Bundesweit kämpfen Bürgerinitiativen für flächendeckende DSL-Versorgung. Trotzdem sind noch
immer ganze Kommunen abgeschnitten vom schnellen Netz. Da Betriebe wegbleiben und die junge Generation flüchtet, droht eine Zweiklassengesellschaft. Jetzt soll das EU-Parlament helfen.
Mehr als 40 Millionen Deutsche sind heute im Netz unterwegs. 59
Prozent surfen bereits per schnellem Breitbandanschluss –
Tendenz steigend. Doch der Breitbandatlas
des Bundeswirtschaftsministeriums zeigt: Auch im Jahr 2007 gibt
es noch immer Ortsteile und Kommunen, die abgeschnitten sind von
der bundesweiten DSL-Internetgemeinde. Die Bürger sind hier
schlimmstenfalls gezwungen, per Modem im Schneckentempo durchs Netz
zu navigieren. Das bringt teilweise deutliche Nachteile in Schule
und Job mit sich. Zahlreiche Gewerbetreibende haben es schwer, in
der heute stark internetbasierten Geschäftswelt mitzuhalten.
Auch die Lokalpolitik ist betroffen: So wollen zwar viele Kommunen
per E-Government Verwaltungsdienste online erreichbar machen, sind
aber aufgrund der schlechten Zugangsbedingungen gar nicht in der
Lage dazu. Nicht nur die elektronische Verwaltung und Antragsstellung
sind auf den schnellen Internetzugang angewiesen – ein Leben in
der DSL-Ödnis macht es zudem vielen Bürgern auf Dauer
nicht leicht, per Internet aktiv am politischen Leben in ihrer Gemeinde
und im Bundeslandes mitzuwirken.
Netzanbieter scheuen Ausbaukosten
Dabei wäre eine flächendeckende Versorgung mit DSL technisch
möglich – wirtschaftlich allerdings wenig rentabel. Kritiker
bemängeln, Netzanbieter würden hierzulande vor allem profitorientiert
denken. Fakt ist: Sie haben freie Hand bei der Entscheidung, welche
Gebiete sie erschließen. In Foren oder etwa in einem Gästebuch
auf WDR.de klagen Telekom-Kunden, das Unternehmen lehne ihre
DSL-Anträge ab, da sich ein teurer Ausbau der Leitungen für
das Unternehmen nur dort lohne, wo man viele Kunden vermutet. Dieser
Vorwand sei „angesichts der Millionenausgaben für die
DSL-Werbung aberwitzig“, schreibt ein Bewohner aus Lindlar
bei Köln. Wer in dünn besiedelten Gebieten lebt, wartet
womöglich noch Jahre auf die schnelle Verbindung. In manchen
Fällen bleibt immerhin das langsamere Funk-DSL, womit das Hochladen
größerer Daten jedoch zur Tortur wird, oder der Wechsel
zur Konkurrenz. Die sträubt sich aber in der Regel vor Alleingängen.
Weil sich – gerade in ländlichen Gegenden der Republik
– noch immer zahlreiche Internetnutzer mit Modem, ISDN oder
DSL light und Preisen jenseits aller Flatrate-Grenzen plagen müssen,
schossen in den zurückliegenden zwei Jahren Bürgerinitiativen
wie Pilze aus dem Boden. Allein 20 Ortsteile ihrer Region ohne Chance
auf DSL haben die Gründer der Webseite DSL-am-Niederrhein.de
aufgetan. Die Betreiber bieten ein Forum für örtliche
Initiativen, führen die angeblich gesundheitsschädlichen
Folgen von Funk-DSL auf und fordern mit mahnenden Worten von der
Politik, endlich ganz Nordrhein-Westfalen mit DSL zu versorgen:
„Oder macht es Euch stolz, dass wir von Staaten überholt
werden, die vor 15 Jahren nicht einmal ein flächendeckendes
Telefonnetz hatten.“
Für umfassende Bildung macht sich laut eigener Aussage der
„Förderverein
Bürgernetz Dresden“ stark und stellt seinen 1300
Mitgliedern in der ganzen Stadt 80 Hotspots für drahtloses
Surfen zur Verfügung. Die ebenfalls sächsische Bürgerinitiative
„Pro-DSL Röderstal“
bekam sogar Unterstützung vom parteilosen Bundestagsabgeordneten
Henry Nietzsche, der sich direkt an den Telekom-Vorstand wandte.
Einen ersten Teilerfolg konnten die 300 privaten Mitglieder und
50 Firmen zumindest verbuchen: Mitbewerber Vodafone richtete ein
UMTS-Netz ein. Auch im Märkischen Kreis, in Teilen von Thüringen
und selbst 50 Kilometer vor Köln klaffen nach wie vor große
DSL-Löcher. Nicht selten ein Grund für Betriebe und Unternehmen,
diese Gemeinden als Standort zu meiden.
Erfolgreiche Gegenwehr in Cuxhaven
An der Nordsee zeigte man, wie trotz Widerstände der Sprung
ins DSL-Zeitalter gelingen kann. Die Bürger Cuxhavens wollten
sich, wie zahlreiche andere engagierte Gemeinden bundesweit, nicht
abfinden mit der unfreiwilligen DSL-Abstinenz. Rund 12 000 Privathaushalte
zählt die Stadt, hinzu kommen knapp 1000 Gewerbetreibende und
Unternehmen. Im Oktober 2005 riefen betroffene Bewohner und Firmen
die „Bürgerinitiative DSL für Cuxhaven“ ins
Leben. Auf einer Karte
illustrierten die Mitglieder, welche Straßenzüge durch
die DSL-Verfügbarkeitsprüfung der Telekom gerasselt sind.
Ergebnis: Nahezu das halbe Stadtgebiet lag abseits moderner Highspeed-Leitungen.
Die Initiative setzte sämtliche Hebel in Bewegung. Alle Bürger,
die ans schnelle Breitbandnetz wollten, registrierten sich der bei
der Bedarfsanalyse der örtlichen Industrie- und Handelskammer.
650 Wünsche gingen dort allein im ersten halben Jahr ein, über
ein Drittel davon Gewerbebetriebe. Breitbandanbieter wurden kontaktiert,
Flyer gedruckt, lokale Medien machten die Anstrengungen publik,
im Dezember 2005 ging die selbstgebastelte Internetpräsenz
online. Immer wieder wandten sich die Initiatoren an die Telekom,
die Industrie- und Handelskammer, das Amt für Wirtschaftsforschung
und den Bürgermeister. Alle Anfragen und Schriftwechsel dokumentierten
die Macher sorgfältig auf der eigenen Webseite, um die Cuxhavener
auf dem Laufenden zu halten und Unterstützer zu gewinnen. Im
Juli 2006 kündigte eine Firma zumindest den Bau eines DSL-Funknetzes
an – wenn auch zu hohen Bezugspreisen. Wenige Wochen später
sagte Marktführer T-Com zu, das gesamte Stadtgebiet mit DSL
zu versorgen. Herbst 2006 ging im Ortsteil Döse endlich der
erste nutzbare DSL 6000er-Anschluss online und im Februar dieses
Jahres war es schließlich vollbracht. Stolz verkündete
die Bürgerinitiative: „Es ist geschafft! In Cuxhaven
ist DSL flächendeckend verfügbar.“
EU-Petition eingereicht
Während im Nachbarland Schweiz ab 1. Januar 2008 eine Internet-Grundversorgungspflicht
bis ins kleinste Alpendorf in Kraft tritt – mit Mindestgeschwindigkeit
und festen Preisen – kommen aus der Bundespolitik noch keine
Signale. Deshalb suchte in diesem Sommer eine Bürgerbewegung
Hilfe auf EU-Ebene. Die nichtkommerzielle „Initiative
gegen digitale Spaltung“ forderte in einer Online-Petition
das Europäische Parlament auf, eine gesetzliche Grundlage zu
schaffen, „die es jedem ermöglicht, das Internet von
seinem Heimatort mit einer angemessenen Qualität zu einem erschwinglichen
Preis zu nutzen“. Die Parole lautet: Kampf um Gleichberechtigung
beim Internetzugang.
Am 7. Juli 2007 ging eine 33 Seiten lange Unterschriftenliste an
den Europäischen Parlamentspräsidenten Hans-Gert Pöttering
in Brüssel. Das Argument der Urheber: Den Menschen, die in
Gebieten ohne Breitbandtechnik lebten, würden „erhebliche
berufliche, wirtschaftliche, private, gewerbliche und schulische
Nachteile“ entstehen. Ebnet der ungleiche Internetzugang gar
den Weg in die Zweiklassen-Gesellschaft? Im Netz zumindest erregt
die Initiative Aufmerksamkeit mit einer geteilten Deutschlandkarte
und zitiert Artikel 3 des Grundgesetzes, wonach „niemand wegen
seiner Heimat oder Herkunft benachteiligt oder bevorzugt“
werden darf. Trotzig setzten die Macher einen „Artikel 3b“
darunter: „Es sei denn, Sie wollen DSL.“
Setzt das EU-Parlament die Bittschrift um, wäre die Deutsche
Telekom vermutlich gezwungen, ihr DSL-Netz flächendeckend auszuweiten.
Alternativ könnte der deutsche Gesetzgeber den Ausbau für
Mitbewerber ausschreiben.