Kinder und Jugendliche hantieren schon früh mit Handy und Internet. Sie verschicken SMS, chatten und bloggen. Dabei gehen sie zu sorglos mit Fotos und persönlichen Daten um, meint Medienpädagoge Matthias Felling im Interview mit politik-digital.de.

 

politik-digital.de: Ab wann beginnen Kinder damit, sich
mit Computern, Internet und Handy zu beschäftigen? Welche Formate
nutzen sie dabei?


Matthias Felling: Bereits ein Viertel der Sechs- bis Siebenjährigen
hat ein Handy. Ab einem Alter von zehn Jahren besitzt dann ungefähr
die Hälfte der Kinder ein Mobiltelefon. Man kann also sagen:
Während der Grundschule werden die Kinder mit einem Handy ausgestattet.

Bei den Jüngeren steht dabei ganz klar das Telefonieren an
erster Stelle, dabei werden sie häufiger angerufen, als dass
sie selbst anrufen. Denn Eltern geben ihren Kindern oft das Handy
mit, damit sie erreichbar sind. Jugendliche nutzen das Handy ebenfalls
am häufigsten zum Telefonieren oder um Kurznachrichten zu versenden.
Sie fotografieren aber auch damit oder hören Musik.

Matthias Felling
Medienpädagoge Matthias Felling

Mit dem Internet hatten immerhin schon über 90
Prozent der Jugendlichen einmal Kontakt. Häufig wird das in
der Schule passieren, wo Computer und Internet im Unterricht genutzt
werden. Hier ist auch wieder die Kommunikation ganz weit vorne:
ICQ-Messenger und E-Mail nutzen die Jugendlichen am häufigsten.
Darauf folgen Spiele und die Informationssuche, wobei es Unterschiede
nach dem Bildungungsstand der Jugendlichen gibt: Für Hauptschüler
ist das Spielen im Netz wichtiger, Gymnasiasten suchen eher nach
Informationen.

Bei der Handy-Nutzung und im Internet geht es Jugendlichen also
um die Kommunikation mit ihren Freunden, um Kontakt zu den so genannten
Peers. Die Jugendlichen wollen auch nach der Schule mit ihrem eigenen
Leben kommunizieren.

Welches Alter empfehlen Sie für den Einstieg in die
Kommunikation über neue Medien? Was müssen Eltern beachten
und wann sollten sie dabei sein, wenn ihr Kind das Handy benutzt
oder im Internet surft?

Eltern sollten eigentlich die ganze Zeit darauf achten, was ihre
Kinder im Internet und mit dem Handy treiben. Sie sollten sich dafür
interessieren, womit ihre Kinder sich beschäftigen.
Es gibt aber kein bestimmtes Alter, bei dem ich sagen würde,
hier fängt man mit Internet und Handy an. Auch für Kinder
gibt es sinnvolle Angebote im Internet, zum Beispiel moderierte
Chaträume. Da achtet ein Moderator darauf, was passiert. Für
diese Chaträume müssen die Kinder sich anmelden, Eltern
werden darüber zum Teil über eine E-Mail informiert. Dort
können die Kinder per Knopfdruck auch Leute ausblenden, die
versuchen, sie zu beleidigen. Genauso gibt es Chatangebote für
Jugendliche, die zum Beispiel ebenfalls einen derartigen Ignorieren-Button
haben.

Ich denke, es kann durchaus sinnvoll sein, dass Kinder im Internet
surfen. Schließlich bedeuten die Neuen Medien nicht nur Gefahr,
sondern stellen einen großen Teil der heutigen Lebenswelt
dar. Wichtig ist allerdings, dass Eltern ihre Kinder im Internet
begleiten und sie dort nicht allein lassen. Als konkretes Beispiel:
Ein Sechsjähriger kann durchaus ins Internet gehen, sollte
aber nicht herumsurfen, wo er gerade Lust hat. Eltern können
den PC etwa mit Filtern versehen. Oder spezielle Kinderseiten ansurfen,
etwa die Kindersuchmaschine Blinde Kuh, bei denen sie sicher sein
können, dass gefilterte Suchergebnisse geliefert werden.
Das Netz ist riesengroß, das kann Kinder natürlich auch
überfordern. Daher sollten Eltern dabei sein und sich darum
kümmern, dass Kinder nicht zu lange im Netz unterwegs sind
und für Ausgleich sorgen.

Auch ein Handy kann für Kinder sinnvoll sein. Es kann praktisch
sein, wenn ein Sechsjähriger ein Handy hat, zum einen, um damit
anzurufen. Zum anderen kann er darüber aber auch Spiele spielen,
etwa wenn er einen langen Schulweg im Bus zurücklegen muss.
Es sollte den Eltern allerdings bewusst sein, welche Medien es auf
dem Handy gibt: Dass man SMS senden, Filme drehen und ins Internet
gehen kann.
Eltern können sich das Handy auch von ihren Kindern erklären
lassen, die sind ja oft fitter als ihre Eltern.

Interaktive Webseiten wie MySpace oder SchülerVZ liegen
im Trend bei Jugendlichen, auch Chats und Blogs. Welche Vorlieben
gibt es hier?

Persönliche Seiten und Blogs sind gar nicht so stark verbreitet,
wie die Medien weismachen wollen. Das ist ähnlich wie bei Second
Life: Es wird viel darüber geredet, aber kaum genutzt. Dennoch
ist es für Jugendliche wichtig, auf Plattformen wie MySpace
präsent zu sein. Es geht wieder um Kommunikation: Jugendliche
wollen sich hier mit ihren Freunden unterhalten und ihren Kreis
erweitern. Für pubertierende Jugendliche ist es wichtig, die
eigene Identität zu finden, dazu kann es heute auch gehören,
sich ein mediales Abbild zu schaffen.

Sehen Sie hier auch Risiken, zum Beispiel bei der Weitergabe
persönlicher Daten und Fotos?

Ja, definitiv. Den Jugendlichen fehlt das Bewusstsein dafür,
dass das Internet nicht vergisst. Es ist was anderes, ob ich ein
Bild irgendwo aufhänge, wo ich es wieder abnehmen kann, oder
ob ich es im Internet veröffentliche. Es gibt da eine Geschichte
von einer Sozialarbeiterin, die mit Jugendlichen aus einem Jugendzentrum
einen Chatraum aufbaute. Die Kinder sollten auch Fotos für
ihr Profil veröffentlichen. Einige Mädchen haben dann
Bikini-Fotos eingestellt. Die Sozialarbeiterin hat diese Fotos groß
ausgedruckt und im Jugendzentrum aufgehängt. Die Mädchen
waren total entsetzt, dass jemand so etwas tun konnte. Dadurch haben
sie aber verstanden, dass ein Foto im Internet kein kleines Ding
ist, sondern von jedem gesehen werden kann, ähnlich wie im
Jugendzentrum.

Hier ist auf jeden Fall Aufklärung nötig. Die Technik
ist mittlerweile soweit – es gibt auf einigen Handys etwa
die Funktion, direkt vom Handy auf dem Blog zu veröffentlichen.
Vor zehn Jahren ging vieles noch nicht, was heute möglich ist,
zumindest wurde es nicht auf immer und ewig gespeichert.
Die Problematik im Chat ist dabei die größte, denn hier
kann Gefahr für Leib und Seele bestehen. Das belegen auch Zahlen
aus der Studie „Jugend, Information, Multimedia“: 63
Prozent der Jugendlichen sind im Chat schon einmal nach persönlichen
Daten gefragt worden, 23 Prozent haben diese Daten auch weitergegeben,
das ist schon sehr viel. Die Mädchen waren dabei zurückhaltender:
18 Prozent der Mädchen haben ihre Daten weitergegeben, aber
28 Prozent der Jungen. Mädchen sind hier aufgeklärter,
es ist stärker in ihrer der Erziehung verankert, dass sie vorsichtig
sein müssen. Diese Ergebnisse zeigen also auch, das Aufklärung
etwas bringt. Das ist zumindest eine mögliche Erklärung.

Generell kann man sagen, dass bei Jugendlichen das Bewusstsein für
Urheberrecht und Persönlichkeitsrecht wenig vorhanden ist.

Stichwort E-Mobbing, also Mobbing über E-Mails, in
Chats und in Foren oder über Handy: Welche Formen des E-Mobbing
gibt es?

Zum einen Gewalt rund ums Handy: Das können zum Beispiel Filme
sein oder Fotos, die in peinlichen Situationen gemacht wurden und
dann in der Schule die Runde machen. Mobbing und Beleidigung in
der Schule gab es praktisch schon immer, das Mobbing über das
Handy ist eine Fortsetzung davon.
Weiterhin kommt es zu Belästigungen im Chat oder über
SMS. Hier liegt das Problem darin, dass das für Lehrer schwerer
zu sehen ist als herkömmliches Mobbing. Den Lehrern muss bewusst
sein, dass jemand fertig gemacht werden kann, ohne das jemand anderes
etwas sagt.

Zudem werden nicht nur Filme selbst gedreht, sondern auch aus dem
Netz heruntergeladen. Die sind auf den Videoportalen wie YouTube
sehr einfach zu bekommen. Das kann Belästigung sein, weil auf
die Schüler ein ein Druck ausgeübt wird, mitzumachen.

Auch die Lehrer beschweren sich zunehmend über Mobbing: Es
kursieren zum Beispiel Filme über Lehrer auf YouTube. Das können
ganz banale Szenen sein, etwa aus dem Unterricht. Dann gibt es aber
auch Fälle wie in Schottland: Einem Lehrer wurde im Unterricht
die Hose heruntergezogen, die Schüler haben das gefilmt und
online gestellt.
Oder es werden fiktive Charaktere, mit dem Namen der Lehrer, bei
Flirtlines angelegt.

Wann sollte Medienförderung in der Schule beginnen?
Wie können Schulen besser auf den Umgang mit den Neuen Medien
vorbereiten?

Auch schon Grundschulen sollten sich über Medienförderung
Gedanken machen. Das machen sie aber auch, viele Schulen unternehmen
ja etwas. Im Schulgesetz Nordrhein-Westfalen etwa ist verankert,
dass Schüler einen verantwortungsbewussten Umgang mit Medien
lernen sollen.
Ich berate Schulen rund ums Handy, da geht es zum Beispiel darum,
Regeln für die Handynutzung an der Schule aufzustellen. Vertreter
aus Schülerschaft, Elternschaft und Lehrerschaft setzen sich
zusammen und beschließen gemeinsam eine Ordnung. Denn auch
Schüler stört das Handy im Unterricht.

An Schulen ist eine grundsätzliche Auseinandersetzung wichtig.
Medien sollten in den Unterricht eingebaut werden – das hängt
aber stark vom Engagement einzelner Lehrer ab.
Lösungen sind zum einen, in der Lehrerausbildung den Umgang
mit Neuen Medien einzuschließen. Die Haltung gegenüber
den Neuen Medien muss sich auch verändern: Sie dürfen
nicht nur als Störfaktoren gesehen werden.

Für die Schulen ist die Situation häufig schwierig: Sie
bekommen immer etwas Neues aufgedrückt, andererseits werden
die Stellen gestrichen. Mediennutzung ist hier ein Problem unter
vielen.

Matthias Felling hat Diplom-Pädagogik in Bielefeld studiert
und arbeitet als selbständiger Pädagoge. Er ist Redakteur
bei Handysektor.de,
einem Informationangebot für Jugendliche von der Landesmedienanstalt
Nordrhein-Westfalen und dem Medienpädagogischen Forschungsverbundes
Südwest. Felling selbst beschäftigt sich seit etwa zwei
Jahren verstärkt damit, wie Jugendliche das Handy nutzen. Auf
Elternabenden erläutert er die Probleme, die dabei auftauen
können – etwa mit der Handykamera gefilmte Gewaltszenen,
die Kinder auf dem Schulhof tauschen.

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