aber es wäre
wunderbar, wenn viele Friedensaktivisten einreisen und an den Protesten
teilnehmen. Das würde uns nicht nur mehr Zugang zu Informationen
verschaffen sondern natürlich auch die weltweite Aufmerksamkeit
stärken. Den Antrag fürs Visum als "Kellner"
stellen. 😉 So umgeht man die militärische Kontrolle, wie
mir Freunde berichten.
nataku: Heute findet auch eine internationale Aktion
von Webloggern statt, die Banner, Grafiken und Postings unter dem
Motto Free Burma
auf ihre Seiten stellen. Was halten Sie von solchen Aktionen? Können
die helfen?
Ashin Sopaka: Ja, solche Aktionen helfen sehr.
So entwickelt sich eine globale Bewegung. Und wir können zeigen,
dass die Medien – auch das Internet – eine große Kraft sind.
Moderator: Diese Frage muss man angesichts des ermordeten
japanischen Fotografen stellen:
not.bad: Wie groß ist denn die Gefahr, wenn
man als Ausländer an Protesten teilnimmt?
Ashin Sopaka: Im Moment gibt es wenig offenen Protest
in Burma. Mein Vorschlag ist, einfach dahin zu reisen und vor Ort
nachzufragen, wie man am besten unterstützen kann. Ich würde
nicht zu offenem Protest raten, aber ich wünsche mir natürlich
Unterstützung der Bevölkerung und der Mönche.
Moderator: Ganz viele Fragen zu diesem Thema: Stellvertretend
noch eine dazu:
Oxford: Wie beurteilen Sie grundsätzlich die
Reisen von westlichen Touristen nach Burma? Sind sie hilfreich oder
unterstützen sie damit nur das Militärregime?
Ashin Sopaka: Ich wünsche mir, dass die Menschen
nicht als Touristen nach Burma reisen, um das Land zu sehen oder
Urlaub zu machen. Also bitte keine „Busreisen“. Wer
hinreist, sollte einzeln reisen und den Kontakt mit der Bevölkerung
suchen.
Moderator: Wünsche von:
nette: Ich wünsche euch viel Erfolg, ohne
Gewalt und mit mehr Unterstützung. Es ist toll, dass die Mönche
und die Bevölkerung so tapfer und hartnäckig ist, von
Herzen…!
Autolycus: Wir wünschen Ihrem Land und Volk
das Glück, welches wir 1989 haben durften!
Moderator: Unsere 60 Minuten tagesschau-Chat sind
vorbei. Vielen Dank Herr Sopaka, dass Sie Zeit für den Chat
hatten! Vielen Dank an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Chats
für Ihr Interesse und Ihre Fragen. Das Chat-Protokoll finden
Sie in Kürze auf den Seiten von tagesschau.de und politik-digital.de
zum Nachlesen. Noch ein Hinweis: Am kommenden Mittwoch, 10. Oktober
kommt der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg,
zum Chat ins ARD-Hauptstadtstudio. Online-Durchsuchung, Terror-Bekämpfung,
das Verhältnis Polizei und Bürger – für solche
Themen ist Freiberg der richtige Mann. Wir sind gespannt auf Ihre
Fragen und würden uns freuen, wenn Sie wieder dabei sind. Das
tagesschau-Chat-Team wünscht noch einen schönen Abend!
Ashin Sopaka: Vielen Dank an alle Teilnehmer und
die Veranstalter. Ich danke ganz Deutschland für die positiven
Reaktionen auf unsere Aktionen. Bitte helft uns weiter!