Chat mit Michael Pohly, Biograph von Osama bin Laden und Afghanistanexperte
Wer
ist Osama bin Laden? Dr. Michael Pohly vom Institut für Iranistik an
der Freien Universität Berlin hat mit Khalid Duran ein Buch über den
heute meistgesuchten Mann der Welt geschrieben. Er beantwortete im
Live-Chat Fragen nach bin Laden, der Situation in Afghanistan und den
Aussichten auf eine Lösung des Konflikts.
Viele Chatter wollten mehr über die Beweggründe Osama bin Ladens
wissen. Michael Pohly erklärte, warum der wahrscheinliche Drahtzieher der New
Yorker Anschläge trotz seiner wohlhabenden Herkunft zum Top-Terroristen werden
konnte: "Bin Laden ist in einer privilegierten Minderheit in Saudi-Arabien aufgewachsen.
Er gilt als Jemenit, obwohl in Riad geboren. Seine Mutter war Palästinenserin.
Und Palästinenser hatten zu dieser Zeit einen erheblichen Einfluss in den Golfstaaten.
Ihm sind die Aktivitäten Israels im Libanon zu dieser Zeit nicht verborgen geblieben.
Diese haben ja auch andere radikalisiert."
Neben dem arabisch-israelischen Konflikt machte Pohly aber auch die grosszügige
westliche Unterstützung der Heiligen Krieger während des Afghanistan-Krieges
verantwortlich: "Osama bin Laden und andere waren Teil der US-Strategie zur
Eindämmung des Kommunismus." In anderer Form hat diese Unterstützung bis heute
stattgefunden: "Der eigentliche Aufstieg wurde dann durch die Mitwirkung der
USA beschleunigt, als sie ihn zum Feind Nummer Eins erklärten. Die Personifizierung
des islamistischen Terrors auf Osama bin Laden führte zu einer Stabilisierung
seiner Position."
Pohly sah die Verantwortung von bin Ladens Terrornetzwerk Al-Quaida hinsichtlich
der Terroranschläge in New York und Washington als erwiesen an. Er beklagte,
daß die Organisation lange auch von gegenwärtigen Koalitionspartnern der
USA aufgerüstet wurde. Die Taliban selbst seien insbesondere durch Pakistan
gefördert worden: "Pakistan versucht, seinen Einfluss in Afghanistan
zu retten und Teile der Taliban zu reorganisieren und unter anderem Namen wieder
neu zu beleben. Dies soll Pakistan auf keinen Fall gestattet werden. Der Versuch
Pakistans, sich Afghanistan unterzuordnen, ist mit ein Teil der jetzigen Katastrophe."
Auf
seine Meinung zum gegenwärtigen Krieg der USA gegen das Taliban-Regime
angesprochen, meinte der Afghanistan-Experte: "Diese Angriffe wurden
von den Taliban als Angriff gegen den Islam interpretiert. Sie finden
heute durch die zivilen Opfer Gehör. Die Menschen fühlen sich als
Scharid, als Märtyrer, die von einer ausländischen Macht getötet werden
können." Eine Weiterführung der Bombardements lehnte er deshalb ab:
"Ich kann davor nur warnen, das Bombardement fortzusetzen oder
auszuweitern oder gar Bodentruppen in Afghanistan einzusetzen."
Das ausführliche Transkript finden sie hier.