Kleber an der Türklinke oder Furzkissen auf dem Lehrerstuhl sind von gestern. Moderne Schülerstreiche sind multimedial: Heimlich filmen und fotografieren Schüler ihre Lehrer oder montieren Lehrergesichter in pornographische Fotos.
Einem schottischen
Lehrer etwa zogen Schüler im Unterricht vor laufender Kamera
die Hose herunter und stellten den Film in Internet-Videoportalen
zur Schau. Das Spektrum reicht im Extremfall bis hin zu Hinrichtungsvideos
oder Gewalt-Computerspielen, in denen die Charaktere die Köpfe
der Lehrer tragen.
Sexy Lehrer und peinliche Pauker
Neben solchen Attacken gibt es im Internet rechtliche Grenzgänger:
Das Netzwerk "spickmich.de"
beispielsweise erfreut sich wachsender Beliebtheit innerhalb der
Schülerschaft. Nach Angabe der Initiatoren haben sich inzwischen
über 150.000 Schüler registriert. Der Maxime „Noten
für die Notengeber“ folgend stellten sie bereits 100.000
Lehrern ihre Zeugnisse aus. Die Idee stammt von drei Kölner
Studenten und basiert auf dem Prinzip des Professorenbewertungs-Portals
"meinprof.de":
Nach einer Registrierung können die Nutzer eine eigene Profilseite
einrichten und ihre Lehrer anhand von Kategorien wie „peinlich
und öde“, „cool und witzig“, „hässlich“
oder „sexy“ bewerten. Die Notenvergabe für diese
Soft-Skills stößt jedoch bei einigen Lehrern und deren
Verbänden auf Ablehnung: Über die eigentliche Qualität
des Unterrichts sagten die Schülerwertungen wenig aus. Durch
die Anonymität des Internets ließen sich einige Schüler
zudem zu teilweise beleidigenden Statements hinreißen, weshalb
die Kommentarfunktion zu den jeweiligen Lehrern entfernt wurde.
Eine Lehrerin aus dem nordrhein-westfälischen Moers fühlte
sich durch die öffentliche Notenvergabe auf spickmich.de bloßgestellt
und in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt. Sie leitete zivilrechtliche
Schritte ein, um die Veröffentlichung des Schulnamens und den
dort von ihr unterrichteten Fächern zu verhindern. Eine zunächst
erwirkte einstweilige Verfügung hob die Zivilkammer des Landgerichts
Köln wieder auf:
Weder datenschutzrechtliche Bestimmungen noch das Persönlichkeitsrecht
seien verletzt worden, so das Gericht. Die Benotungskategorien auf
"spickmich.de" fielen in den Bereich der freien Meinungsäußerung,
begründeten die Richter. Die Betreiber von "spickmich.de"
werten das Urteil als Erfolg für mehr Transparenz – für
eine Qualitätsverbesserung des Unterrichts sei ein Feedback
durch die Schüler unerlässlich.
Lehrerbewertung leicht zu überlisten
Für den Philologenverband, der als Bundesorganisation der Gymnasiallehrer
deren berufs- und bildungspolitische Interessen vertritt, ist diese
Art von Rückmeldesystem aber nicht zielorientiert. Die Erhebung
sei zu pauschal. Der Verband kritisiert weiterhin das öffentliche
Anprangern durch bundesweite „Flop-Listen“ sowie das
leicht zu manipulierende Bewertungsverfahren. Ein Selbstversuch
von niedersächsischen Lehrern hat gezeigt, wie einfach
das System durch Mehrfachbewertungen zu überlisten ist: Binnen
weniger Tagen gelang es ihnen, sich über fiktive Profile gegenseitig
in die Top10-Liste der beliebtesten Lehrer zu wählen und damit
auf die geringe Aussagekraft des Bewertungsportals aufmerksam zu
machen.
„Lehrer sind kein digitales Freiwild“, so Heinz-Peter
Meidinger, Bundesvorsitzender des Philologenverbandes. Die Politik
müsse einschreiten, um die Persönlichkeitsrechte der Lehrer
zu schützen. Eine Überarbeitung des Telemediengesetzes
sei notwendig: Bis jetzt können die Anbieter von Online-Diensten
nicht für die Cyber-Attacken verantwortlich gemacht werden.
Strafbar macht sich allein derjenige, der Videos und Kommentare
veröffentlicht. Der Philologenverband fordert, dass in Zukunft
problematische Inhalte im Voraus gesperrt werden können und
die Website-Betreiber mehr Verantwortung übernehmen müssen.
Der Verband hat der Kultusministerkonferenz einen Maßnahmenkatalog
vorgelegt, dessen Vorbild ein Programm der britischen Regierung
ist. In Großbritannien richtete man aufgrund zunehmenden "Cyberbullyings"
unter anderem eine nationale Beratungsstelle ein.
Politiker greifen ein
In Nordrhein-Westfalen äußerten sich Anfang Juli 2007
erstmals auch Politiker
zum Thema Online-Mobbing und sicherten den Lehrern ihre Unterstützung
zu. Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU)
betonte, dass es sich bei der beleidigenden und herabwürdigenden
Darstellung von Lehrern nicht um schlechte Schüler-Scherze,
sondern um Straftaten handle, die entsprechend strafrechtlich zu
verfolgen seien. Ergänzend bestünde für Betroffene
die Möglichkeit, zivilrechtlich gegen die Verletzung des Persönlichkeitsrechts
vorzugehen und Internetseiten der Schulaufsicht zu melden. Die Schulministerin
Barbara Sommer (CDU) hat die Bezirksregierungen angewiesen, Inter-netseiten
mit Persönlichkeitsrecht verletzenden Inhalten zu sperren.
Darüber hinaus besteht eine Kooperation mit den Lehrerverbänden,
um eine einvernehmliche Problemlösung herbeizuführen.
Die Betreiber von "spickmich.de" überlegen zurzeit,
die in Kritik geratenen Bezeichnungen ihrer Kategorien zu ändern
und stehen dafür ebenfalls im Dialog mit dem NRW-Bildungsministerium.